[289] Sonnenuhr, jeder Apparat: welcher dazu dient aus dem Stande der Sonne, resp. aus der veränderlichen Lage des Schattens, welchen ein Körper wirst, die Stunde des Tags zu erkennen. Meist ist auf einer Fläche ein Stift (Weiser, Sonnenzeiger, Gnomon) eingeschlagen, dessen Schatten an einer Eintheilung (Stundenlinie) die Stunden zeigt. Die Einrichtung derselben beruht darauf, daß man sich die Sonne den Erdäquator mit gleichmäßiger Geschwindigkeit in 24 Stunden umlaufend u. in den Mittelpunkt der Äquatorebene einen Stift unter einem rechten Winkel (also der Erdachse parallel) aufgesetzt denkt; der Schatten dieses Stiftes würde dann dem Laufe der Sonne folgen u. auf der gedachten Ebene in Linien, welche Winkel von 15° bilden, die 24 Stunden bezeichnen. Die einfachste auf diesem Princip beruhende S. ist die Äquinoctialuhr (Äquatorealuhr). Um eine solche darzustellen, beschreibt man auf einer Platte einen Kreis, theilt diesen genau in 24 gleiche Theile (Stunden), bezeichnet den nach Norden zu liegenden Theilungspunkt mit 12, die nach Osten liegenden mit 1,2,3 etc., die nach Westen liegenden mit 11,10,9 etc. (so daß also genau im Osten u. Westen 6, im Süden wieder 12 steht), befestigt dann auf den Mittelpunkt dieser Scheibe unter einem rechten Winkel aufstehend einen Stift (Stab, Zeiger) u. stellt dieselbe so auf, daß sie nach Süden zu um die Äquatorhöhe über den Horizont erhoben, mithin die Scheibe selbst der Äquatorebene parallel, der Stift aber der Erdachse parallel steht, d.h. die Scheibe unter einem Winkel gleich der Äquatorhöhe (90° minus der geogr. Breite) des Ortes, wo man sich befindet, folglich der Stift unter einem Winkel gleich der Polhöhe ( der geographischen Breite) des Ortes (also beispielsweise für Leipzig die Scheibe unter einem Winkel von 38°40', mithin der Stift unter 51°20'). Der Schatten des Stiftes muß dann nach der wahren Mittagszeit genau auf die nach Süden zu stehende 12 fallen, ebenso auch während der übrigen Tagesstunden auf die betreffende Ziffer, weil je zwei zunächst liegende Stundenlinien durchaus gleiche Winkel von 15° haben. Man hat auch tragbare Äquinoctialuhren, deren Fläche durch einen Gradbogen auf die Äquatorhöhe jedes Orts gestellt werden kann; mittelst einer Magnetnadel wird sie gegen die Weltgegenden gerichtet. Die Ebenen der Uhren können auch vertikal stehen (Vertikaluhren), z.B. an Wänden angebracht; od. horizontal liegen (Horizontaluhren). Unter den Vertikaluhren hat man Morgen- (Oriental-), Mittags- (Azimuthal-), Abend- (Occidental-) u. Mitternachts- (Septentrional-) uhren, je nachdem die Vertikalebene der Uhr nach der einen od. andern Weltgegend gerichtet ist. Eine Horizontalsonnenuhr ist eine für einen bestimmten Ort auf einer horizontalen Ebene entworfene S., deren Zeiger mit dieser Horizontalebene einen Winkel macht, welcher gleich der Polhöhe od. geographischen Breite des Ortes ist, für welchen die Uhr gelten soll. Diese Art S-en werden am besten auf Platten von Kupfer od. Zinn, welches mit der Zeit an der Luft schwarz wird, gezeichnet. Der Zeiger läßt sich dann auf eine solche Platte festlöthen. Eine Universaluhr ist ein Würfel, auf dessen oberster Fläche die Horizontalsonnenuhr, auf der einen Vertikalfläche die Mittagsuhr, auf der ihr entgegengesetzten Vertikalebene die Mitternachtsuhr u. auf den übrigen beiden Vertikalflächen die Morgen- u. Abenduhr construirt ist, während die unterste Fläche des Würfels auf einen Säulenfuß befestigt ist. Dieser Säulenfuß trägt drei Stellschrauben zum Horizontalstellen der Horizontalsonnenuhr, wodurch dann auch die Seitenflächen des Würfels in die lothrechte Lage gebracht werden. Tragbare S-en sind solche, welche keinen bestimmten Ort haben, folglich auch für keine bestimmte Polhöhe construirt sind. Sie können daher auf Reisen dazu dienen die Zeit anzugeben,[289] müssen aber erst (u. hiernach ist ihre Construction beschaffen) orientirt od. so gestellt werden, daß ihr Zeiger der Erdachse parallel läuft u. daß die 12. Stundenlinie genau in die Richtung der Mittagslinie des Beobachtungsortes zu stehen kommt. In letzter Hinsicht bedient man sich gewöhnlich der an einer solchen tragbaren S. angebrachten Magnetnadel, während wegen genauer Richtung des Zeigers das Loth od. die Wasserwage angewandt wird. Eine inclinirte S. ist eine auf einer, unter einem beliebigen Winkel gegen Süd geneigten Ebene construirte S., welche, wenn der Neigungswinkel gleich der Äqualorhöhe des Ortes wird, in die Äquinoctialuhr übergeht. Die gewöhnlich tragbaren müssen auch an ihrer unteren Fläche eine Stundenabtheilung u. Weiser haben, um für die Zeit vom 23. Sept. bis 21. März brauchbar zu sein, da die obere Stundenfläche