Luftfeuchtigkeit

[809] Luftfeuchtigkeit, die in der atmosphärischen Luft vorhandene Menge von Wasserdampf. Dieser Wasserdampf rührt größtenteils von der Verdunstung an der Oberfläche der Meere, Seen und Flüsse oder des feuchten Landes her, zum kleinern Teil von verdunstendem Eis und Schnee. Luft kann Wasserdampf nur bis zu einer von der jeweiligen Temperatur abhängigen Menge (Sättigungszustand, maximale Spannkraft des Wasserdampfes) aufnehmen. Ist die Luft bei einer bestimmten Temperatur gesättigt, so ergibt Abkühlung Kondensation (Niederschlag, vgl. Taupunkt), Erwärmung aber zunehmende Trockenheit. Feuchte Luft ist leichter als trockne; es wiegt 1 cbm Luft

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Wasserdampf aufnehmen kann im Maximum (unter 760 mm Druck):

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Die L. wird durch Hygrometer (s. d.) entweder als absolute bestimmt, indem man die Spannkraft des Wasserdampfes in Millimetern Quecksilberdruck oder statt dessen das Gewicht des in 1 cbm Luft enthaltenen Wasserdampfes in Grammen angibt, oder als relative, indem man das Verhältnis zwischen dem in der Luft vorhandenen und dem bei der augenblicklichen Temperatur möglichen Wasserdampfgehalt in Prozenten des letztern ausdrückt. In neuerer Zeit hat man außerdem noch als Maß für die L. das Sättigungsdefizit eingeführt; es gibt diejenige Dampfmenge an, die bei der vorhandenen Temperatur die Luft noch aufzunehmen imstande ist, man drückt sie ebenso wie die absolute Feuchtigkeit in Millimetern Quecksilberdruck aus. Das Sättigungsdefizit gibt daher die Differenz der möglichen und der wirklich vorhandenen Dampfmenge an. Außerdem unterscheidet man nach v. Bezold noch die spezifische Feuchtigkeit, d.h. die Dampfmenge in 1 kg feuchter Luft. Trotzdem die L. durch jede der genannten Größen bestimmt wird, so haben diese doch sowohl meteorologisch als auch klimatologisch eine verschiedene Bedeutung, die sich zunächst durch die Unterschiede ihres Ganges in der täglichen und jährlichen Periode kenntlich macht.

Die absolute L. zeigt tagsüber nur geringe Schwankungen, die zwar im Sommer etwas größer als im Winter, aber auch dann noch nahezu regellos über die Erde verteilt sind. Im allgemeinen besitzen maritim gelegene Orte ein Maximum gegen 2 Uhr nachmittags und ein Minimum nachts, festländische Orte ein Minimum gegen 2 Uhr nachmittags und ein Maximum nachts oder ganz früh und spät abends. Letzteres gilt besonders für Zentraleuropa, wo mittags infolge der Erwärmung aufsteigende feuchte Luft durch herabsinkende trockne ersetzt wird und jenes Minimum hervorruft. In der jährlichen Periode schließt sich der Gang der absoluten L. dem Gange der Temperatur ziemlich genau an. In Norddeutschland hat die absolute L. im Januar ihren kleinsten, im Juli ihren größten Wert und beträgt im Mittel im Winter 4,0, im Frühling 6,0, im Sommer 10,5, im Herbst 7,3 und im Jahr 7,0 mm. Sie nimmt von W. nach O. und landeinwärts ab, wobei das Jahresmittel zwischen 6 und 8 mm schwankt. Mit der Höhe nimmt der Dampfdruck sehr rasch ab; von dem an der Erdoberfläche vorhandenen (= 1 gesetzt) findet man

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Abweichend hiervon zeigt die relative Feuchtigkeit in der täglichen Periode eine bedeutende Schwankung, und zwar ist sie in der wärmern Tageszeit kleiner als in der kältern. Auch in der jährlichen Periode ist der Gang der relativen Feuchtigkeit weniger gleichmäßig als der der absoluten. Ihr mittlerer Wert ist im Sommer am kleinsten, im Winter am größten, das Maximum fällt auf den Dezember oder Januar, das Minimum meistens auf den Mai. Im Mittel beträgt in Norddeutschland die relative L. im Winter 87, Frühling 74, Sommer 73, Herbst 83 und Jahr[809] 79 Proz. Das Jahresmittel hat an den Küsten und in deren Nachbarschaft den größten Wert und nimmt in Norddeutschland von W. nach O. ab. Die jährliche Schwankung nimmt an der Küste von O. nach hl. und im Binnenland umgekehrt von W. nach O. zu. In der Höhe ist das Jahresmittel größer und die jährliche Schwankung kleiner als in der Ebene; für die Höhen ergaben Ballonbeobachtungen:

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Das Sättigungsdefizit ist am Abend größer als am Morgen und scheint sich überhaupt dem Gange der Temperatur anzuschließen; wenigstens in der jährlichen Periode richtet es sich in Norddeutschland ebenso wie die absolute Feuchtigkeit ziemlich genau danach. Der kleinste Wert tritt im Winter (im Dezember oder meist im Januar, also im kältesten Monat) ein, der größte fällt in den Sommer, in den Juli, also in den wärmsten Monat. Wird die Trockenheit der Luft nach der Größe des Sättigungsdefizits bestimmt, so ist der Sommer die trockenste, der Winter die feuchteste Jahreszeit, der Frühling ist trockner als der Herbst. Die Jahresamplitüde ist im Binnenland größer als an der Küste, im O. größer als im W. und in der Ebene größer als an höher gelegenen Orten.

Klimatologisch hat die absolute Feuchtigkeit ein viel geringeres Interesse als die relative und erscheint außerdem auch als Ausdruck für die Wirkung der atmosphärischen Feuchtigkeit auf den Organismus als nicht brauchbar. Die Luft kann nämlich als trocken bezeichnet werden und doch mehr Wasserdampf enthalten als ein andres Mal, wo sie als feucht gelten muß, wenn nur die Temperatur in beiden Fällen sehr verschieden ist. Während die absolute L. im Jahresmittel am Äquator am größten (19 mm), in den Polargebieten am kleinsten (unter 3 mm) ist, erreicht die relative L. in beiden Gegenden ein Maximum (über 80 Proz.) und zwischen 20 und 40° Breite ein Minimum (70–75 Proz.); in Wüsten sinken die kleinsten Monatsmittel selten unter 20 Proz.

Die relative Feuchtigkeit übt sowohl auf die Vegetation als auch auf Menschen und Tiere einen eingreifenden Einfluß aus. Sie bestimmt das, was man die Evaporationskraft des Klimas nennt, d.h. die Stärke der Verdunstung, mit der das Wasserbedürfnis der Organismen proportional ist. Freilich ist dabei die relative Feuchtigkeit allein nicht maßgebend, sondern es müssen außerdem auch noch die Temperaturverhältnisse berücksichtigt werden. So ist eine relative Feuchtigkeit von 30 Proz. bei 25° Luftwärme weder klimatisch gleichwertig mit einer von 30 Proz. bei -10°, noch übt sie in diesen beiden Fällen dieselbe Wirkung auf den Organismus aus. Auch kann aus der relativen Feuchtigkeit allein ohne Berücksichtigung der vorhandenen Temperatur nicht auf die Evaporationskraft der Luft geschlossen werden. Ist die relative Feuchtigkeit (z. B. vor Gewittern) im Sommer groß, so ist die Verdunstung gering, und man hat das Gefühl, in einer Treibhausatmosphäre zu sein, während geringe relative L. die Hitze besser zu ertragen gestattet.

Hygienisches. Ein erwachsener gesunder Mensch gibt in 24 Stunden bei mäßiger Arbeit etwa 1000 g Wasser in Gestalt von Dampf durch Lunge und Haut an die umgebende Luft ab. Bei angestrengter Arbeit kann sich dieser Betrag verdoppeln. Die Abgabe des Wasserdampfes an die Luft erfolgt um so leichter, je geringer die relative Feuchtigkeit der Luft, denn die ausgeatmete Luft ist stets für die Blutwärme mit Wasserdampf gesättigt. Ob abnorm geringer Feuchtigkeitsgehalt der Luft die Entstehung von Erkrankungen der Atmungsorgane begünstigt, ist noch nicht genügend festgestellt. Jedenfalls fühlen wir uns bei mittlerm Feuchtigkeitsgehalt der Luft am wohlsten. Steigt der Feuchtigkeitsgehalt bei hoher Temperatur, so empfinden wir die Luft als schwül und die Atmung ist erschwert. Auch die Schweißabgabe durch die Haut ist hauptsächlich abhängig von der relativen Feuchtigkeit der Luft, erst in zweiter und dritter Linie van der Temperatur und der Luftbewegung. Bei feuchter, heißer Luft wird sie behindert, und bei längerm Aufenthalt in solcher Luft kommt es zu schweren Störungen des Allgemeinbefindens. Die Verdunstung des Schweißes ist eine notwendige Bedingung für die Erhaltung der normalen Körpertemperatur, und bei Behinderung der Schweißverdunstung kommt es zu einer übermäßigen Anhäufung von Wärme im Körper. Dies ist der physiologische Grund des Hitzschlages. Auch Erkrankung der Nieren, die ja dann die Ausscheidung des Wassers allein zu besorgen haben, ist als Folge längern Aufenthaltes in heißer und feuchter Luft beobachtet worden. Die in der Luft enthaltenen Mikroorganismen, die Schwamm- und Schimmelbildungen in den Häusern, die auf und im Boden etwa hausenden Krankheitskeime gedeihen bei hoher L. besser als bei geringer, und so wirkt jene auch begünstigend auf die Entstehung und Verbreitung von Infektionskrankheiten. Vgl. Hann, Lehrbuch det Meteorologie (2. Aufl., Leipz. 1905); A. und H. Wolpert, Theorie und Praxis der Ventilation und Heizung, Bd. 2: Die Luft und die Methoden der Hygrometrie (Berl. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 809-810.
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