Cassiodōrus

[798] Cassiodōrus, Flavius Magnus Aurelius C. Senator, hoher Staatsbeamter unter der Gotenherrschaft in Italien und fruchtbarer Schriftsteller, geb. um 480, gest. um 580 n. Chr., aus angesehener Familie. Die Gunst, in der sein Vater bei Theoderich gestanden, übertrug sich auf den Sohn Senator (so war sein Rufname), der vermöge seiner Zuverlässigkeit und staatsmännischen Gewandtheit unter Theoderich und seinen Nachfolgern die höchsten Würden bekleidete (um 507 Quästor, Konsul 514, seit 533 praefectus praetorio) und fast 40 Jahre lang in der Staatsverwaltung erfolgreich tätig war, namentlich als Geheimschreiber Theoderichs. Wie er stets die Versöhnung der römischen Bevölkerung mit der Gotenherrschaft angestrebt, so ging beim Einfall Belisars in Italien sein Bemühen dahin, die Italiener vom Abfall zurückzuhalten. Wahrscheinlich nach dem Sturze des Vitigis (540) zog er sich in das von ihm bei Scylacium (Squillace) in Kalabrien gestiftete Kloster Vivarium (Vivarese) zurück. Hier beförderte er eine gelehrte Tätigkeit der Mönche, insbes. das Abschreiben von Schriften der Alten. Aus der Zeit seiner öffentlichen Wirksamkeit besitzen wir von ihm »Chronica«, einen dürftigen Abriß der Weltgeschichte von Adam bis 519 n. Chr., mit der vollständigsten aus dem Altertum erhaltenen römischen Konsulnliste als Hauptbestandteil (hrsg. von Mommsen, Berl. 1894), und die »Variarum (epistolarum) libri XII«, eine für die Zeitgeschichte wichtige Sammlung von Reskripten, von 511 vis 537, die er teils im Namen Theoderichs und seiner Nachfolger, teils im eignen Namen als Präfekt erlassen hatte, nebst einer Sammlung von Formularen zu Ernennungsdekreten (hrsg. von Mommsen, Berl. 1894); seine Geschichte der Goten in 12 Büchern ist nur in dem Auszuge des Jordanes (s.d.) erhalten. In seiner Zurückgezogenheit verfaßte er außer theologischen Schriften zur Belehrung für seine Mönche um 544 eine Art Enzyklopädie in 2 Büchern, die im Mittelalter häufig benutzten »Institutiones divinarum et humanarum litterarum« (eine Einführung in das theologische Studium und ein Abriß der sieben freien Künste), eine Schrift: »De anima«, und noch im 93. Jahre eine Kompilation: »De orthographia« (in Keils »Grammatici lat.«, Bd. 6). Gesamtausgabe seiner Schriften in Mignes »Patrologiae cursus«, Bd. 69 u. 70. Er wird als Heiliger verehrt; Tag: 17. März. Vgl. Thorbecke, C., ein Beitrag zur Geschichte der Völkerwanderung (Heidelb. 1867); Franz, C., ein Beitrag zur Geschichte der theologischen Literatur (Bresl. 1872).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 798.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: