Leinöl

[375] Leinöl (lat. Oleum Lini), das fette Öl aus den Samen der Flachspflanze (Linum usitatissimum). Beim kalten Pressen gewinnt man aus den zerkleinerten Samen etwa 20 Proz. eines hellgelben Öls von schwachem Geruch und Geschmack, das aber leicht ranzig wird. Die erwärmten Samen liefern bis 28 Proz. dunkleres Öl von bernstein- bis bräunlichgelber Farbe und etwas stärkerm Geruch und Geschmack. Das durch Lagern geklärte L. ist ziemlich dickflüssig, riecht und schmeckt eigentümlich unangenehm, besonders wenn es durch warme Pressung erhalten wurde, löst sich in 32 Teilen kaltem und in 6 Teilen kochendem Alkohol, leicht in Äther, spez. Gew. 0,93–0,94, erstarrt bei -34°, wird durch Einwirkung des Lichtes gebleicht und trocknet an der Luft zu einer durchsichtigen, harzartigen Masse, besonders wenn es gekocht worden ist. Es besteht im wesentlichen aus dem Glyzerid der Leinölsäure mit wenig Stearin und Palmitin, liefert eine weiche Seife, nimmt beim Kochen mit Schwefel ein Viertel davon auf und bildet den zähen braunen Schwefelbalsam (s. d.). L. dient zur Darstellung von Firnis, Buchdruckerschwärze, Linoleum, Wachsleinwand, Kitt, Schmierseife, äußerlich als Liniment (als Leinölliniment, Brandsalbe, mit gleichen Teilen Kalkwasser geschüttelt) gegen Brandwunden etc. Als Speiseöl wird frisches, kalt gepreßtes L. in Rußland, Polen, Ungarn etc. benutzt, und bisweilen brennt man es in Grubenlaternen, da es langsamer verzehrt wird als Rüböl, zwar rußt, aber nicht leicht durch Luftzug verlöscht werden kann. Durch Kochen des Leinöls mit oxydierenden Substanzen erhält man Leinölfirnis (s. Firnis) und endlich eine dunkle, zähe Masse, die, mit verdünnter Salpetersäure weiter gekocht, plastisch wird, an der Luft erhärtet, in heißem Wasser aber wieder erweicht werden kann (Ölkautschuk, künstliches Kautschuk). Um das L. zu reinigen und zu bleichen, setzt man es in Glasflaschen mit etwas Wasser und granuliertem Blei oder mit Eisenvitriollösung den Sonnenstrahlen aus. Um frisches L. altem abgelagerten und dadurch schleimfrei gewordenen ähnlich zu machen, behandelt man es mit Luft bei einer Temperatur von 110–120° und bemißt die Zeit der Einwirkung nach der erfolgten Entfärbung. Man kann sein verteilte kalte Luft in heißes Öl oder heiße Luft in kaltes Öl leiten. In Deutschland wird viel L. gewonnen, doch betrug die Einfuhr (besonders aus Rußland) 1903: 66,416 dz, die Ausfuhr 996 dz. Auch Holland, Belgien, Nordfrankreich, Irland und Ägypten liefern viel L., und Schlagsaat wird in großen Massen aus Ostindien und Ägypten nach Europa gebracht und hier auf Öl verarbeitet. Die Rückstände vom Pressen des Leinöls bilden die Leinölkuchen (s. Ölkuchen), die als wertvolles Viehfutter und gepulvert als Leinmehl zu Breiumschlägen und Kitten benutzt werden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 375.
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