Leitbündel

[390] Leitbündel (hierzu Tafel »Leitbündel und Leitungsgewebe«), die aus stoffleitenden Elementen zusammengesetzten strangartigen Gewebepartien, die das Innere aller krautartigen Teile der höhern Pflanzen zusammenhängend durchziehen. Sie treten in der Regel in Verbindung mit faserartigen Elementen des mechanischen Systems (s. Hartgewebe) wie Bast- und Holzfasern auf, so daß sie sich vielfach beim Zerreißen oder Zerquetschen von Pflanzenteilen als festere, der Zertrümmerung widerstehende Stränge (Gefäßbündel, Fibrovasalstränge, fasciculi vasorum) darstellen; in den Laubblättern sind sie als Blattnerven meistens direkt wahrnehmbar. Die L. finden sich in erster Andeutung bereit bei gewissen Moosen, deren Stengel sie in der Achse in Form eines Stranges langgestreckter dünnwandiger Zellen durchziehen. Die typischen L. der höhern Pflanzen (Gefäßkryptogamen und Blütenpflanzen) sind durch das Auftreten bestimmt ausgebildeter Gefäße oder Tracheiden und Siebröhren (s. Leitungsgewebe) charakterisiert. Der Verlauf der L. ist in den einzelnen Pflanzenteilen und bei den verschiedenen Pflanzenarten sehr wesentlich verschieden. Unter den Achsenorganen zeigen die Wurzeln die einfachsten Verhältnisse. In der Regel besitzen sie nur einen einzigen zentralen Bündelstrang (Zentralzylinder), nur in Ausnahmefällen, wie z. B. in den Stützwurzeln von Pandanus, sind mehrere Gefäßstränge vorhanden. Ein einfacher axiler Bündelstrang findet sich in Sproßachsen nur bei einigen Farnen und bei gewissen untergetauchten Wasserpflanzen mit reduzierten Leitbündeln. Im allgemeinen verlaufen in den Sproßachsen nebeneinander zahlreiche Bündel, die sich verästelnd und miteinander anastomosierend ein oft sehr kompliziertes Netzwerk bilden (Fig. 2). Die aus dem Stamm in ein Blatt ausbiegenden Bündel werden als gemeinsame Stränge, ihr im Stamm verlaufender Teil als Blattspurstrang (Blattspur), Bündel, die ihrer ganzen Länge nach im Stamm verlaufen ohne auszutreten, als stammeigne Bündel bezeichnet. Bei vielen Farnen und in den jungen, noch krautigen Achsen der Gymnospermen und Dikotyledonen bildet das Bündelnetz ein maschenartig durchbrochenes Rohr, das nach innen das Mark umschließt und außen von dem Rindengewebe umkleidet wird. Auf dem Querschnitt der Achse stehen dann die Querschnitte der einzelnen Bündel in einem Kreise (Bündelring, Fig. 1). Bei einigen Farnen und bei gewissen dikotylen Lianen treten mehrere konzentrische Bündelringe oder Ringabschnitte auf. In vielen Monokotyledonenstengeln, zumal in den Stämmen der Palmen, sind die L. auf dem Querschnitt scheinbar regellos (Fig. 3) im innern Parenchym zerstreut, doch wird ihr regelmäßiger Verlauf auf einem Längsschnitt des Stengels (Fig. 4) erkennbar. Jedes Bündel verläuft nämlich von der Blattbasis aus zunächst in einem schiefen, nach der Stammachse konvex gerichteten Bogen nach innen, biegt dann nach außen um und nähert sich allmählich, indem es durch zahlreiche Stengelglieder hinabsteigt, wieder der Stammoberfläche, um sich zuletzt mit tiefer austretenden Bündeln zu vereinigen; bei andern Monokotylen verlaufen die L. nach der Stammmitte und legen sich an tiefere Stränge an, ohne sich nach außen zu biegen. Manche wasser- und sumpfbewohnende Pflanzen, sowohl Mono- als Dikotylen, zeichnen sich durch einen einzigen axilen Gefäßbündelstrang aus. Auch zahlreiche andre Abweichungen vom normalen Bündeltypus, z. B. markständige Bündel (bei Kukurbitazeen, Piperazeen, Papaver, Thalictrum, Begoniazeen, Melastomazeen, einigen Umbelliferen), rindenständige Bündel (Kalykautheen, Kakteen, Centaurea u.a.), parallel verlaufende Bündel bei Monokotylen (Gräser) u.a., kommen vor. Aus den Stengeln treten die L. in die Blätter ein, verbreiten sich meist durch die ganze Fläche derselben und bilden die Blattnerven; letztere werden durch sehr dünne, netzartig verzweigte Queräste (Anastomosen) verbunden.

