Nīobe

[707] Nīobe, im griech. Mythus Tochter des Tantalos und der Dione, Schwester des Pelops, Gemahlin des thebanischen Königs Amphion. Stolz auf ihre vielen Kinder (nach Homer sechs Söhne und sechs Töchter, nach andren noch mehr), stellte sie sich der Leto gleich, die nur zwei Kinder, Apollon und Artemis, geboren habe. Zur Strafe dieser Überhebung töteten Apollon und Artemis an Einem Tage die sämtlichen Kinder der N. mit ihren Pfeilen. Amphion tötete sich, und die vor Schmerz starre N. wurde von den Göttern in Stein verwandelt und nach dem phrygischen Berg Sipylos versetzt, wo man sie in einem noch vorhandenen Steinbild zu erkennen glaubte (Schilderung des Niobefelsens, des sogen. Tash Suret, bei Stark: »Nach dem Orient«, Heidelb. 1874). Der hochtragische Stoff ward von den Meistern der dramatischen wie der bildenden Kunst vielfach behandelt. Von den erhaltenen bildlichen Darstellungen ist die großartigste die Gruppe der N. und ihrer Kinder in den Uffizien zu Florenz, eins der herrlichsten Werke der alten Plastik, wenn auch nur in geringer Nachbildung aus römischer Zeit (s. Tafel »Bildhauerkunst III«, Fig. 10). Von dem griechischen Original stritt man schon im Altertum, wie heute, ob Praxiteles oder Skopas der Urheber sei. Den Mittelpunkt der Gruppe bildet die erhabene, edle Gestalt der N., in deren Schoß eine Tochter ihr Haupt birgt. Die andern Kinder fliehen von beiden Seiten her, teils schon getroffen, teils sich entsetzt nach den Todesgeschossen umschauend, der Mutter zu. Die vorzügliche Einzelkopie einer Tochter aus der Gruppe im Museo Chiaramonti des Vatikans (»der Torso des Vatikans«), gibt von der Schönheit des Originals die beste Anschauung. Vgl. Stark, N. und die Niobiden (Leipz. 1863); Friederichs, Praxiteles und die Niobegruppe (das. 1865); Ohlrich, Die Florentiner Niobegruppe (das. 1888); Heydemann, N. und Niobiden auf griechischen Vasenbildern (1875) und Analekten zu den Kunstdarstellungen der N. (Leipz. 1883).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 707.
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