Firnis

[598] Firnis, eine Flüssigkeit, die in dünner Schicht an der Luft schnell trocknet und eine glänzende, meist durchsichtige, harte Decke auf den damit überzogenen Gegenständen bildet. Man unterscheidet fette Firnisse, aus trocknenden Olen bereitet, fette Lacke (Lackölfirnisse), Lösungen von Harzen in diesen Ölen, Terpentinöl- und alkoholische Firnisse, Lösungen von Harzen in Terpentin öl oder Alkohol. Auch Äther, Kampferöl, Holzgeist, Aceton werden als Lösungsmittel angewendet. Die fetten Firnisse sind weitaus am dauerhaftesten, widerstehen der Wärme und Feuchtigkeit am besten, trocknen aber am langsamsten. Sie bestehen aus trocknenden Olen (besonders Lein- und Mohnöl), deren Fähigkeit, an der Luft unter Aufnahme von Sauerstoff zu trocknen, durch Behandeln mit Bleiglätte, Braunstein, borsaurem Manganoxydul oder Bleizucker erhöht worden ist. Zur Darstellung von Leinölfirnis (Ölfirnis) kocht man helles, kalt gepreßtes Leinöl unter Umrühren etwa 2 Stunden, fügt dann 3 Proz. Bleiglätte hinzu und kocht noch 3 Stunden. Hellern (aber weniger guten) F. erhält man durch längeres Mazerieren von Leinöl mit Bleiessig. Zur Darstellung von bleifreiem Leinölfirnis digeriert man Leinöl mit 0,66 Proz. borsaurem Manganoxydul 2–3 Tage bei 100°. Ebenso wird Leinöl in sehr hellen F. verwandelt, wenn man es im geschlossenen Kessel mit überhitztem Dampf von 400–500° erhitzt. Man läßt den F. mehrere Monate lagern, bleicht ihn auch in einem mit einer Glasplatte bedeckten Bleikasten in 10 cm hoher Schicht durch Sonnenlicht. Man hat ferner durch das Öl sein verteilte erhitzte Luft geleitet oder es mit Sauerstoff oder Ozon behandelt. Einen sehr dunkeln Lack zum Lackieren von Leder (Blaulack) erhält man durch Kochen von Leinöl mit Berlinerblau, bis es die erforderliche Konsistenz besitzt. Das Berlinerblau wird hierbei nicht verändert und kann nach dem Absetzen und Auswaschen mit Terpentinöl von neuem benutzt werden.- Öllackfirnisse sind Lösungen von Harzen (Kopal, Bernstein, Dammarharz, Asphalt)[598] in Leinölfirnis. Zur Darstellung des Kopalfirnisses (Kopallack) wird der Kopal geschmolzen, am besten mit überhitztem Dampf, wobei als Destillat Kopalöl erhalten wird, das wieder zum Lösen von Kopal dient, und dann mit dem erhitzten F. gemischt. Der fertige Lack wird durch Baumwolle filtriert. Setzt man seines Kopalpulver an einem trocknen Ort in dünner Schicht 6 Wochen der Luft aus, erhitzt es dann mit Terpentinöl und setzt siedend heißen Leinölfirnis zu, so erhält man einen hellen F., der für alle feinern Gegenstände, auch in der Malerei, verwendbar ist. Bernsteinfirnis (Bernsteinlack) wird ähnlich wie Kopalfirnis, der dunkle aus Bernsteinkolophonium dargestellt; einen sehr schnell trocknenden F. erhält man durch Lösen von rohem oder geschmolzenem Bernstein in Chloroform. Der billige Harzfirnis (Harzlack) ist eine Lösung von Fichtenharz oder Kolophonium in heißem Leinölfirnis und dient zu gröbern Arbeiten, z. B. zum Tränken von Mauerwerk, welches mit Ölfarbe gestrichen werden soll. Gleiche Teile weißes Harz und Leinöl geben den zu Anstrichen auf Holz benutzten Leinölharzlack (Harzbeize). Die Harzölfirnisse sind unter Anwendung von Trockenmitteln hergestellte Lösungen von Kopal, Bernstein, Kolophonium oder andern Harzen in schwer flüchtigen Harzölen.

