Nevers [1]

[588] Nevers (spr. nöwǟr), Hauptstadt des franz. Depart. Nièvre, 201 m ü. M., malerisch am Abhang eines Hügels am rechten Ufer der Loire gelegen, die hier die Nièvre aufnimmt, Knotenpunkt der Lyoner Bahn, ist unregelmäßig gebaut, hat Reste alter Befestigungen, einen Stadtpark und an hervorragenden Bauwerken die überwiegend gotische Kathedrale St.-Cyr. (12.–16. Jahrh.) mit romanischer Krypte und Westchor, die romanische Kirche St.-Etienne (11. Jahrh.), ein ehemaliges herzogliches Schloß (aus dem 15. Jahrh., gegenwärtig Justizpalast und Altertümermuseum) und eine Triumphpforte (1746) zum Andenken an die Schlacht von Fontenoy. Die Zahl der Bewohner beträgt (1901) 26,236 (im Gemeindegebiet 27,673). Die Industrie ist durch ein großes Eisenwerk, Fabriken für Ackergeräte, Dampfkessel, Porzellan und Fayence, chemische Produkte, Seilerwaren und Öl vertreten. Auch hat N. lebhaften Handel mit Wein, Getreide, Holz, Eisen, Vieh und Manufakturwaren. Von Bildungsanstalten hat N. ein Lyzeum, ein großes und ein kleines Seminar, eine Lehrerinnenbildungsanstalt, eine Kunst- und eine Gewerbeschule, eine öffentliche Bibliothek (60,000 Bände), ein Museum (Altertümer, Münzen und keramische Produkte), eine Gemäldegalerie, eine mineralogische Sammlung, Theater, eine Gesellschaft für Wissenschaften und Künste. Es ist Sitz des Präfekten, eines Bischofs, eines Assisenhofs, eines Handelsgerichts, eines Ackerbau- und einer Gewerbekammer sowie einer Filiale der Bank von Frankreich. In der Nähe befinden sich mehrere metallurgische Etablissements. 12 km nordwestlich liegt der Badeort Pougues- les-Eaux mit kalten Mineralquellen (12°), deren Wasser Ähnlichkeit mit dem von Spa und von Selters hat, und 714 Einw. – N. war zur Römerzeit eine Stadt der Äduer und hieß Noviodunum und später Nevirnum. Unter Chlodwig wurde 506 hier ein Bistum errichtet. Grafen von N. oder Nivernais kommen zuerst im 9. Jahrh. vor; ein Graf Wilhelm von N nahm an dem Kreuzzug von 1100 teil. Nachdem ihr Geschlecht 1184 im Mannesstamm erloschen, kam die Grafschaft Nivernais durch Heirat der Erbin Agnes an Peter von Courtenay, lateinischen Kaiser in Konstantinopel, und ging von den Courtenays immer durch Heirat an die Häuser Donzy, Châtillon, Bourbon und Flandern über. Margarete, Erbtochter von Flandern, brachte durch ihre zweite Vermählung mit Philipp dem Kühnen von Burgund diesem N. zu, der seinen zweiten Sohn, der bei Azincourt 1415 fiel, zum Grafen von N. ernannte. Von diesen burgundischen Grafen von N. ging die Grafschaft 1491 auf Engelbert von Kleve über, dessen Vater Johann I. 1455 eine Enkelin Philipps des Kühnen geheiratet hatte. König Franz I. erhob 1538 die bisherige Grafschaft N. zum Herzogtum. Der erste Herzog von N. war Franz I. von Kleve. Da seine[588] Söhne Franz II. und Jakob keine Kinder hatten, erbte ihre Schwester Henriette, die Gemahlin Ludwigs von Gonzaga-Mantua, das Herzogtum. Ihr Enkel Karl lII. verkaufte N. 1659 an den Kardinal Mazarin. Letzterer vererbte es auf seinen Neffen Philippe Julien Mancini-Mazarini (geb. 1641, gest. 1707), dessen Nachkommen in gerader Linie nun den Titel der Herzoge von N. oder Nivernais führten. Vgl. Colin, Petite histoire de Nivernais (Nevers 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 588-589.
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