Himmel [1]

[343] Himmel (Himmelsgewölbe, Himmelskugel, Firmament), die scheinbare Kugel, in deren Mittelpunkt O (s. Figur, S. 344) ein Beobachter zu stehen glaubt, und auf deren innerer Seite er die Sterne erblickt. Durch die horizontale Ebene ONT1S wird dieselbe in zwei Hälften, eine obere sichtbare und eine untere unsichtbare, geteilt; der Durchschnitt dieser Ebene mit der Himmelskugel, ein größter Kreis, heißt der Horizont des Beobachters. Wir denken uns in umstehender Figur, in welcher der Horizont durch ST1N dargestellt wird, die horizontale Ebene rechtwinklig zur Papierebene stehend. Eine im Standpunkt O des Beobachters errichtete vertikale Gerade trifft die Himmelskugel[343] in zwei diametral entgegengesetzten Punkten, der sichtbare, über dem Kopf des Beobachters gelegene Z heißt das Zenit oder der Scheitelpunkt, der unter den Füßen des Beobachters auf der untern Halbkugel gelegene Z1 der Nadir oder der Fußpunkt. Jeder Kreis auf der Himmelskugel, der durch diese beiden Punkte geht, wird ein Höhenkreis oder Vertikalkreis genannt, und das Stück TT1 = h eines solchen, das zwischen dem Horizont und dem Stern T liegt, ist die Höhe des Sternes, während der Bogen TZ = z des Höhenkreises zwischen dem Stern T und dem Zenit die Zenitdistanz des Sternes heißt. Beide ergänzen sich zu 90°. Gemessen wird die Höhe durch den Winkel T1OT, den die nach dem Stern gerichtete Visierlinie OT mit der horizontalen Ebene einschließt, die Zenitdistanz aber durch den Winkel zwischen der Visierlinie und der Vertikalen. Legt man durch einen Stern T einen Kreis am H. parallel zum Horizont, dessen Punkte also alle dieselbe Höhe haben wie RT, so heißt dieser ein Almukantharat.

Scheinbare Himmelskugel mit den Kreisen zur Bestimmung des Ortes eines Sternes.
Scheinbare Himmelskugel mit den Kreisen zur Bestimmung des Ortes eines Sternes.

Bei Beobachtung des gestirnten Himmels sieht man alle Sterne eine Bewegung in der Richtung von O. nach W. machen, und die gleiche Erscheinung zeigen auch Mond und Sonne. Eine genauere Betrachtung zeigt, daß alle Gestirne bei dieser Bewegung kreisförmige Bahnen beschreiben, und daß scheinbar der ganze H. sich in Zeit von 24 Stunden um eine feste Gerade dreht, die durch den Standpunkt des Beobachters geht. Diese (nur gedachte) gerade Linie heißt die Weltachse oder Himmelsachse, und die beiden Punkte, in denen sie das Himmelsgewölbe trifft, werden die Pole des Himmels oder die Weltpole genannt. Der eine dieser Pole, den wir auf der nördlichen Himmelskugel sehen, und in dessen Nähe ein hellerer Stern des Kleinen Bären, der Polarstern, steht, ist der Nordpol (P in der Figur); der auf der uns unsichtbaren Himmelskugel gelegene heißt der Südpol P1. Der durch Zenit und Nadir sowie durch die beiden Pole gelegte Höhenkreis, der unsre Figur begrenzt, ist der Meridian oder Mittagskreis des Beobachtungsortes. Er schneidet den Horizont in zwei Punkten, von denen der unterhalb des Poles P gelegene N der Nordpunkt, der diametral entgegengesetzte S der Südpunkt heißt. Durch diese beiden Punkte sind die beiden Haupthimmelsgegenden, N. und S., bestimmt. Teilt man jeden der beiden Halbkreise, in welche die gerade Linie NS, die sogen. Mittagslinie, den Horizont teilt, wieder in zwei gleiche Teile, so erhält man den Ostpunkt W1 und den Westpunkt W. Der erstere liegt für einen Beobachter, der das Gesicht nach S. kehrt, zur linken, der letztere zur rechten Hand. Die Lage der Weltachse gegen den Horizont wird bestimmt durch ihren Neigungswinkel NOP oder den Kreisbogen NP zwischen Nordpunkt und Pol, der die Polhöhe heißt.