von der Sonne nur in der Zeit vom 21. März bis 23. Sept. beschienen werden kann. Der schattenwerfende Stab muß jedoch bei allen S-n stets so gestellt sein, daß er mit der Erdachse parallel liegt, also mit der Horizontallinie einen Winkel bildet, welcher genau der Polhöhe des Ortes entspricht. Eine Kugeluhr ist eine auf der Oberfläche einer Kugel construirte S., die wenig mehr gebräuchlich ist. Das Princip ihrer Construction beruht auf der sich stetig ändernden Erleuchtung der Oberfläche der wirklichen Erdkugel durch die Sonne zu verschiedenen Jahres- u. Tageszeiten. Die allgemeine Theorie der S-en läßt sich nur mittels der Analysis u. geometrischer Betrachtungen geben. Es sei nämlich die zur Uhrfläche bestimmte Ebene um den Winkel n gegen den Horizont geneigt, u. die Durchschnittslinie dieser Ebene mit dem Horizonte weiche von der Mittagslinie um den Winkel k gegen Westen ab, so daß man n von Norden nach Süden u. k von Süden nach Westen zähle. Eine solche ganz allgemeine S. nennt man eine deïnclinirende S. Ferner sei der Stift schon in der mit der Erdachse parallelen Lage auf der Uhrebene befestigt. Man denke sich endlich eine auf die Uhrebene senkrecht gefällte, durch den gedachten Stift gehende Ebene. Dieselbe wird die Uhrebene in einer geraden Linie schneiden, welche man die Substylarlinie der zu entwerfenden S. nennt, u. von welcher an man die Winkel m' der Schatten- od. Stundenlinien der S. zählt. Man berechne hierauf zwei Hülfswinkel φ' u. λ' mittels der Gleichungen.
wo φ die Polhöhe des Beobachtungsortes bezeichnet. Ist dann s der betreffende Stundenwinkel der Sonne, so hat man endlich für den gesuchten Winkel m' einer jeden Schattenlinie der S. den Ausdruck
tg m' = sin φ' tg (s + λ') ... 2),
mit dessen Hülfe man sofort die deïnclinirende S. selbst, auf der gegebenen Uhrfläche mit der größten Schärfe verzeichnen kann. Vorstehende Formeln 1) u. 2) werden einfacher für besondere Arten von S-en; so ist z.B. für Horizontaluhren n = 0, für Vertikaluhren n = 90° etc. zu setzen. Die Gnomonik lehrt aber auch alle Arten von S. rein geometrisch, d.i. graphisch, construiren. Über die ringförmigen S-en (Astronomische Ringe) s. Sonnenring. Die S. zeigt immer wahre, während die gewöhnlichen mechanischen Taschen- od. Wanduhren etc. mittlere Sonnenzeit (s.d.) zeigen. Beide können also nur viermal im Jahre genau mit einander übereinstimmen. Vgl. Gnomonik. Schon von den Ägyptiern glaubt man, daß sie an den Obelisken (s.d.) Sonnenzeiger hatten: daß dieselben wenigstens zu astronomischem Gebrauch dienten, bemerkt Josephos ausdrücklich u. selbst. Augustus ließ die beiden Obelisken, welche er aus Ägypten nach Rom brachte, daselbst zu astronomischen Beobachtungen aufrichten (s. Gnomon). Bei den Hebräern hatte schon der König Hiskias 732 v. Chr. S-en. In Griechenland läßt sich der Gebrauch der S. (Skiatheras, Gnomon) auf Anaximander u. Anaximenes im 6. Jahrh. v. Chr. zurückführen. Sie bestand aus einem senkrecht auf einer ebenen od. halbkugelförmigen Fläche aufgestellten Stab (Gnomon, Heliotropion.), welcher durch seinen Schatten die auf der Fläche bezeichneten Stunden anzeigte. Der Gnomon diente Anfangs blos dazu die verschiedene Länge des Mittagschattens zu messen, od. die Zeit der Sonnenwenden zu bestimmen; die Stundenbestimmung trat erst später hinzu u. wurde durch Stifte, welche in die S-en eingeschlagen waren, gezeigt. Das von Berosos erfundene Hemicyclium bestand in einem würfelförmigen, oben halb cylindrisch ausgehöhlten Steine, der gleichlaufend mit dem Äquator ausgestellt war, durch welchen ein vom Zeiger, dessen Spitze in den Mittelpunkt der Höhle fiel, geworfener Schatten die Tageszeit angab. Eine Art S. war auch die von dem Samier Aristarchos im 3. Jahrh. v. Chr. erfundene Skaphe (Skaphidion), ein beckenartiges metallenes Gefäß, in dessen Mitte am Boden ein Stift befestigt war, welcher, wenn das Gefäß gehörig orientirt wurde, durch den geworfenen Schatten die Stunden anzeigte. In Rom soll L. Papirius Cursor 293 v. Chr. die erste S. (Solarium), deren Verfertiger man aber nicht kennt, aufgestellt haben; nach And. brachte erst 30 Jahre später M. Valerius Messala eine zu Catana in Sicilien erbeutete S. nach Rom u. stellte sie auf dem Markte neben der Rednerbühne auf; zwar paßte sie nicht für Rom, doch behalf man sich an 100 Jahre damit, bis 164 v. Chr. Q. Marcius Philippus eine für den Horizont dieser Stadt einrichtete. Die tragbaren S-en wurden im 10. Jahrh. vom Papst Sylvester erfunden. Vgl. Böhme, Die S. für die wahre u. mittlere Zeit, Lpz. 1843; Kunz, Anleitung zur Anfertigung aller Arten von S-en, Liegnitz 1858.
Buchempfehlung
Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro