[15] Okkupation (lat.), die Besitzergreifung, Aneignung einer Sache, namentlich einer herrenlosen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, § 958, erwirbt man an einer herrenlosen beweglichen Sache Eigentum, wenn man sie in Eigenbesitz (s. Besitz) nimmt. Vgl. hierüber Herrenlose Sachen, Herrenlose Tiere, Bienenrecht. Im Völkerrecht versteht man unter O. die Begründung der Gebietshoheit auf bisher staatslosem, d.h. von unzivilisierten Völkerstämmen bewohntem Gebiet. Zur Gültigkeit der O. ist notwendig, daß sie effektiv ist, d.h. daß der okkupierende Staat die tatsächliche Herrschaft über das okkupierte Land ausübt, und daß er den übrigen Mächten Mitteilung hiervon macht (Notifikation). Symbolische Zeichen allein, wie Flaggen heißen, genügen nicht, ebensowenig die bloße Entdeckung, bez. Auffindung eines Landes, einer Insel (sogen. apprehensio ocullis, Besitzergreifung mit den Augen). Endlich ist mit der Besitzergreifung des Küstenstriches nicht das ganze Hinterland, mit der einer Strommündung nicht das gesamte Stromgebiet okkupiert. Die O. im Kriege (occupatio bellica) ist die militärische Vesetzung eines Landes infolge eines Krieges. Die Rechte, die dem Kriegführenden in dem von ihm besetzten Gebiet zustehen, waren bis in die Neuzeit viel umstritten, fanden aber nach langwierigen Verhandlungen auf der Haager Friedenskonferenz eine eingehende Regelung. Als okkupiert gilt nach der Konvention ein Gebiet, wenn es effektiv unter die Autorität des feindlichen Heeres gelangt. Die O. reicht nicht weiter, als die Autorität effektiv eingerichtet ist und sich tatsächlich betätigt, also wirklich ausgeübt wird. Der Okkupant ist verpflichtet, alle von ihm abhängenden Maßregeln zu treffen, die zur Herstellung und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nötig sind. Er muß dies tun, weil die Obrigkeit ja tatsächlich an ihn übergegangen ist. Bei seinen Maßnahmen hat der Okkupant, soweit nicht absolute Hindernisse entgegenstehen, die Landesgesetze zu beobachten. Die Bevölkerung des besetzten Landes darf nicht zur Teilnahme an militärischen Arbeiten gegen ihr Vaterland genötigt werden. Einzelne Personen können jedoch zu Dienstleistungen im militärischen Interesse (Wege zeigen, Wagen führen etc.) gezwungen werden. Leistung eines Eides an die feindliche Gewalt von der Bevölkerung zu verlangen, ist verboten. Ehre und Recht der Familien, Leben der Privatpersonen, Privateigentum, religiöse Überzeugung und Gottesdienst des Landes müssen geachtet werden; ebenso völkerrechtliche Bestimmungen, die dem deutschen Militärstrafgesetzbuch, § 132, entsprechen, wonach boshafte oder mutwillige Verwüstung oder Verheerung fremder Sachen im Felde verboten ist. Jede Konfiskation von Privateigentum ist völkerrechtlich verboten, ebenso Beutemachen. Strafrechtlich wendet sich gegen Plünderung, Beutemachen und Marodieren das deutsche Militärstrafgesetzbuch, § 129 ff., 128,135. Abgaben (Steuern, Zölle etc.), die dem Staate geschuldet werden, kann der Okkupant einheben, hat aber dabei soviel als angängig die vorhandenen Vorschriften zu beachten. Hebt der Okkupant diese Abgaben ein, so muß er auch die Kosten der Verwaltung des besetzten Gebietes in gleichem Umfang tragen, wie die entsetzte Gewalt hierzu verbunden war. Wegnehmen darf die Okkupationsarmee lediglich Bargeld, Fonds u. Forderungen des Staates; dann Waffenniederlagen, Transportmittel, Magazine und Niederlagen von Vorräten und überhaupt alle im Eigentum des Staates befindlichen beweglichen Sachen, die geeignet sind, zu Kriegszwecken verwendet zu werden. Hinsichtlich der öffentlichen Gebäude, Immobilien, Wälder, landwirtschaftlichen Betriebe im okkupierten Gebiete, die dem feindlichen Staate gehören, darf sich der Okkupant nur als Verwalter und Nießbraucher betrachten; er muß also deren Substanz erhalten und sie nur nach den Regeln des Nießbrauches verwenden. Eisenbahnmaterial, Landtelegraphen, Telephone, Schiffsfahrzeuge, soweit hier nicht Seerecht eingreift, ferner Waffenniederlagen und Niederlagen von jeglicher Art Kriegsmunition dürfen, auch wenn sie im Eigentum von Gesellschaften und Privaten stehen, als Kriegsmittel mit Beschlag belegt werden, aber nur gegen spätere Rückerstattung und Entschädigung nach Friedensschluß. Eisenbahnmaterial, das aus neutralen Staaten kommt und im Eigentum von solchen oder Gesellschaften oder Privatpersonen steht, muß diesen sobald wie möglich zurückerstattet werden. Mit dem »sobald wie möglich« ist ausgedrückt, daß sie, wenn nötig, für militärische Zwecke gebraucht werden dürfen. Güter der Gemeinden, dann alle dem Gottesdienst, der Wohltätigkeit, dem Unterricht, der Kunst, der Wissenschaft gewidmeten Einrichtungen, auch wenn sie im Eigentum des Staates stehen, sind wie Privateigentum zu behandeln. Jede absichtliche Wegnahme, Zerstörung oder Beeinträchtigung derartiger Anstalten, ebenso die von historischen Monumenten oder Werken in Kunst und Wissenschaft ist verboten und muß verboten werden. Über O. im Seekriegs. Prise. O. im Frieden kommt vor, um gewisse Rechtsansprüche geltend zu[15] machen oder um eine Sicherheit für die Erfüllung übernommener Verpflichtungen zu haben. So erfolgte O. einzelner Provinzen als Bürgschaft für die Erfüllung von Friedensbedingungen im Jahre 1815 und 1871 in Frankreich, oder zur Niederhaltung von Aufruhr, wie 1849 die O. von Rom durch die Franzosen. Okkupationsländer oder Okkupationsgebiet werden in Österreich die türkischen Provinzen Bosnien, Herzegowina und das Limgebiet genannt, die durch den Berliner Vertrag vom 13. Juli 1878 der österreichisch-ungarischen Regierung zur Verwaltung und militärischen Besetzung überlassen worden sind. Vgl. Heimburger, Der Erwerb der Gebietshoheit (Karlsr. 1888); Salomon, L'occupation des territoires sans maître (Par. 1889); Jèze, Étude sur l'occupation, comme mode d'acquérir les territoiresen droit international (das. 1896).