Reichshofrat

[737] Reichshofrat (Concilium imperiale aulicum), im alten Deutschen Reiche das oberste Gericht des Kaisers für seine Gerichtsbarkeit im Reiche; derselbe war ausschließlich zuständig für Reichslehnsachen und (herkömmlich) für Kriminalsachen der Reichsunmittelbaren; außerdem hatte er konkurrierende Gerichtsbarkeit mit dem Reichskammergericht für die Klagen der Reichsunmittelbaren, ferner in der höhern Instanz und rücksichtlich der Aussicht über die Handhabung der Territorialjustiz. Kaiser Maximilian I. errichtete 1497 ein Hofratskollegium für das Reich und die Erblande; Kaiser Ferdinand I. entzog demselben infolge zahlreicher Beschwerden die erbländischen Sachen, und seitdem erscheint er nur als R. Die erste Reichshofratsordnung ist die des Kaisers Ferdinand I. von 1559; eine neue gab Ferdinand III. 1654. Der R., der seinen Sitz in Wien hatte, war hiernach zusammengesetzt aus dem Reichshofratspräsidenten, den der Reichshofvizekanzler und zuweilen ein Reichshosratsvizepräsident ersetzte, und 18 Reichshofräten, die, wenn sie Grafen oder Reichsfreiherren waren, auf der Herrenbank, sonst aber auf der Gelehrtenbank saßen, und von denen sechs protestantischer Konfession sein sollten. Sie alle wurden vom Kaiser ernannt, während die Kanzlei (Reichshofkanzlei) von Kurmainz besetzt wurde; die Rechtsanwälte am R. (Reichshofrats- oder Reichsagenten) ernannte der Reichshofratspräsident, den Reichsfiskal (s. d.) dagegen der Kaiser selbst. Bei dem Tode des Kaisers löste sich der R. auf, um vom folgenden Kaiser aufs neue kreïert zu werden. In der Zwischenzeit fungierten Vikariatshofgerichte. Mit der Auflösung des Deutschen Reiches 1806 nahm auch der R. sein Ende. Vgl. Herchenhahn, Geschichte der Entstehung etc. des kaiserlichen Reichshofrats (Mannh. 1791–93, 3 Tle.); Rosenthal, Die Behördenorganisation Kaiser Ferdinands I. (Wien 1887).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 737.
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