Kundschaft

[801] Kundschaft, das Verhältnis, vermöge dessen sich jemand gewöhnt hat, die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse regelmäßig an derselben Quelle zu suchen; sodann die Gesamtheit der Kunden, d. h. derjenigen Personen, welche die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse an derselben Quelle suchen. Der Begriff der K. ist nicht allein auf Sachen, sondern auch auf persönliche Leistungen zu beziehen; nicht allein Produzenten, Kaufleute und Krämer, sondern auch Ärzte und Advokaten haben ihre K. (Praxis). Die K., die jemand hat, bildet ökonomisch einen Teil seines Vermögens und ist als solcher auf andre übertragbar; allein die K. ist der flüchtigste Bestandteil des Vermögens; sie fängt zu zerrinnen an, sobald sie nicht mit denselben Mitteln erhalten wird, mit denen sie erworben worden. Ein erzwingbares Recht auf die K. hat niemand; jedermann ist berechtigt, sich um die K. seines Konkurrenten zu bemühen und sie ihm abwendig zu machen zu suchen. Darin besteht das Wesen der Konkurrenz. Sofern sittliche Mittel angewendet werden, ist gegen das Bestreben, die K. des Konkurrenten an sich zu ziehen, an und für sich nichts einzuwenden; allein die Grenzlinie zwischen dem sittlich Erlaubten und dem Unsittlichen, zwischen dem rechtlich Zulässigen und dem Rechtswidrigen ist im einzelnen Falle schwer zu ziehen.[801] Der Schutz der Firma gegen unerlaubte Führung derselben, der Schutz der Warenbezeichnungen, der Musterschutz und die Erfindungspatente sind Mittel, mit denen der Staat einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf K. zurückweist. Auch der Schutz des Urheberrechts gehört hierher. Die französische Rechtsanschauung geht in dieser Hinsicht sehr viel weiter als die deutsche; sie straft als Concurrence déloyale zuweilen Handlungen, die bei uns rechtlich zulässig sind. Deutschland hat durch das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlautern Wettbewerbs vom 27. Mai 1896 alle Handlungen unter Strafe gestellt, die im Widerspruch mit den Anschauungen der Mehrheit der Zeit- und Landesgenossen und unter Verletzung der Anforderungen der Moral, des Anstandes und der geschäftlichen Ehrenhaftigkeit das durch Redlichkeit und Tüchtigkeit erworbene Vertrauen der K. eines andern angreift, sei es, um sie für sich zu gewinnen, sei es auch nur, um sie ihm abwendig zu machen. Ebenso stellt dieses Gesetz unter Strafe, wenn ein entlassener Angestellter die ihm unter Auferlegung der Schweigepflicht übergebene Kundenliste einem Konkurrenten seines Prinzipals verrät. Nicht strafbar ist es dagegen, wenn er die durch seine eigne Tüchtigkeit seinem frühern Prinzipal zugeführte K. auch bei seinem neuen Prinzipal besucht. Vgl. Unlauterer Wettbewerb und E. Müller, Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlautern Wettbewerbs (4. Aufl., Fürth 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 801-802.
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