Avogadrosches Gesetz

[204] Avogadrosches Gesetz, das von Amedeo Avogadro 1811 aufgestellte Gesetz, nach dem gleiche Volumen aller Gase bei gleicher Temperatur und gleichem Druck eine gleiche Anzahl Moleküle enthalten, deren Entfernung voneinander im Verhältnis zu ihrer Masse so groß anzunehmen ist, daß sie keine wechselseitige Anziehung auseinander mehr ausüben. Avogadro leitete dies Gesetz aus den von Gay-Lussac gefundenen gesetzmäßigen Beziehungen über die Verbindungen gasförmiger Körper ab und hob hervor, daß beim Übergang der Elemente in den Gaszustand diese sich nur in Moleküle, die noch aus mehreren einzelnen Atomen bestehen, aber nicht in Atome auflösen. Avogadros Ansichten gelangten erst fast ein halbes Jahrhundert nach ihrer ersten Formulierung zur Geltung. Man erkannte, daß diejenigen Molekulargewichte, die sich gemäß dem Avogadroschen Gesetz für die einzelnen Verbindungen ergaben, die Analogien derselben am besten hervortreten lassen und mit allen Eigenschaften derselben, chemischen wie physikalischen, am besten übereinstimmen, und gewann somit durch dies Gesetz ein sicheres Fundament für den weitern Ausbau der Ehemie. Alle Gase dehnen sich bei gleich starker Erwärmung auch gleich stark aus, und die einer bestimmten Zunahme des Druckes entsprechende Abnahme des Volumens ist bei allen Gasen dieselbe. Diese rein physikalischen Tatsachen deuten auf gleiche innere Struktur aller Gase hin, und die einfachste Hypothese, durch die sich das übereinstimmende Verhalten der Gase erklärt, ist das Avogadrosche Gesetz, das eine logische Folgerung der mechanischen Gastheorie bildet. Bei dieser wird die Temperatur durch die mittlere lebendige Kraft eines Moleküls bestimmt; verschiedene Gase haben also gleiche Temperatur, wenn die mittlere lebendige Kraft ihrer Moleküle den gleichen Wert hat. Der Druck wird gemessen durch die gesamte lebendige Kraft aller in dem Volumen 1 vorhandenen Moleküle. Bei gleicher Temperatur haben daher zwei verschiedene Gase gleichen Druck, wenn sie in dem gleichen Volumen dieselbe Anzahl Moleküle haben, von denen ja jedes die gleiche lebendige Kraft besitzt. Das ist aber nichts andres als das Avogadrosche Gesetz.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 204.
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