Ostermann

[173] Ostermann, 1) Heinrich Johann Friedrich (russ. Andrej Iwanowitsch), Graf, russ. Staatsmann, geb. 30. Mai 1686 zu Bochum in Westfalen, gest. 25. Mai 1747 in Beresow, floh wegen eines Duells, in dem er seinen Gegner tötete, von Jena nach Holland, trat 1704 in russischen Seedienst und ward bald zu den wichtigsten Geschäften verwendet. Er wirkte wesentlich zur Abschließung des Friedens am Pruth (23. Juli 1711), leitete die Friedensunterhandlungen in Nystad (10. Sept. 1721) und wurde 1725 Reichsvizekanzler. Katharina I. bestimmte ihn auf dem Sterbebette zum Mitgliede des Regentschaftsrats während der Minderjährigkeit Peters II. 1730 ward O. in den Grafenstand erhoben und von der Kaiserin Anna zum Minister des Auswärtigen ernannt. Unter der Regentin Prinzessin Anna von Braunschweig behauptete O. seine Stellung. Von Elisabeth wurde O. unter der Anschuldigung, deren Ausschließung vom Thron bei der Kaiserin Anna bewirkt und das Testament Katharinas I. unterschlagen zu haben, zum Tode durch das Rad verurteilt. Doch wurde er 27. Jan. 1742 zu lebenslänglicher Verbannung nach Sibirien begnadigt. Seine beiden kinderlosen Söhne adoptierten die Söhne ihrer an den General Tolstoi verheirateten Schwester, die seitdem den Namen O.-Tolstoi führten. Unter ihnen zeichnete sich besonders aus:

2) Alexauder Iwanowitsch, Graf O.-Tolstoi, geb. 1772, gest. 12. Febr. 1857 in Petit-Saconnex, kämpfte gegen die Türken und Polen und erhielt 1805 als Generalleutnant den Oberbefehl über das russische Korps, das mit schwedischen und englischen Hilfstruppen die Diversion nach dem nördlichen Deutschland zu machen bestimmt war. Darauf ward er Gouverneur von Petersburg. 1806 führte er eine Division in Bennigsens Heer, 1812 das 4. Armeekorps und kämpfte mit Auszeichnung. 1813 ward er bei Bautzen verwundet, focht dann bei Dresden und befehligte das russische Gardekorps 29. und 30. Aug. bei Kulm, wo ihm der linke Arm zerschmettert wurde. Vereinigt mit Klenau bewirkte er die Übergabe Dresdens; dann war er 1815 kurze Zeit Gesandter in Paris. Mehrere Jahre brachte er in Frankreich und Italien zu, machte 1831 mit Fallmerayer eine Reise in den Orient und ließ sich 1837 in Petit-Saconnex am Genfer See nieder.

3) Wilhelm, Schulmann, geb. 29. Jan. 1850 in Prezelle (Hannover), studierte in Berlin, Erlangen und Göttingen (Lotze), wurde 1874 Rektor des Progymnasiums zu Schlüchtern, 1875 orden: licher Seminarlehrer daselbst, 1876 Oberlehrer am Lehrerseminar in Oldenburg und dort 1877 Seminardirektor, 1887 Schulrat, 1899 Regierungs- und Schulrat in Aurich, 1900 Provinzialschulrat in Breslau. Er schrieb: »Lehrbuch der Pädagogik« (mit Wegener, Oldenb. 1882–93, 2 Bde.; 12. Aufl. 1902, 2 Tle.); »Grund lehren der pädagogischen Psychologie« (das. 1880); »Die hauptsächlichsten Irrtümer der Herbartschen Psychologie und ihre pädagogischen Konsequenzen« (2. Aufl., das. 1894); »Zur Herbartfrage« (2. Aufl., das. 1894); »Das Interesse« (das. 1895); »Pädagogisches Lesebuch für Lehrerseminarien« (2. Aufl., das. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 173.
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