Hinsichtlich des histologischen Baues unterscheidet man innerhalb der L. zwei Gewebeteile (Fig. 5 A u. B): den Siebteil (Phloëm), aus zartwandigen, prismatischen Parenchymzellen (Kambiform, Bastparenchym, p) und Siebröhren nebst Geleitzellen bestehend, denen sich nach außen Bündel stark verdickter Faserzellen (Bastfasern, b) anschließen, und den Gefäßteil (Xylem), der aus Gefäßen (g, t, l, s, s´), Tracheiden (h), parenchymatischen Holzzellen (Holzparenchym h´) und verdickten Faserzellen mit spaltenförmigen Tüpfeln (Libriform, Holzfasern) sich aufbaut. Bastfasern und Holzfasern, die nicht an der Stoffleitung beteiligt sind, sondern nur mechanisch wirksam der Festigung des Stranggewebes[390] dienen, werden dem Skelettgewebe zugerechnet. Ihnen gegenüber werden die Leitungsgewebe des Siebteils als Leptom, des Gefäßteils als Hadrom bezeichnet. Die häufig die L. nach außen umgrenzende, von dem Rindenparenchym verschiedene Gewebeschicht führt im allgemeinen den Namen Strangscheide oder Parenchymscheide (g s); sie kann als Stärkescheide oder als Schutzscheide (s. Leitungsgewebe) entwickelt sein. In neuerer Zeit ist dieselbe in einigen Fällen als Sitz des Wahrnehmungsvermögens der Pflanzenteile für den Schwerkraftreiz angesprochen worden.

Je nach der gegenseitigen Anordnung von Sieb- und Gefäßteil unterscheidet man verschiedene Formen der u. Bei den kollateralen L. liegt der Gefäßteil einseitig nach innen, der Siebteil nach außen (Fig. 5, B). Die konzentrischen Bündel (Fig. 6), wie sie für die meisten Farne charakteristisch sind, haben einen zentral liegenden Gefäßteil (bei s p), der ringsum vom Siebteil (bei s) umschlossen wird; auch kann hier die umgekehrte Lagerung zwischen Sieb- und Gefäßteil stattfinden; auch die Bündel der Farne werden von einer Strangscheide (Fig. 6 bei u) oder Endodermis umgeben. Endlich bei den radialen Gefäßbündeln, die einigen Farnen und sämtlichen Wurzeln (Fig. 7) eigentümlich sind, bildet der Gefäßteil (Fig. 7 bei g) mehrere radiäre, von der Mitte ausstrahlende Streifen, mit denen nach außen ebenso viele Siebteile (Fig. 7 bei s) abwechseln. Die das L. der Wurzeln zumeist umgebende Schicht (das sogen. Perikambium [Fig. 7 bei p]) erzeugt die Anlagen der Seitenwurzeln und wird ihrerseits wieder von einer Strangscheide (Fig 7 bei u) umgeben. Während nun bei den Farnen und Monokotylen sowie auch in den Blättern und manchen Stengeln der Dikotylen die Bündel nach völliger Ausbildung ihrer hervorgehenden Elemente keine weitere Zunahme erfahren und deshalb geschlossene Bündel genannt werden, tritt bei den dikotylen Stämmen mit Gefäßbündelkreis und fortgesetztem Dickenzuwachs im innern Siebteil des Bündels eine Schicht embryonaler Zellen, das Kambium (s. Bildungsgewebe), auf, durch dessen Teilungen das sogen. sekundäre Gewebe, und zwar nach außen sekundäre Rinde, nach innen sekundäres Holz, erzeugt wird. Das quer durch den ganzen Gefäßbündelkreis hindurchgehende Kambium stellt schließlich einen zusammenhängenden Ring, den Kambium- oder Verdickungsring (Fig. 5, B bei c und cb), her, durch dessen zellenbildende Tätigkeit fortgesetzt neue Holz- und Rindenschichten erzeugt werden. Die zwischen den Gefäßbündeln liegenden Kambiumstreifen werden als Interfaszikularkambium (Fig. 5, B bei c b) unterschieden. Durch einen ähnlichen Kambiumring wachsen auch die Wurzeln vieler Dikotylen fortgesetzt in die Dicke. Mit einem dauernd tätigen Kambiumstreifen versehene Bündel werden offene genannt. Sie fehlen allen Blattgefäßbündeln und den Bündeln der meisten Monokotylen und Farne.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 390-391.
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