[837] Zähne (Dentes), sehr feste, knochenähnliche Körper, die auf der Haut der niedern Wirbeltiere (als Hautzähne), besonders aber in der Mundhöhle der Wirbeltiere an deren Knochen, vorzugsweise an oder in den Kiefern, befestigt sind und zum Festhalten oder Zerkleinern der Nahrung dienen. Sie sind dann ein Produkt der Mundschleimhaut und stimmen bei den Haifischen noch so sehr mit den Hautzähnen der Schuppen überein, daß man sie auch als von solchen herrührend aufgefaßt hat. Bei den Fischen können sie an allen Knochen der Mundhöhle, auch am Zungenbein und den Kiemenbogen (Schlundzähne), vorkommen, sind dagegen bei den höhern Wirbeltieren fast ganz und bei den Säugetieren ausschließlich auf die Kiefer beschränkt. Mit den Knochen, denen sie angehören, stehen sie teils in sehr loser Verbindung, so daß sie ausgerichtet und niedergelegt werden können (so bei den Haifischen; über die Giftzähne der Schlangen s. Schlangen), teils in fester; bei den Säugetieren und einigen andern Gruppen werden sie im Laufe ihres Wachstums von den Kieferrändern teilweise umfaßt und so in Zahnfächer oder Zahnhöhlen (Alveolen) eingebettet (s. unten). Die aufgebrauchten oder ausgefallenen Z. werden bei den drei niedrigsten Gruppen der Wirbeltiere fortwährend erneuert (polyphyodonte Z.), bei den Säugetieren hingegen nur einmal (monophyodonte Z., Zahnwechsel, s. unten) oder auch gar nicht (Wale, Zahnarme etc.). Bei den Walen finden sich die Anlagen der Z. in den Fächern vor, gelangen aber nicht zum Durchbruch. An den Zähnen der Säugetiere unterscheidet man die Krone, d. h. das frei in den Mund hereinragende Stück, ferner die dünnere, vom Zahnfleisch bedeckte Stelle, den Hals, und die in der Alveole des Kiefers steckende Wurzel, die ein- oder mehrfach sein kann. Hals und Krone schließen zusammen eine Höhle ein, die mittels eines feinen, durch die ganze Wurzel verlaufenden Kanals an der Spitze der letztern ausmündet. In dieser Höhle liegt die weiche, bindegewebige Zahnpulpa (Zahnkeim), zu der aus dem Kiefer durch den Wurzelkanal Gefäße und Nerven treten. Der Schmelz (Email), d. h. die äußere, sehr harte und feste Rinde der Krone, ist auf den Kauflächen am dicksten und endet am Hals mit scharfem Rand. Er besteht aus prismatischen, etwas geschlängelten, äußerst feinen und soliden Fasern, die dicht nebeneinander liegen, und verdankt seine große Härte denselben Kalksalzen, die auch die Knochen bilden. Die besten englischen Feilen werden auf dem Schmelz bald stumpf. Das Zahnbein (Dentin), das den Körper des Zahnes bildet, besteht aus sehr feinen Röhrchen, die in einer strukturlosen, sehr harten Grundmasse von der chemischen Zusammensetzung der Knochensubstanz verlaufen. Sie beginnen mit offenen Mündungen in der Zahnhöhle und im Wurzelkanal, sind sanft wellenförmig gebogen und gegen die Oberfläche zu vielfach gegabelt. In den Schmelz gehen sie nicht über, wohl aber bisweilen in die Rinde der Zahnwurzel. In diese Kanäle sendet die Pulpa Ausläufer der ihre Oberfläche bedeckenden Zellen; auch will man darin Nervengebilde erkannt haben, womit die Empfindlichkeit des Zahnbeines übereinstimmt. Löst man mit verdünnter Salzsäure die mineralischen Bestandteile des Zahnbeines auf, so bleibt die organische Substanz als Zahnknorpel zurück. Die Oberfläche der Wurzeln der bleibenden Z. umgibt die Wurzelrinde (Zement), die an den Milchzähnen fehlt und aus Knochensubstanz besteht. An der Wurzelspitze ist sie am massigsten; nach dem Zahnhals zu verjüngt sie sich zu einer sehr dünnen Schicht, die auch noch den Schmelz bedeckt.
