Herzneurosen

[252] Herzneurosen, Störungen der Herztätigkeit durch Erkrankung der Nervenapparate des Herzens. Sie sind oft eine Teilerscheinung der Neurasthenie und der Hysterie, in andern Fällen treten sie selbständig auf. Oft bestehen sie in Änderungen der Schlagfolge des Herzens; durch Reizung der herzhemmenden Nerven (aus dem Nervus vagus) trittVerlangsamung des Herzschlages (Bradykar die), durch Wegfall der normalen Hemmung oder Erregung des beschleunigenden Nervs (N. acceleraus) Beschleunigung desselben (Tachykar die) ein. Tritt diese Beschleunigung in Anfällen mit freien Zwischenzeiten auf, so spricht man von paroxysmaler Tachykar die. Mit oder ohne Beschleunigung des Herzschlags findet sich sehr häufig Herzklopfen, d. h. subjektive Empfindung der oft abnorm starken, oft aber auch normal verlaufenden Herzbewegung. Hier liegt wohl eine Übererregbarkeit nervöser Vorrichtungen zugrunde, die dazu führt, daß der gewöhnlich nicht zum Bewußtsein gelangende Reiz der Herzkontraktion bewußt wird. Schwer erklärbar ist der nervöse Herzschmerz (nervöse Stenokardie): unter qualvoller Angst tritt anfallsweise heftiger Schmerz in der Herzgegend auf, eine Erscheinung, die der wahren Angina pectoris sehr ähnlich ist (s. Herzmuskelerkrankungen). Verschiedenartige Unregelmäßigkeiten des Herzschlags sind bei H. häufig vorhanden. – Die H. sind lästige, aber nicht gefährliche Erkrankungen. Ihre Ursachen sind außer Neurasthenie und Hysterie namentlich häufige Gemütserregungen, Masturbation, Mißbrauch von Tabak, Kaffee, Tee. Greifbare anatomische Veränderungen sind bei ihnen nicht vorhanden. Oft ist ihre Unterscheidung von organischen Herzerkrankungen sehr schwierig. Die Behandlung richtet sich gegen die genannten Grundlagen, bez. Schädlichkeiten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 252.
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