Herzentzündung

[249] Herzentzündung tritt bald als Entzündung des Herzfleisches, bald als solche der innern Herzhaut auf, häufig vereinigen sich diese beiden Vorgänge und verbinden sich auch als Entzündung des ganzen Herzens (Pankarditis) mit Herzbeutelentzündung. 1) Die Entzündung des Herzfleisches (Myokarditis) kommt selten als akute Krankheit in Gestalt kleiner Abszesse (Herzabszesse, Herzgeschwüre) in der Herzwand vor, die bald in den Herzbeutel aufbrechen, bald durch die innere Herzhaut in die Herzhöhlen sich öffnen, wobei die erweichte Herzwand zum Einreißen (Herzruptur) kommen kann. Die Ursache dieser eiterigen H. ist stets die Einschleppung von Bakterien su die kleinern Blutgefäße des Herzens (Embolie) von irgend einem Eiter- oder Jaucheherd aus, z. B. bei Wochenbett- und andern Wundfiebern. Viel häufiger ist die chronische Entzündung des Herzfleisches, die sich hauptsächlich an dem Bindegewebe an und zwischen den Fibrillen abspielt (interstitielle Myokarditis). Verursacht wird sie vor allem durch zahlreiche Infektionskrankheiten, am häufigsten durch den akuten Gelenkrheumatismus, dann durch Influenza, Rose, Typhus etc. Auch die durch Alkoholmißbrauch geschädigten, ferner die hypertrophischen Herzen werden aus teilweise noch unbekannten Gründen besonders leicht befallen. Anatomisch ist sie dadurch charakterisiert, daß sich im Herzfleisch, zumal des linken Ventrikels, zellenreiche Entzündungsherde ansammeln, die allmählich unter Schwund der Muskelfasern und Entwickelung von Bindegewebe zur Bildung von weißen Flecken und Streifen (Herzschwielen) führen, dabei aber schleichend sich auf noch unberührte Stellen weiter verbreiten. Durch Entzündung und Verschluß kleiner Arterien kann stellenweise die Blutzufuhr abgeschnitten und auch dadurch der Untergang von Muskelsubstanz herbeigeführt werden. Große Schwielen können, durch den Druck des Blutes verdünnt, sackartig hervorgedrängt werden. Man bezeichnet eine solche Ausbuchtung als Herzaneurysma. Die Myokarditis ist oft im Anfangsstadium kaum bemerkbar, oder sie zeigt sich durch Störungen der Herzschlagfolge und Herzschwäche an; letztere wird, wenn die Entzündung nicht ausheilt, früher oder später gefährlich. Eine Entartung des Herzmuskels, mit oder ohne eigentlichen Entzündungsvorgängen, ist eine gefährliche Folge von Bakteriengiftwirkung, besonders bei Diphtherie, ferner von Phosphorvergiftung und andern Vergiftungen. Geringere Grade von fettiger, körniger, hyaliner Entartung haben nicht die ihnen früher zugeschriebene Bedeutung. 2) Die Entzündung der innern Herzhaut (Endokarditis) ist bis zu 30 Proz. aller Fälle eine Begleiterin des akuten Gelenkrheumatismus, in der größten Mehrzahl der Fälle tritt sie überhaupt nach Infektionskrankheiten auf und ist selbst ein Produkt der Einwanderung zahlreicher krankheiterregender Mikroben, vor allem der eitererregenden Streptokokken. Sie ist immer nur auf kleine Strecken des Endocardiums beschränkt, Lieblingssitz sind die Klappen, selten die der rechten, häufig die der linken Kammer (Endocarditis valvularis) oder deren Sehnenfäden (E. chordalis). Man unterscheidet akute und chronische Entzündungen, die freilich gewöhnlich ineinander übergehen. Die akuten Prozesse beginnen mit Verdickungen des Klappengewebes, die entweder in die Bildung kleiner, warziger Thromben und Wucherungen übergehen (E. verrucosa), oder zerfallen und zur Zerreißung der Klappe oder Sehnenfäden führen (E. ulcerosa), oder endlich der Anfang einer chronischen Schwielenbildung mit Fettmetamorphosen und Verkalkungen werden. Die verruköse Form ist die häufigste, sie neigt zu chronischem, oft rückfälligem Verlauf. Wenn sich an den rauhen Oberflächen der Erkrankungsherde Niederschläge von Faserstoff bilden, so werden dieselben oft durch und mit dem Blutstrom ab- und fortgerissen, wodurch Embolien (s. d.) und nicht selten Schlaganfälle entstehen. Die ulzeröse Form tritt in verhältnismäßig gutartiger und in bösartiger Weise auf. Die erstere führt in mehr chronischem Verlauf zur Zerreißung von Sehnenfäden oder Klappen aneurysmen durch Verfettung der Gewebe, etwaige von ihr ausgehende embolische Pfropfen verhalten sich wie indifferente Körper, während die bösartige ulzeröse Entzündung stets durch massenhafte Pilzansiedelungen (Mikrokokken) bedingt wird und bei Verschleppung von Mikrobien mit dem Blutstrom in andern Organen Abszesse verursacht. Sie tritt meist als Teilerscheinung einer akuten Infektionskrankheit auf, namentlich des Wochenbettfiebers und andrer Formen des Eiterfiebers. Neben hohem Fieber ist sie gekennzeichnet durch das häufige Vorkommen slohslichähnlicher Flecke (Petechien) in der Haut, das von Blutungen herrührt, die durch eingeschleppte kleine Pilze (Mikrokokken) bedingt werden. Sie ist wohl immer tödlich. Der chronische Verlauf der gutartigen Endokarditis, bez. deren nach Ausheilung zurückbleibende [249] Veränderungen führen meist zu Beeinträchtigung des Herzklappenschlusses, solche Zustände nennt man Herzfehler (s. d.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 249-250.
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