[695] Pfeife, eine Röhre, in der stehende Wellenbewegung der Luft durch Anblasen hervorgebracht wird. Fig. 1 (S. 696) stellt den Durchschnitt einer offenen hölzernen Orgelpfeife (Lippenpfeife) dar; die in den Fuß eingeblasene Luft strömt aus dem Behälter K durch den Schlitz c d gegen die scharfkantige Lippe[695] (labium) ab des Mundes abcd.
Der flache Luftstrom erzeugt zunächst durch Anprallen an die mehr oder minder scharfe Kante der Lippe, indem er durch die angestaute Luft abgelenkt wird, also eine Stauung an andrer Stelle hervorbringt, durch diese wieder abgelenkt wird etc., unregelmäßige Schwingungen, von denen aber alsbald diejenige, die der Eigenschwingung der Luftsäule im Rohr entspricht, durch Resonanz verstärkt wird. Die in dem Rohr hervorgerufene stehende Wellenbewegung bewirkt nämlich, daß an der Austrittsstelle des Luftstromes Strömungen der Luft entstehen, durch die der Luftstrom abwechselnd in das Rohr hineingezogen oder daraus herausgestoßen wird. Dadurch werden natürlich die Schwingungen noch mehr verstärkt und dauernd unterhalten, wie z. B. die Schwingungen des Perpendikels einer Uhr dauernd unterhalten werden durch die regelmäßigen Stöße, die er durch das Anstoßen der Zähne des durch das Uhrwerk getriebenen Steigrades an die Hemmung erhält. Die P. erklingt daher beim Anblasen (»spricht an«) und gibt einen bestimmten, nur durch ihre Länge bedingten Grundton. Wenn eine offene P. ihren Grundton gibt, bildet sich ein Schwingungsknoten in ihrer Mitte. Das Vorhandensein dieses Schwingungsknotens läßt sich z. B. mittels der manometrischen Flammen (s. d.) nachweisen. Bei einer geschlossenen (gedeckten) P. ist ein Knoten am Ende. Ermittelt man mit Hilfe der Sirene die Schwingungszahl des Grundtons, den eine gedeckte P. beim Anblasen gibt, so gibt das Produkt dieser Zahl mit der vierfachen Pfeifenlänge (d.h. der Wellenlänge des Tones) die Schallgeschwindigkeit in der Luft. Füllt man die P. mit irgend einem andern Gas, so gibt sie einen andern Ton, und man findet, daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten in verschiedenen Gasen den Quadratwurzeln aus deren spezifischen Gewichten umgekehrt proportional sind. Bei engern Pfeifen, oder auch bei weiten im Falle starken Luftdrucks (beim sogen. Überblasen), teilt sich die Luftsäule in mehrere schwingende Abteilungen, deren Zahl mit der Stärke des Winddrucks wächst. Gewöhnlich gibt eine P. ein Gemisch mehrerer Töne, unter denen in der Regel der Grundton vorherrscht. Die übrigen (Obertöne genannt) bestimmen die Klangfarbe, die von der Gestalt der P. abhängt, da sich damit die Obertöne ändern. Tritt einer der Obertöne am stärksten hervor, so heißen die tiefern Töne Untertöne. Werden zwei gleichgestimmte offene Pfeifen nebeneinander auf denselben Windkasten gesetzt, so regelt sich die Luftbewegung in denselben so, daß, wenn in dem Schwingungsknoten der einen eine Verdichtung auftritt, gleichzeitig in dem der andern eine Verdünnung stattfindet; ein etwas entferntes Ohr empfängt daher gleichzeitig eine Verdichtungs- und eine Verdünnungswelle und vernimmt den Grundton der Pfeifen nicht, wohl aber die Obertöne, für die ein solcher Gegensatz der Bewegungen nicht stattfindet. Bei den Zungenpfeifen ist eine bewegliche Lippe (Zunge) vorhanden, die infolge ihrer Elastizität eine bestimmte Eigenschwingungsdauer besitzt und dadurch die Schwingungen des Luftstroms regelt. Gewöhnlich ist die Zunge ein elastischer, an seinem einen Ende befestigter Metallstreifen. Der Luftstrom dringt aus dem Rohr pp der Zungenpfeife (Fig. 2), die mit ihrem Fuß auf ein Gebläse aufgesetzt ist, in die Messingrinne rr (Kanile), deren Schlitz von der vibrierenden Zungel abwechselnd geöffnet und geschlossen wird, und entweicht durch die Öffnung v ins Freie. Durch den Holzpfropfen ss, mit dem das Zungenwerk auf das Rohr der P. aufgesetzt ist, ist der Stimmdraht d gesteckt, durch dessen Niederdrücken oder Ausziehen man die Zunge höher oder tiefer stimmen kann. Zur Verstärkung und Abänderung des Tones kann auf die Öffnung v ein kegelförmiger Schalltrichter aufgesetzt werden, der, wenn er nur kurz ist, auf die Schwingungszahl der Zunge keinen Einfluß übt, bei hinreichender Länge aber sie wesentlich abändert. Die Zunge ist nämlich weder so starr wie eine Stimmgabel, noch so nachgiebig wie der vibrierende Luftstrom, der eine gewöhnliche P. zum Tönen bringt. Daher wird erst, wenn das Ansatzrohr genügend lang ist, die in demselben sich ausbildende stehende Wellenbewegung die Zunge zwingen, sich ihr anzubequemen. Eine andre Art von Zungenwerken sind die membranösen Zungenpfeifen; sie werden durch zwei häutige elastische Platten oder Lippen (z. B. von Kautschuk) gebildet, die einen schmalen, zwischen ihnen befindlichen Spalt durch ihre Schwingungen abwechselnd öffnen und schließen und so den aus dem Spalte dringenden Luftstrom unterbrechen.
Durch stärkere Spannung der Lippen wird die Tonhöhe gesteigert. Das menschliche Stimmorgan ist nichts andres als eine membranöse Zungenpfeife, in der die Stimmritze die Rolle des Spaltes, die Stimmbänder die Rolle der Lippen spielen. Vgl. Blasinstrumente und Dampfpfeife. In der Glasmacherei ein Rohr zum Formen des Glases, s. Glas, S. 890. In der Gießerei ein Rohr, durch das die Luft aus der Gußform entweicht. Über Tabakspfeifen s. Rauch- und Schnupfgeräte.
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