Der Ort eines Sternes am scheinbaren Himmelsgewölbe ist bekannt, wenn man seine Höhe T1T = h und den Winkel kennt, den der Höhenkreis durch T mit dem Meridian einschließt, das Azimut des Sternes. In der Astronomie rechnet man dasselbe von der Südseite, in der Nautik aber von der Nordseite des Meridians aus in der Richtung der scheinbaren Sonnenbewegung von 0 bis 360°. Es wird gemessen durch den Bogen des Horizonts, der zwischen Meridian und Höhenkreis liegt; es ist also in unsrer Figur ST1, entsprechend dem Winkel SOT1, das Azimut des Sternes T im astronomischen Sinne. Azimut und Höhe sind die Horizontalkoordinaten des Sternes; zu ihrer Messung dient ein Instrument, das die Namen Höhen- und Azimutalkreis oder Altazimut (s. d.), auch Universalinstrument führt. Höhe und Azimut sind beständig veränderlich, denn wie bereits erwähnt, beschreibt jeder Stern im Laufe von 24 Stunden einen Kreis. Alle diese Kreise haben ihre Mittelpunkte auf der Weltachse, und ihre Ebenen stehen senkrecht zu dieser; wir nennen sie Parallelkreise. Jeder Parallelkreis hat seinen höchsten Punkt auf der vom Pol aus nach S. liegenden Seite des Meridians und seinen tiefsten auf der entgegengesetzten Seite. Diese beiden Punkte nennt man die Kulminationspunkte des Sternes, sein Durchgang durch einen derselben heißt seine Kulmination; man sagt von ihm, er kulminiere, und zwar nennt man die Kulmination eine obere, wenn der Stern die Meridianhälfte, die durch den Zenit geht, also den Halbkreis PZSP1 passiert, eine untere, wenn er die andre Meridianhälfte, PNZ1P1, passiert.

Man bemerkt nun leicht einen Unterschied zwischen den Sternen: manche sind uns auch in ihrer untern Kulmination sichtbar, andre nicht. Bei den erstern liegt also der ganze von ihnen beschriebene Parallelkreis oberhalb des Horizonts, sie sind jahraus jahrein in jeder sternenhellen Nacht sichtbar. Solche Sterne heißen Zirkumpolarsterne; zu ihnen gehören z. B. für Beobachter im mittlern Europa die Sterne des Großen und des Kleinen Bären. Bei andern dagegen fällt die untere Kulmination unter den Horizont; sie steigen daher an einem Punkt am östlichen H. über den Horizont empor und gehen an einem Punkt im W. unter denselben hinab, sie gehen auf und unter. Bei diesen Sternen zerfällt der ganze Parallelkreis in einen über dem Horizont gelegenen Teil, den Tagbogen, und in einen für uns unsichtbaren Teil, den Nachtbogen, der unterhalb des Horizonts liegt. Die beiden Punkte V1 und V, in denen der Parallelkreis BTB1 den Horizont schneidet, fallen im allgemeinen nicht mit Ost- und Westpunkt zusammen, sondern liegen entweder beide nördlich oder beide südlich von diesen Punkten; ihre Abstände W1V1 und WV von ihnen, gemessen auf dem Horizont, heißen Morgen und Abendweite. Der größte unter allen Parallelkreisen, W1AWA1 in der Figur, steht um 90° von den Polen ab, teilt die Himmelskugel in zwei gleiche Teile und heißt Himmelsäquator; er schneidet den [344] Horizont im Ost- und Westpunkt und wird von ihm halbiert, so daß der Tagbogen W1AW ebenso groß ist wie der Nachtbogen. Der Winkel SOA, den der Äquator mit der Südseite des Horizonts einschließt, heißt die Äquatorhöhe und wird durch den Meridianbogen SA gemessen; er ergänzt die Polhöhe zu 90°.

