Decazes

[564] Decazes (spr. dökās'), 1) Elie, Herzog D. und von Glücksbjerg, franz. Staatsmann, geb. 28. Sept. 1780 in St.-Martin-de-Laye (Gironde), gest. 24. Okt. 1860, praktizierte in Libourne als Advokat, ward 1805 Richter am Tribunal der Seine und 1806 vom König Ludwig von Holland nach dem Haag berufen. 1811 ward er Rat der Kaiserin-Mutter und beim obersten Gerichtshof des Reiches. Nach Napoleons I. Sturz schloß er sich den zurückgekehrten Bourbonen an. D., der wunderbar zum Hofmann begabt war und sich die Gunst des Königs im Fluge gewann, wurde zum Polizeipräfekten von Paris und im September 1815 zum Staatsrat und Minister-Staatssekretär der Polizei ernannt und zum Grafen erhoben, sowie er infolge seiner Vermählung mit der reichen Erbin de Sainte-Aulaire von dem König von Dänemark zum Herzog von Glücksbjerg ernannt wurde. Er überzeugte Ludwig XVIII., daß die legitimistische und absolutistische Reaktion binnen kurzem den Sturz des Königtums herbeiführen müsse, und führte ihn der liberalen Auffassung zu. Am 27. Dez. 1818 wurde er die Seele eines neuen, gemäßigt-liberalen Ministeriums, dessen nominellen Vorsitz General Dessoles führte, übernahm selbst das Innere und milderte die Preßgesetze. Als aber die Royalisten ihn heftig angriffen und die Liberalen nur immer größere Forderungen stellten, entschloß er sich zu einer Schaukelpolitik und ersetzte 19. Nov. die liberalen Mitglieder des Kabinetts durch konservative. Indes die unversöhnlichen Ultraroyalisten benutzten die Ermordung des Herzogs von Berry (13. Febr. 1820) zu einer Anklage gegen D., dessen revolutionäre Politik die Tat veranlaßt haben sollte, und erzwangen 17. Febr. seine Entlassung. Der König ernannte ihn zum Zeichen seiner fortdauernden Freundschaft zum Herzog. D. ging nun auf seine Güter in Südfrankreich und begründete hier große Kohlen- und Eisenwerke bei dem von ihm erbauten Flecken Decazeville (Aveyron). Als Mitglied der Pairskammer schluß er sich der gemäßigt-liberalen Partei, nach der Julirevolution 1830 dem König Ludwig Philipp an und ward 1834 zum Großreferendar der Pairskammer ernannt. Seit 1848 widmete er sich ausschließlich der Verwaltung seiner Güter. Vgl. Ernest Daudet, Louis XVIII et le duc D. 1815–1820 (Par. 1899).

2) Louis Charles Elie Armanieu, Herzog D. und von Glücksbjerg, geb. 29. Mai 1819 in Paris, gest. 17. Sept. 1886, ältester Sohn des vorigen, betrat die diplomatische Laufbahn, schied aber 1848 wie sein Vater aus dem öffentlichen Leben aus. Erst 1871 trat er wieder in die öffentliche Tätigkeit als Mitglied der Nationalversammlung, in der er sich dem rechten Zentrum anschloß, wurde im Juni 1873 Nachfolger des Herzogs von Broglie auf dem Botschafterposten in London und 26. Nov. 1873 Minister des Auswärtigen. Äußerlich hielt D. die guten Beziehungen zu allen Mächten, auch zu Deutschland, aufrecht, im geheimen aber suchte er eine Koalition gegen dieses, namentlich mit Rußland, zustande zu bringen. Nach dem Sturze der Monarchisten verlor er sein Abgeordnetenmandat und sein Portefeuille.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 564.
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