[225] Latifundĭum (lat.), ein Grundbesitz von ungewöhnlich großem Umfang. Der Ausdruck wird auf Plinius zurückgeführt, der in seiner »Historia naturalis« den Satz aufstellte: Latifundia perdidere Italiam (»die Latifundien haben Italien zugrunde gerichtet«). Man spricht wohl von Latifundienbesitz und Latifundienwirtschaft. Unter dem erstern versteht man sehr große Güter, die sich im Eigentum einer Person befinden, unter der letztern die Bewirtschaftung von Latifundien von einem einzigen Mittelpunkt aus, wobei möglicherweise auch fremde Grundstücke durch Pachtung dem L. wirtschaftlich angeschlossen sind. In beiden Fällen liegt[225] das Charakteristische in einer die gewöhnlichen Verhältnisse weit übersteigenden Größe des Besitzes oder der Wirtschaft und in der Verdrängung des kleinen und mittlern Grundbesitzes. Latifundien spielen namentlich in der spätern römischen Geschichte eine große Rolle, wo sie durch die patrizischen Okkupationen des Ager publicus entstanden waren. Latifundienbildung vollzog sich im Mittelalter und zu Ausgang desselben, wo die Latifundien in den Händen der Kirche, der Fürsten und des Adels sich befanden, in Deutschland, Spanien und Italien, in den letzten Jahrhunderten in England. Während Latifundienwirtschaften in der Gegenwart fast nur noch in Südamerika, Südafrika, Australien in der Form der Weidewirtschaften, im Westen Nordamerikas in der Form weizenbauender Riesenfarmen vorkommen, ist Latifundienbesitz auch in Europa nicht selten; in Spanien, Italien, Österreich-Ungarn, namentlich aber in Rußland und England kommt er auch heute in großer Ausdehnung vor. In Deutschland findet er sich namentlich im Norden und Nordosten. (Vgl. Grundeigentum, S. 451.) Latifundienbesitz wird teils in eigner Administration bewirtschaftet, noch mehr aber in der Form von Verpachtungen. In dichtbevölkerten Ländern mit alter Kultur wirken Latifundien, wenn sie in größerer Zahl vorhanden sind, nachteilig sowohl in wirtschaftlicher wie in sozialpolitischer Beziehung; weder durch die Eigenverwaltung übergroßer Güter, noch durch deren Verpachtung kann in der Regel eine entsprechende Rente erzielt werden; Latifundienbesitz entzieht einem großen Teil der Bevölkerung die Möglichkeit, am Grundbesitz teilzunehmen, letzteres ist aber gerade in einer Zeit staatsfeindlicher Ideen von besonderer Bedeutung, und deshalb hat man die Aufhebung der Familienfideikommisse (s. Fideikommiß) vorgeschlagen und durch Maßregeln der »innern Kolonisation« (s. d.) eine gleichmäßigere Eigentumsverteilung herbeizuführen gesucht. Vgl. Sering, Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas (Leipz. 1887); Conrad, Agrarstatistische Untersuchungen (in den »Jahrbüchern für Nationalökonomie«, 1888); Artikel L. im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 5 (2. Aufl., Jena 1900).