Graz

[258] Graz (hierzu der Stadtplan, mit Registerblatt), Hauptstadt von Steiermark, liegt malerisch in der von Bergen umkränzten Ebene des Grazer Feldes, 352 m ü. M., zu beiden Seiten der Mur, an der Linie Wien-Triest der Südbahn, G.-Fehring der Staatsbahnen und an der G.-Köflacher Bahn.

Wappen von Graz.
Wappen von Graz.

Die Stadt umfaßt eine Fläche von 21,58 qkm und zerfällt in sechs Stadtteile (innere Stadt, St.-Leonhard, Geidorf, Lend, Gries und Jakomini). Die innere Stadt liegt am linken Ufer der Mur um den Südfuß des Schloßberges (475 m), zu dem eine Drahtseilbahn emporführt, mit Resten der Befestigungswerke aus dem 15. Jahrh. (Uhrturm, Glockenturm), schönen Parkanlagen, einem Denkmal des Schöpfers der Anlagen, Feldzeugmeisters v. Welden (von H. Gasser, 1859), und reizender Aussicht. Mit dem Schloßberg steht der schöne, 23 Hektar große Stadtpark in Verbindung, der den Franz-Josephbrunnen, die Denkmäler Josephs II., Schillers (von H. Gasser), Anastasius Grüns und Robert Hamerlings (beide von Kundmann) sowie die Bronzefigur »die Waldlilie« (von Brandstetter, nach Roseggers Dichtung) enthält. Unter den Straßen und Plätzen sind die bedeutendsten die Herrengasse, die an die Stelle der alten Basteien getretenen Straßenanlagen, wie der Burg-, Karl Ludwig- und Joanneumring, die Murkais, die Elisabethstraße, Annen- und Keplerstraße, der Hauptplatz mit dem Denkmal des Erzherzogs Johann (von Pönninger, 1878), der Franzensplatz mit dem Standbild Kaiser Franz' I. (von Marchesi, 1841) und der Jakominiplatz mit einer Mariensäule. Über die Mur führen sieben Brücken, darunter die Franz-Karlbrücke (von 1891).

G. hat 23 katholische, eine evang. Kirche, 15 Klöster und eine neue Synagoge (von 1892). Hervorzuheben ist der spätgotische Dom St. Ägidi (von 1462), mit einem Wandgemälde von 1480 an der Außenseite und zwei Reliquienschreinen mit Elfenbeinreliefs (ital. Arbeiten des 16. Jahrh.); daneben befindet sich das Mausoleum Ferdinands II. (von 1615) mit reicher Fassade und den Sarkophagen der Eltern dieses Kaisers. Die 1875 restaurierte spätgotische Stadtpfarrkirche enthält eine Himmelfahrt (von Tintoretto). Ein schöner gotischer Bau aus dem 14. Jahrh. ist die Leechkirche; neuere Kirchengebäude gotischen Stils sind die 1863 vollendete Lazaristenkirche (nach Plänen von Schmidt) und die 1891 erbaute Herz-Jesukirche (von Hauberrisser) mit 110 m hohem Turm. Hervorragende weltliche Gebäude sind. die kaiserliche Burg aus dem 15. Jahrh., jetzt Sitz der Statthalterei; das Landhaus, im Renaissancestil 1569 erbaut, mit schönem Portal, Balkon und Arkadenhof mit Brunnen (von 1590); dabei das Landeszeughaus, 1644 erbaut, mit Waffensammlung; das Rathaus, 1893 von Wielemans und Reuter im deutschen Renaissancestil umgebaut; das Joanneum, 1811 vom Erzherzog Johann gegründet mit dem neuen Landesmuseums- und Bibliotheksgebäude (von Gunolt); das alte und das neue Universitätsgebäude (von Köchlin); die neue Technische Hochschule (von Wist); das Stadttheater (1899); das neue Justizgebäude (von Wielemans und Reuter) und das Postgebäude.