Zur Klasse der Terpentinölfirnisse gehört der Dammarfirnis, zu dessen Darstellung man Dammarharz in kochendem Terpentinöl löst. Bisweilen wird der F. mit 2–3 Proz. Leinöl versetzt, um ihn weniger spröde zu machen, während man anderseits auch Alkohol zusetzt oder, um den F. härter und widerstandsfähiger zu machen, geschmolzenen Kopal darin löst. Ein aus Mastix, Sandarach und Kolophonium bereiteter Terpentinölfirnis, der mit Aloe, Kurkuma, Drachenblut, Gutti, Orlean, Pikrinsäure, Sandelholz etc. gefärbt wird, bildet den Goldfirnis (Goldlack, Goldlackirnis), der auf Metall einen glänzenden, goldgelben Überzug gibt. Solcher Goldfirnis erhält sehr allgemein einen Zusatz von Leinölfirnis, Bernstein und Kopallack und gewinnt dadurch bedeutend an Haltbarkeit. Der Isochromfirnis zum Überziehen von Gemälden und kolorierten Kupferstichen ist eine Lösung von Mastix und venezianischem Terpentin in Terpentinöl. Die Terpentinölfirnisse hinterlassen das Harz in weniger sprödem Zustand als die Weingeistfirnisse, sie werden indes meist nur in Mischung mit fetten Firnissen (als Lackfirnis, Öllack, fetter Lack) benutzt. Häufig wird in den Firnissen das Terpentinöl durch leichtes Steinkohlenteeröl vom spez. Gew. 0,85 Petroleum, Harzöl etc. ersetzt. Einen F. zum Anstreichen von Eisen erhält man durch Lösen von Steinkohlenteerpech in erwärmtem, schwererem oder leichterm Steinkohlenteeröl, je nachdem der Anstrich dicker oder dünner ausfallen soll. Zur Darstellung von wasserhellem Kautschukfirnis läßt man Kautschuk in Schwefelkohlenstoff aufquellen, löst die Gallerte in leichtem Steinkohlenteeröl, destilliert den Schwefelkohlenstoff im Wasserbad ab und verdünnt den Rückstand mit Steinkohlenteeröl. Dieser F. trocknet sehr schnell, gibt keinen Glanz und eignet sich besonders zum Überziehen von Zeichnungen, Landkarten etc. Zu demselben Zwecke kann man auch Kollodium mit 1/22 seines Volumens Rizinusöl benutzen.

Weingeistfirnisse werden hauptsächlich für Holz-, Papier- und Buchbinderarbeiten, auch für Vergolder- und Metallarbeiten benutzt und durch Lösen der gepulverten und mit Glaspuler vermischten Harze in 90proz. Alkohol dargestellt. Einen vielfach verwendbaren Universalfirnis erhält man z. B. aus 4 Teilen Sandarach, 2 Teilen Mastix, 2 Teilen Kolophonium, 1 Teil Kampfer und 24 Teilen Alkohol von 90 Proz. Tr. Dieser F. wird härter, wenn man die Hälfte des Sandarachs durch gebleichten Schellack ersetzt und die Menge des Kampfers verdoppelt. Alkoholischer Kopalfirnis wird durch Lösen von geschmolzenem, gepulvertem und mit Sand gemengtem Kopal in siedendem, sehr starkem Alkohol dargestellt. Auf Metall haften die alkoholischen Firnisse sehr gut, wenn man ihnen 0,5 Proz. Borsäure zusetzt. Wenn die Firnisse völlig klar sind, können sie mit Anilinfarben brillant gefärbt werden. Weingeistfirnisse sind am wenigsten dauerhaft; sie trocknen sehr rasch und geben einen stark glänzenden Überzug, werden aber auch leicht rissig und lösen sich in Form eines weißen Pulvers ab, wenn man ihnen nicht durch Mastix, Elemi, Terpentin hinreichende Zähigkeit gibt. Die Lösung der Harze befördert man durch Beimischung von grobem Glaspulver, welches die Bildung kompakter Massen verhindert. Zur Klärung werden die Firnisse nach vollständigem Absetzen durch einen in den Hals gesteckten Baumwollbausch filtriert, auch kann man sie durch Digerieren mit frisch ausgeglühter Knochenkohle mehr oder weniger entfärben. Einen in Wasser löslichen F. erhält man aus 1 Teil Borax und 5 Teilen Schellack. Über Acetonlacke s. Zapon. Vgl. Creuzburg, Lehrbuch der Lackierkunst etc. (11. Aufl., Weim. 1903); Winckler, Lack- und Firnisfabrikation (3. Aufl., Leipz. 1876); Andés, Die trocknenden Öle etc. (Braunschweig 1882); Derselbe, Praktisches Rezeptbuch für die gesamte Lack- und Farbenindustrie (Wien 1904); Andres, Die Fabrikation der Lacke, Firnisse (5. Aufl., da s. 1901); Lohmann, Fabrikation der Lacke und Firnisse (Berl. 1890). – Im übertragenen Sinn ist F. soviel wie äußerer Schein oder Anstrich, der einen Gegenstand bedeutender oder glänzender, als er in der Tat ist, erscheinen läßt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 598-599.
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