Polyéder

[121] Polyéder (griech., Vielflächner, besser Vielflach), ein Körper, der von lauter ebenen geradlinigen Vielecken (s. Polygon) begrenzt wird. Diese Vielecke heißen die Flächen des Polyeders, ihre Seiten heißen die Kanten und ihre Ecken die Ecken des Polyeders. In jeder Kante stoßen zwei Flächen des Polyeders zusammen, in jeder Ecke aber mindestens drei Flächen. Zwischen der Zahl k der Kanten und der Zahl w der in den Flächen des Polyeders enthaltenen Winkel besteht die Gleichung: w = 2 k. Bilden ferner die Kanten des Polyeders ein zusammenhängendes Netz derart, daß man von jeder zu jeder andern gelangen kann, ohne über eine Fläche zu springen, und zerfällt überdies das P. nicht von selbst in zwei oder mehrere P., die jedesmal nur eine Kante oder eine Ecke gemein haben, so gilt für die Zahl der Ecken, Flächen und Kanten, e, f und k, die Eulersche Gleichung: e - j - f = k + 2. Zu diesen Polyedern, die man auch Eulersche P. nennt, gehören unter andern die regelmäßigen (regulären) P. oder Körper, die von lauter kongruenten regelmäßigen Vielecken begrenzt werden und zwar derart, daß in jeder Ecke gleichviele Vielecke zusammenstoßen. Sind diese Flächen regelmäßige Dreiecke mit Winkeln von je 60°, so ist w = 3 f und es können in einer Ecke 3, 4 oder 5 solche Dreiecke zusammenstoßen, nicht aber 6 oder mehr, denn da 6 × 60° = 360° ist, so würden schon 6 zusammenstoßende Dreiecke alle in eine Ebene fallen; es ist daher entweder: w = 3 e oder: w = 4 e oder: w = 5 e. Sind die Flächen regelmäßige Vierecke (Quadrate) mit Winkeln von je 90° oder regelmäßige Fünfecke mit Winkeln von je 108°, so können nur 3 in einer Ecke zusammenstoßen, weil sonst die Summe der Winkel an einer Ecke gleich 360° oder größer wäre, es ist also dann w = 3 e und je nachdem: w = 4 k oder: w = 5 f Regelmäßige Sechsecke oder Vielecke von noch mehr Seiten können bei einem regelmäßigen P. nicht auftreten, denn schon beim Sechseck, wo jeder Winkel 120° beträgt, würden 3 in einer Ecke zusammenstoßende Winkel 360° ausmachen, also in eine Ebene fallen. Vermöge der angegebenen Gleichungen kann man e und f durch w und dann durch k ausdrücken, und aus der Eulerschen Gleichung findet man schließlich k. Stoßen z. B. in jeder Ecke 5 Dreiecke zusammen, so ist w = 2k = 3f = 5e, somit f = 2/3k, e = 2/5k und 2/3k + 2/5k = k + 2,[121] also k = 30. Im ganzen kann es daher höchstens 5 regelmäßige P. geben, aber diese 5 existieren auch wirklich, wie sich zeigen läßt. Es sind die folgenden: 1) das Tetraeder, begrenzt von 4 regelmäßigen (gleichseitigen) Dreiecken, mit 4 Ecken u. 6 Kanten; 2) das Oktaeder, begrenzt von 8 gleichseitigen Dreiecken, mit 6 Ecken und 12 Kanten; 3) das Ikosaeder, begrenzt von 20 gleichseitigen Dreiecken, mit 12 Ecken und 30 Kanten; 4) das Hexaeder (der Würfel), begrenzt von 6 Quadraten, mit 8 Ecken und 12 Kanten; 5) das Dodekaeder, begrenzt von 12 regelmäßigen Fünfecken, mit 20 Ecken und 30 Kanten.

1 tetraeder. 2 Oktaeder. 3 Ikosaeder. 4 Hexaeder. 5 Dodekaeder.
1 tetraeder. 2 Oktaeder. 3 Ikosaeder. 4 Hexaeder. 5 Dodekaeder.

Jedes regelmäßige P. hat einen Mittelpunkt, um den sich eine Kugel beschreiben läßt, die durch alle Ecken des Polyeders geht, und eine zweite Kugel, die alle Flächen des Polyeders berührt. Im Altertum legte man auf diese P. großen Wert und nannte sie Platonische oder auch Kosmische Körper (s. d.). – Halbreguläre P. sind solche, deren Flächen regelmäßige Vielecke von verschiedener Art und deren Ecken gleich oder symmetrisch sind, wie z. B. ein dreiseitiges Prisma, dessen Seitenflächen kongruente Quadrate sind. Diese Körper hat zuerst Archimedes behandelt und ihrer 13 angegeben. Vgl. Brückner, Vielecke und Vielflache, Theorie und Geschichte (Leipz. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 121-122.
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