[316] Polyĕder (v. gr.), ein von lauter Ebenen umschlossener Körper. I. Gesetze der Abhängigkeit einzelner Stücke eines P-s in Beziehung auf die Anzahl derselben. In jedem P. ist die Anzahl der ebenen Winkel doppelt so groß als die Anzahl aller Kanten. In jedem P. von der Beschaffenheit, daß sich innerhalb desselben ein Punkt finden läßt, von dem aus man keine gerade Linie ziehen kann, welche der Oberfläche des P-s in mehr als 2 Punkten begegnet, ist die Summe aller ebenen Winkel das so Vielfache von 4 Rechten, als die um 2 verminderte Anzahl aller Ecken angibt, d. i. W = (e 2) 4 R, wo e die Anzahl aller Ecken, W die Summe aller ebenen Winkel bezeichnet. Für die zuletzt bezeichneten P. gilt folgender Satz: die Anzahl aller Seiten vermehrt um die Anzahl aller Ecken ist stets gleich der um 2 vermehrten Anzahl aller Kanten; d. i. S + e = k + 2, wo S, e, k bezüglich die Anzahl aller Seiten, Ecken u. Kanten bezeichnet. Weil Euler diesen Satz zuerst entdeckt hat, so nennt man auch die P., für welche er gilt, Eulersche P. Das Parallelepipedon z.B. hat 6 Seiten, 8 Ecken u. 12 Kanten u. es ist 6 + 8 = 12 + 2. Es ist mithin in jedem P. durch je 2 von diesen Stücken das 3. bestimmt. Aus vorstehendem Satze ergeben sich eine Menge interessanter Folgerungen, bei denen, weil S u. e gleichmäßig darin vorkommen, der unter Vieleck angedeutete Dualismus eintritt, den Gergonne hier zuerst hervorgehoben. Hier mögen einige derselben folgen, wo unter P. der Kürze halber stets ein Eulersches verstanden werden soll. In keinem P. kann die um 6 vermehrte Kantenzahl größer als die dreifache Seiten- (Ecken-) zahl sein; in keinem P. kann die Zahl der Seiten (Ecken) kleiner als 4 sein; es gibt kein P., worin die um 4 vermehrte Seitenzahl (Eckenzahl) größer als die doppelte Eckenzahl (Seitenzahl) wäre. Bestimmung des Inhalts od. Volumens der P. Jedes Eulersche P. läßt sich in so viel Pyramiden zerlegen, als das P. Seiten hat, welche innerhalb desselben eine gemeinschaftliche Spitze u. einzeln die Polyederseinen zu Grundflächen haben. Man braucht also nur die Volumina der einzelnen Pyramiden zu berechnen u. die Summe dieser Inhalte zu nehmen. Auch kann man in einzelnen Fällen mit Vortheil eine Ecke des P. zur gemeinschaftlichen Spitze der Pyramiden nehmen. Üeber die Verwandtschaften der P. vgl. Verwandtschaft u. Symmetrie. II. Von den einer Kugel um- u. eingeschriebenen u. den regulären u. halbregulären P-n. Ein P., dessen Ecken od. Seiten sämmtlich die Oberfläche einer Kugel berühren, heißt bezüglich der Kugel ein- od. umgeschrieben. Bei den umschriebenen P. ist noch zu unterscheiden, ob die Kugel innerhalb od. außerhalb des P-s liegt, dessen Seiten sie berührt. Die Kugeln der letzteren Art nennt Förstemann angeschriebene Kugeln. So läßt sich jedem Tetraeder eine Kugel einschreiben, während es außerdem noch 4 angeschriebene Kugeln für dasselbe gibt. Um das Tetraeder aber läßt sich nur eine Kugel beschreiben. Regulär wird ein P. dann genannt, wenn alle Seiten desselben congruente reguläre Vielecke (s.d.) sind u. alle Flächenwinkel u. Körperwinkel einander gleich sind. Daraus folgt sogleich, daß alle Kanten einander gleich u. congruent, mithin gleichvielkantig sein müssen. Da in einer körperlichen Ecke mindestens 3 Flächen zu. sammenstoßen, 3 ebene Winkel eines regelmäßigen Sechseckes aber schon zusammen 360° betragen, also keine Ecke bilden, so kann ein reguläres P. nur von Drei-, Vier- od. Fünfecken begrenzt sein. Da ferner die Kantenwintel jeder concaven Ecke zusammen stets