Würfel

[772] Würfel, in der Geometrie soviel wie Kubus (s. d.); in der Kristallographie ist der W. (das Hexaeder) eine wichtige Form des tesseralen Kristallsystems (s. Kristall, S. 702); sodann Werkzeug aus Elfenbein, Knochen, Serpentinstein etc., das zum Würfelspiel benutzt wird. Auf den sechs Seiten eines solchen Würfels sind durch Punkte oder Augen die Zahlen 1–6 in solcher Ordnung angegeben, daß die Zahlen der zwei sich gegenüberstehenden Seiten 7 ergeben. Schon die Alten kannten das Würfelspiel. Die alea der Römer wurde mit Knöcheln (daher Knöchelspiel) oder Steinchen (tali oder ἀοτραγάλοι, tesserae oder κύβοι) gespielt. Die tali waren nur an 4 Seiten mit den Nummern 1 und 6,3 und 4 versehen; 2 und 5 fehlten. Man schüttelte 4 tali in einem Becher und warf sie auf einen Tisch. Als bester Wurf (venus) galten dabei 4 verschiedene Zahlen (1,3,4,6), als schlechtester (canis) 4 Einsen. Die tesserae waren unsern Würfeln mit 6 Zahlen gleich. Das Glücksspiel mit beiden Arten von Würfeln war im Altertum schon früh verboten, außer an den Saturnalien. Mit den Brettspielen hat man das Würfeln frühzeitig in Verbindung gebracht (griechische W.-Petteia, römischer ludus duodecim scriptorum mit Würfeln, indisches Würfelvierschach, Puff etc.). Das Würfelspiel wird schon von Tacitus als eine Leidenschaft der Germanen geschildert; hatten sie alles verspielt, so setzten sie auf den letzten Wurf Leib und Freiheit. Es blieb das ganze Mittelalter hindurch bei Männern und Frauen beliebt, so daß keins der zahlreichen geistlichen und weltlichen Verbote nachhaltige Wirkung hatte; später waren besonders die Landsknechte wegen ihrer Leidenschaft für das Würfelspiel berüchtigt. Gegenwärtig heißen Würfelspiele alle diejenigen Spiele, zu denen man als Hauptmaterial zwei oder mehr Würfel und einen ledernen Becher (Knobelbecher) gebraucht. Sie sind sämtlich reine Glücksspiele (s. Knobeln). Vgl. Bolle, Das Knöchelspiel der Alten (Wism. 1886); Reymond, Knobelbrevier, alte und neue Würfelspiele (Oranienb. 1888).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 772.
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