G. zählte 1900: 138,080 Einw., davon 5165 Mann Militär; der Nationalität nach überwiegend Deutsche (1430 Slowenen) und zwar Katholiken (3982 Evangelische und 1620 Juden). Wegen seiner schönen, gesunden Lage bildet G. den beliebten Wohnsitz pensionierter Offiziere und Beamten; zugleich aber ist die Stadt Sitz bedeutender Industrie sowie lebhaften Handelsverkehrs. Fabriken sind in G. und Umgebung vorhanden für Maschinen- und Brückenbau, Martinstahl, Schienen, Waggons, Automobile und Fahrräder, Eisenwaren, Glas, Kerzen und Seifen, Zündwaren, Mehl, Bier, Schaumwein, Spiritus, Tuch, Filz und Loden, Leder, Schuhwaren, Papier und Holzstoff, Tischlerwaren, Buch- und Steindruck u. a. Der Handel erstreckt sich besonders auf Wein, Getreide, Mehl und Vieh sowie auf die Spezialitäten von G., Zwieback und die fetten steirischen Kapaune. Zur Beförderung des Handels und der Gewerbe bestehen eine Handels- und Gewerbekammer, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, die steiermärkische Eskomptebank, die steiermärkische Sparkasse mit Pfandbriefanstalt, eine Gemeinde- und eine Bezirkssparkasse, eine Frucht- und Mehlbörse, die Arbeiterunfallversicherungsanstalt, eine wechselseitige Brandschadenversicherungsanstalt etc. Auch hat G. eine elektrische Zentralanstalt und elektrische Straßenbahn sowie eine Wasserleitung. An Wohltätigkeits- und Humanitätsanstalten bestehen: eine Landeskranken- und Gebäranstalt, eine Landesirrenanstalt (Feldhof), ein städtisches Krankenhaus, ein Bürgerspital, ein Kinderspital, ein Taubstummeninstitut u. a. Erwähnung verdienen ferner die Strafanstalt Karlau, der Zentralfriedhof und das städtische Schlachthaus. Von den zahlreichen Unterrichtsanstalten sind die wichtigsten: die Karl Franzens-Universität (1586 gestiftet) mit (1901) 161 Lehrern und 1652 Studierenden, neuen medizinischen und naturwissenschaftlichen Instituten sowie einer Bibliothek von 150,000 Bänden (Grundriß s. Tafel »Bibliotheksgebäude IV«, Fig. 6); die Technische Hochschule mit 51 Lehrern und 395 Studierenden; 3 Staats- und 2 Privatgymnasien, 2 Oberrealschulen, eine Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt, eine Handelsakademie, eine Staatsgewerbeschule, eine Zeichenakademie, ein Mädchenlyzeum etc. Außerdem sind vorhanden: das Landesmuseum (Joanneum) mit Bibliothek von 160,000 Bänden, Archiv, Münz- und Antikenkabinett, naturwissenschaftlichen Sammlungen, Gemäldegalerie, kunsthistorischem und Kunstgewerbemuseum, dann zwei Theater. G. ist Sitz der Statthalterei, des Landtags und des Landesausschusses, des Oberlandesgerichts und Landesgerichts, der Finanz-Landesdirektion, der Postdirektion, eines Revierbergamts, einer Polizeidirektion, einer Bezirkshauptmannschaft (Graz-Umgebung), des Gemeinde- und Stadtrats (für die autonome Verwaltung der Stadt), des 3. Korps- und Landwehrkommandos und des Fürstbischofs von Seckau. Schöne Punkte in der Umgebung sind die Anlagen am Hilmteich (mit der Hilmwarte); der Rosenberg und die Platte (651 m) mit der Stephaniewarte; der Rainerkogel; die Wallfahrtskirchen Maria-Grün und Maria-Trost; am rechten Murufer der Buchkogel (659 m), das Schloß Eggenberg mit Denkmal der Gräfin Herberstein von Canova in der Kapelle und Parkanlagen, dabei eine Kaltwasserheilanstalt; die [258] Ruine Gösting, vom Plabutsch (764 m) überragt, die Sommerfrische Judendorf mit der Wallfahrtskirche Straßengel; endlich in weiterer Entfernung südwestlich Tobelbad (s. d.), nordöstlich Radegund (s. d.) und der Schöckel (1446 m).

G. verdankt wahrscheinlich seinen Ursprung der »Hengistiburg« auf dem hohen Schloßberg, die als Vorort des Hengestgaues um 1053–55 genannt wird. Als Pfalz der Traungauer oder Markgrafen von Steier erscheint die mit »Bayern« besiedelte Stadt (d. h. Pairisch-Gräz, slowen. Gradec, »Burgstadt«, im Gegensatz zu Windisch-Gräz) urkundlich seit 1129. 1281 erteilte König Rudolf der Stadt bedeutende Privilegien. Seit Herzog Ernst dem Eisernen (gest. 1424) wurde G. der Regierungssitz der Habsburger von der altern steiermärkischen Linie und wiederholt auch Kaiser Friedrichs III. Unter Erzherzog Karl II. wurde das alte Schloß oder die Burg von G. zu einer für die damalige Zeit starken Festung umgestaltet. Von 1564–1618 war G. Residenz von ganz Innerösterreich, dessen Linie mit Ferdinand II. auf den österreichischen Kaiserthron gelangte. 1797 besetzten die Franzosen die Stadt, und Napoleon nahm hier für einige Zeit sein Hauptquartier. 1809 belagerten die Franzosen vergeblich den Schloßberg, den Major Hackher heldenmütig verteidigte, und der ihnen erst im Wiener Frieden übergeben wurde. In der ersten Hälfte des 19. Jahrh. nahm die Stadt ganz besonders durch die Fürsorge des Erzherzogs Johann großen Aufschwung; 1860 erlangte sie die Selbstverwaltung. Vgl. Schreiner, Statistisch-topographisches Gemälde von G. (Graz 1843); Ilwof und Peters, G., Geschichte und Topographie der Stadt etc. (das. 1875); Hofrichter, Rückblicke in die Vergangenheit von G. (das. 1885); Krones, Geschichte der Karl Franzens-Universität in G. (das. 1886); Gsell Fels, G. und seine Umgebung (3. Aufl., Münch. 1898); Gründorf, Grazer Tourist (2. Aufl., Graz 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 258-259.
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