Fénelon

[413] Fénelon (spr. fén'lóng), François de Salignac de la Mothe, franz. Schriftsteller, geb. 6. Aug. 1651 auf dem Schloß F. in Périgord, gest. 7. Jan. 1715 in Cambrai, ward 1675 Geistlicher im Kirchspiel St.-Sulpice zu Paris. Vom König 1686 nach Saintonge und Aunis zur Bekehrung der dortigen Hugenotten gesandt, unterzog er sich dieser Aufgabe in der Form, daß Dragoner ihm überall vorarbeiteten, er aber diese Erbschaft mit vollem Bewußtsein antrat (vgl. Douen, L'intolérance de F., 2. Aufl., Par. 1875; Crouslé, F. et Bossuet, das. 1894–95, 2 Bde.). Solche Erfolge, seine eindringliche Predigtweise sowie sein »Traité sur le ministère des pasteurs« hatten seinen Namen schon bekannt gemacht, als er (1689) zum Lehrer der Enkel Ludwigs XIV., der Herzoge von Burgund, Anjou und Berri, ernannt wurde. 1693 ward er Mitglied der Akademie und 1695 Erzbischof von Cambrai. Einen Wendepunkt in seinem Leben bezeichnet seine Verteidigung der Frau Guyon (s.d.) in der »Explication des maximes des Saints sur la vie intérieure« (Par. 1697), worauf er durch Bossuets Einfluß in sein Bistum verwiesen, sein Buch zur Verdammung nach Rom gesandt ward. Erst nachdem F. wegen des 1699 ohne sein Wissen erschienenen Fürstenspiegels »Aventures de Télémaque« vollends dem Hofe verdächtigt worden war, weil man in Mentors Ratschlägen eine Kritik der Regierungsweise Ludwigs XIV. erblickte, erließ Innozenz XII. ein Breve (12. März 1699), worin 23 Sätze der »Explication« verworfen wurden. F. verlas diese Verurteilung selbst auf seiner Kanzel, ermahnte seine Gemeinde, sich danach zu richten, und nahm jene Sätze zurück. Aus den von Douen in dem genannten Werk mitgeteilten Dokumenten erhellt, daß er nicht bloß mit der Bekehrungsarbeit der Dragoner, sondern auch mit den entsetzlichen Maßnahmen, denen die jungen Hugenottinnen in dem Asyl der neuen Katholikinnen ausgesetzt waren, einverstanden war und auch sonst zu Quälereien gegen die standhaft bleibenden Reformierten aufgemuntert hat. Später ist es seinem Andenken zugute gekommen (wie in Chéniers Tragödie »Fénelon«), daß seine Schrift »Directions pour la conscience d'un roi« (Amsterd. 1734), die Idee eines zwischen Fürst und Volk bestehenden Vertrags ausführend, vom Kardinal Fleury unterdrückt und erst 1774 von Ludwig XVI. wieder freigegeben ward. Der »Télémaque«, der, sogleich nach dem Erscheinen verboten, erst nach dem Tode Fénelons wieder gedruckt werden konnte (der definitive Text erschien 1717, Ausg. mit Varianten, von Adry, 1811), wurde bis in die neueste Zeit in zahllosen Ausgaben verbreitet und in fast alle lebenden Sprachen übersetzt (deutsch von Kollmann, Augsb. 1878; von Rückert in Reclams Universal-Bibliothek; von Stehle, Paderb. 1891). Unter den Gesamtausgaben der Schriften Fénelons, deren letzte von A. Martin (Par. 1874, 3 Bde.) besorgt wurde, ist keine einzige ganz vollständig; hervorzuheben ist die von Bausset besorgte in 22 Bänden (das.[413] 1820–24), zu welcher die »Correspondance de F.« (hrsg. von Caron, 1827–29, 11 Bde.) eine Ergänzung bildet. Eine deutsche Übersetzung erschien Leipzig 1781 in 5 Bänden. Die Schriften religiösen Inhalts übersetzten Claudius (Hamb. 1800–1809, 2 Bde.; neue Ausg. in 3 Bden. 1823; 3. Aufl., Leipz. 1878), Silbert (»Sämtliche geistliche Schriften«, Regensb. 1837–39, 4 Bde.) und Arndt (2. Aufl., Regensb. 1887, 3 Bde.). Vgl. Ramsay, Histoire de la vie et des ouvrages de F. (Lond. 1723 u. öfter, 2 Bde.); Bausset, Histoire de F. (Par. 1808; neue Ausg. 1856, 4 Bde., und 1862; deutsch von M. Feder, Würzb. 1811–13, 3 Bde.); Hunnius, Leben Fénelons (Gotha 1873); Wunderlich, F., Erzbischof von Cambrai (Hamb. 1873); Paul Janet, Fénelon (2. Aufl., Par. 1903); Mahrenholtz, F., ein Lebensbild (Leipz. 1896); Boutié, Fénelon (Par. 1900); Sanders, F., his friends and his enemies (Lond. 1901); St.-Cyres, François de F. (das. 1901); Cagnac, Fénelon directeur de conscience (Par. 1901). In Périgueux und in Cambrai sind F. Denkmäler errichtet.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 413-414.
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