Sonnenuhr

[609] Sonnenuhr, eine Vorrichtung, welche die Zeit angibt mittels der Lage des Schattens, den ein von der Sonne beschienener, zur Weltachse paralleler Stab (Gnomon oder Weiser) auf eine in der Regel ebene Fläche, das Zifferblatt, wirft. Die einfachste S. ist die Äquinoktialuhr. Bei ihr ist die Ebene, auf die der Schatten fällt, senkrecht zum Stab, also parallel zur Ebene des Äquators, und da die Sonne bei ihrer scheinbaren täglichen Bewegung sich parallel zu dieser Ebene bewegt, so rückt der Schatten um ebensoviel Grade auf der Ebene weiter als die Sonne am Himmel; es entspricht einer jeden Stunde ein Winkel von 15°. Man erhält das Zifferblatt in dieser Ebene, indem man um den Punkt, in dem der Stab befestigt ist, einen Kreis schlägt und von der Meridianlinie, der Richtung des Schattens im Mittag, Winkel von je 15° nach beiden Seiten abträgt. Bei der Horizontaluhr liegt das Zifferblatt horizontal; die Stundenlinie 12 Uhr liegt auch hier in der Ebene des Meridians, aber die Winkel, welche die übrigen Stundenlinien mit dieser ersten einschließen, sind nicht der Zeit proportional, sondern wenn t diesen Winkel für die Äquinoktialuhr bedeutet (also t = 15° für 1 Uhr, 30° für 2 Uhr), so findet man für die geographische Breite φ den entsprechenden Winkel u der Horizontaluhr mittels der Gleichung tgu = sinφ.tgt. Die Vertikaluhr hat ihr Zifferblatt in einer vertikalen Ebene, die im einfachsten Fall von O. nach W. geht (Mittags- oder Mitternachtsuhr); die Stundenlinie 12 Uhr liegt in der Ebene des Meridians, und den Winkel u, den irgend eine andre Stundenlinie mit den mittägigen einschließt, berechnet man aus dem entsprechenden Winkel t der Äquinoktialuhr mittels der Formel tgu = cosφ.tgt. Bei den Morgen- und Abenduhren geht die vertikale Ebene von Süden nach Norden. Äquinoktial- und Horizontaluhren geben alle Stunden an, solange die Sonne scheint; bei den erstern fällt der Schatten im Sommerhalbjahr auf die obere, im Winterhalbjahr auf die untere Seite des Zifferblattes, weshalb auch der Stab nach beiden Seiten hin gehen muß. Die Mittagsuhr gibt nur im Winterhalbjahr alle Stunden des Tages an, im Sommerhalbjahr[609] höchstens die Zeit von früh 6 bis abends 6 Uhr. Die Mitternachtsuhr zeigt im Sommerhalbjahr die ersten Morgen- und die letzten Abendstunden, im Winterhalbjahr gar keine Stunden. Eine Morgenuhr zeigt nur die Vormittags-, eine Abenduhr nur die Nachmittagsstunden. Die Sonnenuhren geben die wahre Sonnenzeit (s. d.) an, durch Hinzufügung der Zeitgleichung erhält man die mittlere Ortszeit. Bei den hemisphärischen Sonnenuhren zeigt ein schattenwerfendes Fadenkreuz das ganze Jahr hindurch die Sonnenzeit auf der in einer halben Hohlkugel angebrachten Teilung an. Vgl. Littrow, Gnomonik (2. Aufl., Wien 1838); Mollet, Gnomonique graphique (7. Aufl., Par. 1884); Sonndorfer, Theorie und Konstruktion der Sonnenuhren (Wien 1864); Löschner, Über Sonnenuhren (2. Aufl., Graz 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 609-610.
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