Ein durch den Stern T und die beiden Pole P und P1 gelegter Kreis heißt ein Deklinationskreis, und der Bogen desselben zwischen Äquator und Stern UT = δ, ist die Deklination (Abweichung) des Sternes T; sie wird vom Äquator nach S. und N. von 0 bis 90° und zwar positiv nach N., negativ nach S. gerechnet. Der Bogen zwischen Stern und Pol, TP = 90°-δ, heißt die Poldistanz (Polardistanz) des Sternes. Die Deklination ist bei den Fixsternen nur sehr langsamen Veränderungen unterworfen, so daß man sie in bezug auf die tägliche Bewegung des Sternhimmels als konstant betrachten kann. Der Winkel, den die Ebene des Deklinationskreises mit der Südseite des Meridians einschließt, gemessen durch den Winkel AOU in der Figur oder den Äquatorbogen AU, heißt der Stundenwinkel des Sternes T. Er wird von S. über W., N. und O. von 0 bis 360° gezählt. Bei der gleichförmigen Rotation der Himmelskugel nimmt der Stundenwinkel auch gleichförmig zu, und zwar in der Stunde um 15°, in der Minute um 15´ etc., weshalb man ihn auch oft in Stunden, Minuten und Zeitsekunden angibt. Statt des mit der Zeit veränderlichen Stundenwinkels gibt man neben der Deklination noch ein andres, gleichfalls nahezu konstantes Bestimmungsstück für einen beliebigen Stern an. Zu dem Zweck nimmt man auf dem Äquator einen festen Punkt, den Frühlingspunkt Bild im Fließtext an, dessen Bedeutung wir gleich kennen lernen werden, und nennt nun den Äquatorbogen Bild im FließtextU = α vom Frühlingspunkt aus der Rotationsrichtung des Himmels entgegen von 0 bis 360° (oder auch von 0 bis 24 Stunden) gezählt bis zum Deklinationskreis des Sternes T, die Rektaszension (Geradaufsteigung) dieses Sternes. Rektaszension und Deklination bilden die Äquatorialkoordinaten des Sternes; zu ihrer direkten Bestimmung dient das Äquatorial (s. d.), doch wird größere Genauigkeit durch Beobachtungen im Meridian erreicht; vgl. Meridiankreis und Passageinstrument.

An der täglichen Bewegung des Himmels nimmt auch die Sonne teil; dieselbe besitzt aber zugleich auch eine eigne Bewegung unter den Fixsternen. Denn während ein Fixstern jahraus jahrein denselben Parallelkreis beschreibt, also auch an einem bestimmten Beobachtungsort immer an denselben Stellen des Horizonts auf- und untergeht und immer in derselben Höhe kulminiert, ist dies bei der Sonne anders: während der einen Jahreshälfte (vom 22. Dez. bis 22. Juni) rückt ihr Parallelkreis immer näher nach dem Nordpol hin, infolge davon wird für die Bewohner der nördlichen Erdhalbkugel der Tagbogen immer größer und größer, und die Höhe im Meridian wird ebenfalls größer, die Tage nehmen zu; während der andern Jahreshälfte dagegen rückt die Sonne von N. nach S. hin, der Tagbogen und die Kulminationshöhen sowie die Tageslängen nehmen ab. Eine genauere Untersuchung lehrt, daß die Sonne am längsten Tag etwa 231/2° nördlich, am kürzesten Tag aber um ebensoviel südlich vom Äquator des Himmels steht. Ferner verstreicht zwischen zwei aufeinander folgenden Durchdrängen eines Fixsternes durch den Meridian immer und bei allen Fixsternen derselbe Zeitraum, der ungefähr 4 Minuten weniger beträgt als 24 Stunden der im bürgerlichen Leben üblichen Zeit; die Zwischenzeit zwischen zwei Kulminationen der Sonne ist dagegen größer, durchschnittlich 24 Stunden bürgerlicher Zeit. Wir schließen daraus, daß die Sonne sich unter den Fixsternen in der Richtung von W. über S. nach O. bewegt, und wenn man nun beide Bewegungen kombiniert, so findet man, daß die Sonne im Lauf eines Jahres einen größten Kreis am H. beschreibt, der den Äquator in zwei Punkten schneidet. In dem einen dieser Punkte, dem oben erwähnten Frühlingspunkt Bild im Fließtext, steht die Sonne im Frühlingsanfang; der diametral gegenüberliegende, in dem die Sonne zu Herbstes Anfang steht, ist der Herbstpunkt. Den Kreis, den die Sonne in einem Jahre zurücklegt, nennt man den Tierkreis oder die Ekliptik (s. d.); derselbe schließt mit dem Äquator einen Winkel von ungefähr 231/2° ein, den man als die Schiefe der Ekliptikbezeichnet. Eine durch den Mittelpunkt der Himmelskugel gedachte Gerade, die senkrecht zur Ebene der Ekliptik steht, schneidet den Fixsternhimmel in zwei von den Weltpolen um 231/2° abstehenden Punkten, die man die Pole der Ekliptik nennt; der nördliche derselben fällt in das Sternbild des Drachen (Rektaszension 270°, Deklination +661/2°). Der durch die beiden Pole der Ekliptik und einen Stern gelegte Kreis heißt der Breitenkreis dieses Sternes, und Breite des Sternes ist der Bogen desselben zwischen der Ekliptik und dem Stern. Dieselbe wird von der Ekliptik aus sowohl nach N. als auch nach S. von 0–90° gezählt. Der Bogen der Ekliptik zwischen dem Frühlingspunkt und dem Breitenkreis, in der Richtung von W. über S. nach O. etc. von 0 bis 360° gezählt, heißt die Länge des Sternes. Länge und Breite bilden die Ekliptikal-Koordinaten der Sterne; sie sind ebenfalls, von ganz langsamen Veränderungen abgesehen, bei jedem Fixstern feste Größen. Gegenwärtig werden dieselben nicht mehr direkt beobachtet, die Astronomen des Altertums aber hatten zu diesem Zwecke besondere Instrumente, das Astrolabium (s. d.) und die Armillarsphäre (s. d.).

Was wir das Himmelsgewölbe nennen, ist nur ein Schein; in Wahrheit sehen wir in den unendlichen Raum hinaus, in welchem wir nachts, wenn unser Auge nicht von dem Tageslicht geblendet wird, die Sterne erblicken. Da wir zunächst keinerlei Maßstab für die Entfernung derselben haben, so nehmen wir diese unwillkürlich als gleich groß an, denken uns also die Sterne auf der Innenseite einer Kugel. Wegen der ungeheuer großen Entfernung der Sterne erscheint uns unser jeweiliger Standort als Mittelpunkt dieser Kugel. Direkt messen können wir nun zunächst nur die Winkel zwischen den nach den verschiedenen Sternen hingehenden Radien dieser Kugel. Die horizontale Ebene ist nichts weiter als die unbegrenzt verlängerte Ebene, welche die Erde im Standpunkt des Beobachters berührt (vgl. Horizont). Die Drehung der Himmelskugel um die Weltachse ist ebenfalls nur scheinbar, hervorgerufen durch die Rotation der Erde um ihre Achse, die in gerade entgegengesetzter Richtung vor sich geht; die Weltachse selbst ist die gedachte Verlängerung der Erdachse, die Ebene des Himmelsäquators fällt mit der des Erdäquators zusammen. Endlich ist auch die jährliche Bewegung der Sonne am Fixsternhimmel nur scheinbar und nur ein Abbild des von der Erde in dieser Zeit um die Sonne, und zwar in der Ebene der Ekliptik vollführten Umlaufs. Dabei behält die Erdachse immer eine im Raum unveränderliche Richtung, beschreibt also im Lauf eines Jahres[345] eine um 661/2° gegen die Ekliptik geneigte Zylinderfläche; wegen der außerordentlich großen Entfernung der Fixsterne scheint aber diese Achse immer nach denselben Punkten des Himmels gerichtet (vgl. jedoch Präzession und Nutation).

Ganz kugelförmig erscheint übrigens der H. den meisten unbefangenen Beobachtern nicht, vielmehr halten wir das Zenit für näher als den Horizont; nach einer Berechnung von Smith (um die Mitte des 18. Jahrhunderts) verhält sich die scheinbare Höhe des Himmelsgewölbes zum Durchmesser des Horizonts wie 1: 3; nach neuern Messungen von Reim ann (1891) wie 3: 11; halbiert man nach dem Augenmaß einen vom Zenit bis zum Horizont reichenden Bogen, so fällt der Halbierungspunkt nicht in 45°, sondern in durchschnittlich 21° Höhe. Einen wesentlichen Einfluß übt der Grad der Bewölkung auf diese Bestimmung aus; bei völlig heiterm H. erscheint der Mittelpunkt des Himmelsgewölbes (221/2°) um etwa 2° höher als bei völlig bezogenem H. (201/2°), ein Unterschied, der sich auch bei den Beobachtungen in den verschiedenen Jahreszeiten geltend macht; im Frühling und Winter erscheint der H. flacher als im Sommer und Herbst. Außerdem wird auch ein entschiedener Einfluß durch die verschiedene Ansicht des Horizonts bewirkt. Ist dieser dunstig, so erscheint der horizontale Radius kleiner und der Mittelpunkt zwischen Zenit und Horizont höher, als wenn letzterer völlig klar ist. In der Nacht ergibt sich für die Höhe des Mittelpunktes ein größerer Wert als am Tag, und zwar in völlig klaren Nächten bei Mondschein 261/2° und ohne Mondschein 30° über dem Horizont, so daß der Nachthimmel in einer größern Wölbung erscheint als der am Tag. Aus den Entfernungen, in denen dunkle Gebirge eben noch am Horizont sichtbar sind, hat Reimann den horizontalen Radius des Himmelsgewölbes zu 60 km, den zenitalen Abstand zu 17 km ermittelt. Nach Reimann ist diese Erscheinung auf die durch die dichtern Schichten der Atmosphäre stärker als durch die dünnern ausgeführte Reflexion des Sonnenlichtes zurückzuführen, das Himmelsgewölbe erscheint uns in der Form, unter der uns die beleuchtete Atmosphäre sichtbar wird, von der das aus allen Richtungen in unser Auge fallende Licht reflektiert wird, und da in zenitaler Richtung die dünnern Atmosphärenschichten uns näher liegen als in horizontaler, so folgt daraus die gedrückte Gestalt des Himmelsgewölbes. Hiermit im Einklang steht auch die Erscheinung, daß uns Sonne und Mond sowie die Sternbilder am Horizont viel größer erscheinen als höher am H.; wir projizieren dieselben direkt auf das scheinbare Himmelsgewölbe, infolgedessen erscheinen sie im Horizont entfernter zu sein, da aber ihre Winkelgröße dieselbe ist, wie im Zenit, so müssen sie uns größer erscheinen. Vgl. Reimann, Die scheinbare Vergrößerung der Sonne und des Mondes am Horizont (Leipz. 1902).

Die blaue Farbe des Himmels (Himmelsbläue) hat man auf verschiedene Weise zu erklären versucht. Nach Tyndall ist das langsame Entstehen und Vergehen unsichtbarer Wolkenkeime die wahre Ursache. Wenn sich nämlich Wolken zu bilden anfangen, so reflektieren die feinsten Wasserbläschen zunächst die blauen Lichtwellen als die kürzesten im Sonnenspektrum, und erst mit wachsender Vergrößerung der Wasserbläschen werden auch längere Lichtwellen reflektiert, und das Blau geht allmählich in Weiß über. Nach Nichols dagegen liegt die Ursache darin, daß die Netzhaut unsers Auges für die Empfindung der roten, grünen und violetten Strahlen besondere Lagen von Nervenzäpfchen besitzt. Die »violetten« Nerven sind nun für schwaches Licht sehr empfänglich, während die andern noch fast unempfindlich bleiben. Je intensiver aber das Licht wird, desto lebhafter wird die Empfindung des Rot und Grün, während die für die Empfindung des Violett dienenden Nerven unempfindlich werden. Im Sonnenlicht sind nun verschiedenfarbige Strahlen enthalten; sehen wir aber direkt in die Sonne, so erscheint sie uns gelb als Mischfarbe aus dem Rot und Grün, das wir wahrnehmen, während das Auge für das Violett unempfindlich bleibt. In dem schwachen, von den Luftteilchen reflektierten Licht aber kommen umgekehrt nur die blauen und violetten Strahlen zur Wahrnehmung. Chapuis und Hartley dagegen suchen die blaue Farbe des Himmels vom Ozongehalt der Luft abzuleiten. Stark ozonisierter Sauerstoff absorbiert die ultravioletten Strahlen und fluoresziert stark stahlblau. Das Himmelsblau würde demnach teils beim Durchgang der Lichtstrahlen durch das blaue Ozon, teils durch Fluoreszenz des Sauerstoffes und des Ozons entstehen ‚‚ Über Rayleighs Theorie s. Atmosphäre, S. 52. Über Himmelsbedeckung s. Bewölkung.

Für die religiöse Betrachtung hat sich infolge der Anbetung der Gestirne an das Work H. dauernd der Begriff der göttlichen Wohnung, des Aufenthalts der Seligen im Gegensatz zur Erde, geknüpft, als der Sphäre der Endlichkeit und der Wohnstätte von Schmerz und Sünde. Während die jüdischen Religionsphilosophen in Alexandria den alttestamentlichen Begriff des Himmels als der Wohnung oder des Thrones Gottes (Jes. 66,1; Apostelgesch. 7,49) geradezu mit der Platonischen Idealwelt (kosmos noëtos) identifizierten, in welchem Sinn auch der Hebräerbrief und das Johannes-Evangelium das »Himmlische« oder »Wahrhaftige« dem Irdischen als unwesenhaftem Scheindasein gegenüberstellen, hat die palästinische Theologie, bei der altherkömmlichen Vorstellung vom H. als einer glockenförmig über die Erde gestellten Wölbung beharrend, die Vorstellung von sieben Himmeln ausgebildet, die auch Paulus voraussetzt (2. Kor. 12,2. 4). Eine übersichtliche Vorstellung von der himmlischen Geographie, wie sie das Mittelalter auf Grund dieser jüdisch-christlichen Ansichten ausbaute, gibt Dantes »Paradies« mit seinen zehn Himmelskreisen, deren letzter und höchster das sogen. Empyreum (s. d.) ist. Im Grundsatz zerstört wurde diese ganze Weltanschauung durch das kopernikanische System und durch den im Gefolge seiner weitern Ausbildung sich einstellenden Begriff des unendlichen Himmelsraums. Für die wissenschaftliche Theologie ist das Wort wieder zum Symbol der religiösen Ideen der Vollendung, des absolut normalen Seins, teilweise auch der Vorsehung geworden, während Feuerbach darin »das offene Herz der Menschheit«, das phantastische Produkt ihrer teils liebenswürdigen, teils selbstsüchtigen Wünsche bezüglich des Jenseits erblickte.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 343-346.
Lizenz:
Faksimiles:
343 | 344 | 345 | 346
Kategorien:

Buchempfehlung

Wette, Adelheid

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

1858 in Siegburg geboren, schreibt Adelheit Wette 1890 zum Vergnügen das Märchenspiel »Hänsel und Gretel«. Daraus entsteht die Idee, ihr Bruder, der Komponist Engelbert Humperdinck, könne einige Textstellen zu einem Singspiel für Wettes Töchter vertonen. Stattdessen entsteht eine ganze Oper, die am 23. Dezember 1893 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon