Mediateur

[511] Mediateur (franz., spr. -tör, »Vermittler«), in der Politik und im Völkerrecht Bezeichnung derjenigen Macht, die zwischen andern Mächten obwaltende Streitigkeiten auf dem Wege der Unterhandlung beizulegen sucht. So wurde z. B. 1866 von Österreich im Kriege gegen Preußen und Italien die Vermittelung Frankreichs in Anspruch genommen; 1885 riefen Deutschland und Spanien wegen der Karolinen (s. d.) die Vermittelung des Papstes an. Eine solche Vermittelung (Mediation) ist wesentlich verschieden von der schiedsrichterlichen Entscheidung, insofern bei jener die untereinander uneinigen Mächte zwar darin einverstanden sind, daß von einer dritten oder mehreren vermittelnden Mächten Vergleichsvorschläge gemacht werden möchten, aber darum sich doch nicht verpflichten, dieselben auch anzunehmen, während bei dieser die beteiligten Staaten gehalten sind, sich dem schiedsrichterlichen Ausspruch der vermittelnden Macht zu unterwerfen. Die Mediation kann auch ohne Aufforderung seitens eines der streitenden Staaten oder beider erfolgen, so die seitens Englands und der Vereinigten Staaten Ende 1894, um den Frieden zwischen Japan und China herbeizuführen, die allerdings vergebliche seitens Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Österreichs, Rußlands und des [511] Papstes 1898, um den Krieg zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten hintanzuhalten. Sie wird zur Intervention (s. d.), wenn sie ihren Vorschlägen durch Zwangsmittel Geltung zu verschaffen sucht. Die Haager Friedenskonferenz (s. d.) hat sich eingehend mit der Vermittelung befaßt. Das Abkommen von 1899 kennt zwei Arten, die gewöhnliche Vermittelung und die auf Antrag der Amerikaner eingefügte besondere Vermittelung (médiation spéciale). Die Signatarmächte verpflichten sich, bevor sie zu den Waffen greifen, die »guten Dienste« (s. d.) oder die Vermittelung einer befreundeten Macht anzurufen. Ebenso aber kann die Vermittelung vor Beginn und während der Feindseligkeiten von einer unbeteiligten Macht angeboten werden, ohne daß dies als unfreundliche Handlung aufgefaßt werden kann. Die Aufgabe des Vermittlers ist die Ausgleichung der verschiedenen Ansprüche und Streitpunkte. Werden seine Vorschläge abgelehnt, so hat seine Tätigkeit aufzuhören. Für gewöhnlich soll die Vermittlertätigkeit 31 Tage nicht überschreiten, während dieser Zeit ruhen dann die direkten Verhandlungen zwischen den Streitsteilen; jedoch kann die Mobilmachung und Vorbereitung zum Krieg mangels andrer Vereinbarung ihren Fortgang nehmen. Kommt es trotzdem zum Kriege, so sollen alle Signatarmächte jede Gelegenheit zur Wiederherstellung des Friedens benutzen. Vgl. P. Wagner, Zur Lehre von den Streiterledigungsmitteln des Völkerrechts (Darmst. 1900); Mérignhac, La confèrence internationale de la Paix (Par. 1900); Bonfils, Lehrbuch des Völkerrechts (deutsch pou Grah, Berl. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 511-512.
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