Beim Menschen (s. Tafel »Skelett des Menschen II«) beträgt die Zahl der bleibenden Z. 32. Man teilt sie in Schneide-, Eck-, Backen- und Mahlzähne. Die 8 Schneidezähne haben meißelartig zugeschärfte Kronen, eine konvexe Vorder- und eine konkave Hinterfläche. Die 4 Eckzähne, auf jeder Seite einer, haben zugespitzte Kronen; die starken, einfachen, zapfenförmigen Wurzeln sind an den Eckzähnen des Oberkiefers besonders lang. (Letztere im Volksmund Augenzähne genannt, haben mit dem Auge direkt nichts zu tun. Wissenschaftlich heißen sie dentes canini, Hundszähne.) Die 8 vordern Backenzähne (Prämolaren), 2 auf jeder Seite, haben etwas niedrigere Kronen als die Eckzähne und entweder zwei Wurzeln (gewöhnlich im Oberkiefer) oder nur eine einfache, seitlich plattgedrückte. Die 12 hintern Backenzähne (Mahlzähne, Stockzähne, Molaren), 3 auf jeder Seite, haben im Oberkiefer gewöhnlich drei, im Unterkiefer nur zwei Wurzeln; die Kronen der obern Mahlzähne besitzen vier, die der untern fünf Höcker. Der letzte Mahlzahn beider Kiefer heißt seines späten, erst im 18. Lebensjahr oder später erfolgenden Durchbruchs wegen Weisheitszahn. Bei Negern kommen bisweilen, wie auch nicht selten beim Orang-Utan, acht Mahlzähne in beiden Kiefern vor. Sonst werden äußerst selten wirklich überzählige Z. beobachtet. Die Bildung der Z. beginnt schon gegen Ende des zweiten Monats des embryonalen Lebens, und zwar im Innern der Kiefer in besondern Säckchen, den Zahnbälgen oder Zahnsäckchen (folliculi dentium). Vom Epithel der Mundhöhle senkt sich eine Leiste (Zahnleiste, Schmelzkeim) in das zellenreiche embryonale Bindegewebe hinein, an der dann entsprechend der Zahl der zu bildenden Z. Verdickungen, die Schmelzorgane, entstehen. Der Zahnkeim trägt oben eine sehr regelmäßige Epithelschicht, die Schmelzmembran, der die Bildung des Schmelzes obliegt, darunter liegen die das Zahnbein liefernden Odontoblasten als eine Schicht weniger regelmäßig angeordneter Zellen und im Innern die Zahnpapille. Die Schmelzmembran wird umgeben von einer Schicht gallertiger Zellen, der Schmelzpulpa, und die ganze Anlage steckt in dem Blutgefäße führenden bindegewebigen Zahnsäckchen. Die Abbildung (S. 838) zeigt einen Schnitt senkrecht durch den Unterkiefer[837] eines achtmonatigen Fötus gerade durch den Eckzahn geführt. Bei H ist die äußere Haut abgebildet, von der aus sich bereits die Haare h nach innen eingestülpt, aber noch nicht das Unterhautfettgewebe f, den spätern Sitz der Wurzel, erreicht haben. Der Unterkieferknochen läßt seine zweifache Entwickelung aus einem runden, knorpeligen Teil U' und die bindegewebige Anlage U erkennen. Bei D sieht man die Läppchen der unter der Zunge gelegenen Speicheldrüse. Bei S ist die Schleimhaut der Wange getroffen. Der Zahn liegt unter einem Walle W. Von dem Epithel der Schleimhaut senkt sich ein Gang in die Tiefe, der wieder eine kleine seitliche Einstülpung hervorgehen läßt, den bleibenden Zahn B. Mächtig entwickelt sich die Milchzahnanlage M. Der seine Gang erweitert sich zu einem geräumigen, geschlossenen, mit Zellen erfüllten Sack, dessen zylindrisches Randepithel den Schmelz bildet.