weniger als 4 rechte Winkel betragen, so können von den genannten regulären Vielecken nur so viele zur Bildung einer Ecke zusammengestellt werden, als die genannte Bedingung zuläßt Demnach sind 5 reguläre P. möglich: das vierseitige Viereck (Tetraeder), das achtseitige Sechseck (Oktaeder), das zwanzigseitige Zwölfeck (Ikosaeder), das sechsseitige Achteck (Hexaeder, Würfel, Kubus) u. das zwölfseitige Zwanzigeck (Dodekaeder). Die Anzahl ihrer Kanten ergibt sich für jedes derselben aus obigem Satz von Euler. Die 5 regulären P. werden auch oft die Pythagoreischen od. die Platonischen Körper genannt. Die beschränkte Zahl dieser Körper gab schon im Alterthume zu vielerlei Betrachtungen u. Vergleichungen Veranlassung. Die Pythagoreer vergleichen das Tetraeder mit dem Feuer, den Würfel mit der Erde, das Ikosaeder mit dem Wasser u. das Dodekaeder mit dem Weltall. Auch in der Geschichte der Astronomie kommen sie vor, indem Kepler Anfangs sie zur Auffindung der Gesetze der Planetenentfernungen benutzen wollte. Jedem regulären P. läßt sich sowohl eine Kugel ein- als umschreiben, es ist also centrisch nach den Ecken u. Seiten zugleich (vgl. Vieleck). Die Mittelpunkte beider Kugeln fallen bei jedem derselben mit dem Schwerpunkt des ganzen Körpers sowie seiner Oberfläche zusammen. Bezeichnet in jedem regulären P. α den Polygonwinkel u. m die Kantenzahl der Polyederseite; β die Größe jedes Flächenwinkels u. m die Anzahl der in einer Ecke zusammenstoßenden Kanten; S eine Polyederseite u. p die Anzahl der Polyederseiten; F die Oberfläche u. V das Volumen, endlich k eine Kante u. r u. R den Halbmesser der ein- u. umgeschriebenen Kugel des P-s; so hat man folgende Hauptgleichunchungen für die 5 Platonischen Körper.[316]
Die unentwickelten u. die entwickelten Werthe für die einzelnen regulären P. sind:
Archimedische Körper nennt man solche, welche von regulären Figuren zweier- od. dreierlei Art eingeschlossen werden, mit der Bedingung, daß alle ihre Ecken congruent u. symmetrisch sind. Diese Eintheilung ist ziemlich willkürlich. P., welche von lauter congruenten begrenzt sind, werden oft halbreguläre P. genannt. Dahin gehörte demnach das Rhomboeder, welches ein von lauter Rhomben begrenztes Parallelepipedon ist; das Rhomboidaldodchaeder, ein von 12 gleichen Rhomben begrenzter Körper mit 4 dreikantigen u. 6 vierkantigen Ecken, der aus dem Würfel erhalten wird, wenn man durch die Halbirungspunkte von je 4 Kanten desselben, welche von den Endpunkten einer u. derselben fünften Kante auslaufen, eine Ebene legt. Den oben durch die Formel S + e = k + 2 aufgestellten Lehrsatz, den wichtigsten der ganzen Polyedrometrie, machte zuerst Euler in Elementa doctrinae solidorum ohne Beweis bekannt, veröffentlichte aber später in demselben Bande der Petersburger Denkschriften auch einen Beweis. Außerdem gibt es Beweise desselben von Legendre, Cauchy, Grunert, Steiner u. C. F. A. Jacobi. L'Hulier machte auf manche Beschränkungen dabei aufmerksam. Über die regulären Körper gibt es aus dem Alterthume die Elemente Euklids. In der neuesten Zeit findet man diesen Gegenstand in den Lehrbüchern der Stereometrie fast ganz vernachlässigt, obgleich in der Krystallographie so vielfache Anwendungen davon vorkommen. Vgl. von Sharp, A concise treatise of Polyedra, Lond. 1718; Meister, De solidis geometricis, Gött.; Kästner, De polyedris data lege irregularibus, Gött.; Kästner, De sectionibus solidorum crystallorum structuram illustrantibus, ebd.
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