Italĭa [2]

[69] Italĭa (oskisch Vitellium, hierzu die Karte »Italien bis in die Zeit des Kaisers Augustus« mit Registerblatt) war nach den Nachrichten griechischer Geschichtschreiber ursprünglich nur der Name der südlichsten Spitze der Apenninischen Halbinsel, die von dem kleinen, später verschollenen Stamm der Italer (von vitulus, Stierkalb) bewohnt wurde; in der Folge ward er dann auf das ganze Gebiet der Bruttii (das jetzige Kalabrien) und Lukanien angewendet und allmählich, da es an einem einheimischen Namen fehlte, über die ganze Halbinsel, ohne daß jedoch im Altertum dem Landesnamen ein Volksname entsprochen hätte. Andre, jedoch meist nur bei Dichtern vorkommende Namen der Halbinsel sind: Hesperia (das Westland, so schon bei einem griechischen Dichter um 600 v. Chr.), Saturnia, Ausonia, Opica, Önotria. Seit Augustus unterschied man Ober-, Mittel- und Unteritalien und teilte die ganze Halbinsel im Anschluß an die überlieferten historischen Verhältnisse in elf Regionen, zu denen als zwölfte der Stadtkreis von Rom (Latium) kam. Oberitalien, bis dahin das zisalpinische Gallien genannt, zerfiel in Liguria, das Gebiet der im Apennin und auf dessen südwestlichem Abhang wohnenden Ligurer, in Venetien mit der Halbinsel Istrien und in das zis- und transpadanische Gallien (das erstere offiziell Ämilia genannt) und war von Mittelitalien durch die Flüßchen Macra bei Luna im W. und Rubico im O. getrennt; Mittelitalien enthielt außer dem Stadtkreis von Rom 5 Bezirke, 2 im W. und 3 im O. des Apennin, Etruria bis zum Tiberis, Campania bis zum Silarus, Umbria bis südlich über den Nar und bis zum Äsis, Picenum bis zum Aternus, Samnium bis in die Gegend von Teanum; Unteritalien bestand aus Lucania und Bruttii im W., Apulia und Calabria im O. Seit der neuen Organisation des Reiches durch Diokletian und Konstantin d. Gr. umfaßte die Diözese I. folgende Provinzen: Venetia und Histria, Ämilia, Liguria, Flaminia und Picenum (Picenum annonarium), Alpes Cottiae, die beiden Rätien, Tuscia und Umbria, Picenum suburbicarium, Campania, Apulia und Calabria, Lucania und Bruttii, Samnium, Valeria, Sicilia, Sardinia, Korsika. – Die älteste Bevölkerung bestand nach der freilich sehr unsichern Überlieferung in Oberitalien hauptsächlich aus Etruskern und Umbrern, in Mittel- und Unteritalien aus Etruskern (in Etrurien und einem Teil von Kampanien), Umbrern, Sikulern und Önotrern (in dem größten Teil der übrigen westlichen Landschaften), Japygiern (im südöstlichen Teil der Halbinsel) und aus Sabinern und Oskern im Apennin und auf dessen Abhängen. Oberitalien wurde, mit Ausnahme von Ligurien und einigen Gebieten an den Mündungen des Po, seit etwa 600 v. Chr. von keltischen Völkerschaften in Besitz genommen, später auch das Küstenland der Umbrer; Latium, ursprünglich von den Sikulern bewohnt, fiel einem Volke zu, das aus dem Gebirge in die Ebene herabstieg und den Umbrern, Sabinern und Oskern stammverwandt war, den später so genannten Latinern, vor denen die Sikuler nach Süden auswichen; endlich verbreiteten sich mehrere verwandte, von den Sabinern abstammende und daher sabellische genannte Völkerschaften durch allmähliche Wanderungen von ihren Gebirgswohnsitzen aus über Samnium, Picenum, Kampanien und Lukanien, so daß alle diese Landschaften eine sabellische [69] Bevölkerung erhielten, und auch die südwestlichste Halbinsel erhielt von Lukanien aus eine neue Bevölkerung, die aus sabellischen Lukaniern und der hellenisierten Urbevölkerung entstandenen Bruttii. In Etrurien und Umbrien, soweit letzteres nicht von den Senonen eingenommen wurde, blieben die Etrusker und Umbrier wohnen; in Apulien werden die Daunier und Peucetier, in Kalabrien besonders Messapier als Bewohner genannt, Völker illyrischen Stammes. Hierzu kommt noch eine Anzahl griechischer Kolonien, die an der Küste von Kampanien, Lukanien, derjenigen der Bruttier und am Tarentinischen Meerbusen meistens in der zweiten Hälfte des 8. und im 7. Jahrh. v. Chr. angelegt wurden, zuerst auch einen großen Landbesitz hatten, später aber von den sich ausbreitenden Lukaniern und Bruttiern (mit Ausnahme von Tarent) auf ihre Mauern beschränkt wurden. Vgl. Cluverius (Cluver), Italia antiqua (Leid. 1624), nebst Holste, Adnotationes ad Cluverii Italiam (Rom 1666); W. Abeken, Mittelitalien vor den Zeiten römischer Herrschaft (Stuttg. 1843); Nissen, Italische Landeskunde (Berl. 1883–1902, 2 Bde.); v. Czörnig, Die alten Völker Oberitaliens (Wien 1885); Helbig, Beiträge zur altitalischen Kultur- und Kunstgeschichte. Die Italiker in der Poebene (Leipz. 1879); Sergi, Origine e diffusione della stirpe mediterranea (Rom 1895) und Arii e Italici (Turin 1898); Jung, Grundriß der Geographie von Italien und dem orbis romanus (2. Aufl., Münch. 1897). Hinsichtlich der Zustände Italiens unter der römischen Herrschaft s. Römisches Reich (Geschichte).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 69-70.
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