Der härteste Teil des Zahnes stammt also vom Epithel, aus dem auch der bedeutsamste Teil des Darmes und die anhängenden Drüsen, z. B. die Leber, entstehen. In A ist die Zahnkuppe noch einmal dargestellt. Das Epithel e hat den Schmelz s gebildet, bei c ist das Zahnbein abgelagert, das der bindegewebigen Zahngrundlage, der reichlich mit seinen Gefäßen durchzogenen Papille p, entstammt. Zwischen dem 6. und 8. Monat nach der Geburt des Kindes beginnt der Zahndurchbruch (erste Dentition, das Zahnen, s. d.). Zuerst erscheinen im Unterkiefer die mittlern Schneidezähne, dann dieselben im Oberkiefer. Im 7.9. Monat folgen die äußern Schneidezähne, im 12.15. Monat die ersten Backenzähne (Prämolaren), im 16.20. Monat die Eckzähne und im 20.24. Monat die hintern Backenzähne (Prämolaren). Diese 20 Z. (i2c1pr2/i2c1pr2) bilden das Milchgebiß, das vom 6.7. Jahr an durch das bleibende Gebiß allmählich ersetzt wird (Zahnwechsel, zweite Dentition). Zuerst erscheinen an den Enden der Milchzahnreihe die ersten 4 Backenzähne (Molaren) als ganz neue Gebilde. Dann gehen die untern, darauf die obern mittlern Schneidezähne fort, ihnen folgen die äußern Schneidezähne. Dann erscheinen die ersten Prämolaren, die Eckzähne und die zweiten Prämolaren. Dieser Wechsel dauert bis zum 12. oder 13. Lebensjahr. Um das 14. Jahr erscheinen wieder zwei Backenzähne (Molaren) und im 18. Jahr oder später die dritten Molaren (Weisheitszähne), die häufig ausbleiben. Bisweilen erscheinen zurückgehaltene Z. sehr spät. Formel des bleibenden Gebisses i2c1pr2m3/i2c1pr2m3. Beim Menschen ist die Form der Milchzähne nur wenig von derjenigen der bleibenden Z. verschieden. Dagegen zeigt sich bei manchen Säugetieren ein großer Unterschied, und zwar in der Art, daß die Milchzähne einer noch lebenden Art oft den bleibenden einer ausgestorbenen, die Milchzähne der letztern den bleibenden einer noch ältern Art gleichen und so für die Erforschung des Stammbaumes der Säugetiere zuweilen wichtige Anhaltspunkte liefern. Da der Wechsel der Z. bei den Haustieren sehr regelmäßig zu gewissen. für jede Tierart gesetzmäßigen Zeiten erfolgt, so läßt sich nach den Zähnen und gewissen an denselben sich später ausbildenden Veränderungen das Alter der Tiere, wenigstens während ihrer leistungsfähigsten Lebenszeit, sehr genau bestimmen (Zahnalter; s. Zahnaltersbestimmung). Der vollkommen ausgebildete Zahn wächst zwar nicht mehr, lebt aber und unterliegt, wie alle übrigen Gebilde des Körpers, dem Stoffwechsel. Als Abnormitäten treten auf: Versetzungen der Z. (die Eckzähne in der Mitte der Kiefer; Z. am Gaumen, in der Nasenhöhle, am vordern oder hintern, Zahnfleisch), Verwachsung (an den Schneidezähnen im Oberkiefer), Mißbildungen. Vgl. Eizahn.
Bei der Klassifikation der Wirbeltiere werden die, Z. vielfach benutzt, besonders wenn es sich um ausgestorbene Tiere handelt. Man unterscheidet zölodonte Z. (mit großer Pulpahöhle) und pleodonte (ohne solche), akrodonte (mit dem Kiefer verwachsene), holkodonte (alle Z. in einer gemeinschaftlichen Rinne) und thekodonte (jeder in besonderm Fache); ferner nach ihrer Form bunodonte (mit warziger Kaufläche), sekodonte (Reißzähne) etc. S. auch Gebiß. Vgl. Owen, Odontography (2. Aufl., Lond. 1845, 2 Bde.); Giebel, Odontographie (Leipz. 1854); Waldeyer, Untersuchungen über die Entwickelung der Z. (in den »Königsberger medizinischen Jahrbüchern«, 1864 u. 1865); Kollmann, Entwickelung der Milch- und Ersatzzähne (»Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie«, Bd. 20, Heft 2, Leipz. 1869); C. S. Tomes, Manual of dental anatomy human and comparative (6. Aufl., Lond. 1904); Baume, Odontologische Forschungen (Leipz. 1881, 2 Tle.); Röse, Über die Entwickelung der Z. des Menschen (Bonn 1891); Schwalbe, Über Theorien der Dentition (in den »Verhandlungen der Anatomischen Gesellschaft«, VIII, Jena 1894); Bödecker, Anatomie und Pathologie der Z. (deutsch, Wien 1896); Jung, Anatomie und Pathologie der Z. (das. 1898); Werkenthin, Die Z. in hygienischer und ästhetischer Beziehung (3. Aufl., Berl. 1905); Kronfeld, Die Z. des Kindes (Leipz. 1903); Witzel, Entwickelung der Kiefer und der Z. beim Menschen (75 Tafeln, Berl. 1908). S. auch Zahnkrankheiten.
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