[812] Reproduktion (lat., »Wiederhervorbringung«) heißt in der Psychologie der Vorgang der Wiederholung früher bereits vorhandener Vorstellungen im Bewußtsein, wobei freilich die reproduzierte Vorstellung (das »Erinnerungsbild«) der frühern niemals völlig gleich, sondern immer nur mehr oder minder ähnlich ist, indem der Grad der Lebhaftigkeit meist vermindert, der Inhalt ärmer und schwankend, also mehr oder weniger unbestimmt ist. Physiologisch ist die R. bedingt durch den Wiedereintritt desselben Erregungszustandes im Gehirn, der bei dem erstmaligen (durch sinnliche Eindrücke verursachten) Auftreten der betreffenden Vorstellung vorhanden war, und der Unterschied zwischen einer Wahrnehmung und einer reproduzierten Vorstellung besteht nur darin, daß bei jener der Erregungszustand des Zentralorgans peripherisch, bei dieser zentral verursacht worden ist. Die allgemeine Anlage zur R. heißt Gedächtnis (s. d.), im besondern Falle muß aber, um die R. einer bestimmten Vorstellung zu veranlassen, noch eine spezielle Ursache wirksam sein, und diese liegt, wie die Erfahrung lehrt, immer in einer andern, vorher vorhandenen Vorstellung (der reproduzierenden), mit der die neue durch »Ideenassoziation« (s. d.) verbunden ist. Endlich übt auch die Richtung der Aufmerksamkeit (s. d.) einen Einfluß auf die R. aus. Daß die R. Zeit erfordert, haben die Versuche von Wundt u. a. bewiesen. Ein verwickeltes Problem bildet die Frage nach den Umständen, von denen der Grad der Übereinstimmung der ursprünglichen und der reproduzierten Vorstellung abhängt. Im allgemeinen werden Gesichtsvorstellungen am besten, dagegen Eindrücke des Gefühls-, Geruchs- und Geschmackssinnes fast gar nicht reproduziert, und bei den erstern ist die Art der R. (ob farbig oder farblos, mit genauen Konturen oder verschwommenen etc.) individuell verschieden. Bei Tönen wird die R. durch Bewegungen des Stimmorgans unterstützt. Genauere experimentelle Untersuchungen sind über die R. einfacher Sinneseindrücke und diejenige räumlicher und zeitlicher Verhältnisse ausgeführt worden. Es hat sich ergeben, daß (besonders bei Sinneseindrücken) nach ca. 2 Sekunden die R. am vollkommensten ist und von da ab erst rascher, dann langsamer ungenau wird, bis schließlich ein unveränderlicher Wert der Reproduktionsfähigkeit, der die Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses mißt, erreicht wird. Dazwischen zeigen sich periodische Ab- und Zunahmen, die wahrscheinlich mit den Schwankungen der Aufmerksamkeit zusammenhängen. Unter R. der Pflanzen und Tiere versteht man gewöhnlich die geschlechtliche oder ungeschlechtliche Fortpflanzung und Vermehrung derselben (s. Fortpflanzung und Verjüngung). Über R. der Organe oder sonstiger verlorner Körperteile s. Regeneration. Mit R. bezeichnet man auch die Vervielfältigung einer Schrift, eines Bildes etc. durch Lithographie, Holzschnitt oder auf photomechanischem Wege, wie Autotypie, Photolitho- und Zinkographie etc. Über die rechtlichen Verhältnisse solcher Reproduktionen s. Urheberrecht.