Teerfarben

[372] Teerfarben, aus Teerbestandteilen dargestellte Farben, also die farbigen Derivate des Anilins (das aus Benzol gewonnen wird), Naphthalins, Anthrazens, Phenols etc. Über Eigenschaften und chemische Konstitution der T. s. Farbstoffe (besonders S. 328). Die meisten T. sind nicht giftig, doch kommen bisweilen schädlich wirkende Beimengungen vor. Im allgemeinen kommen bei der Einwirkung von T. auf den Organismen so geringe Mengen in Betracht, daß schon aus diesem Grunde schädliche Wirkungen wenig zu fürchten sind. Die Herstellung künstlicher Farbstoffe hat sich in Deutschland aus kleinen Anfängen schnell zu einem wichtigen Industriezweig entwickelt. Man sucht die bisher aus Pflanzen und Tieren gewonnenen natürlichen Farbstoffe auf künstlichem Wege wohlfeiler, reiner und in einer zum Färben bequemern Form darzustellen, außerdem aber neue Farbstoffe zu gewinnen, welche die natürlichen an Wirksamkeit erreichen oder übertreffen. Die Teerfarben industrie hat durch die Erfindung der künstlichen Darstellung von Alizarin den Krappbau verdrängt, und sie steht gegenwärtig in lebhaftem Kampf mit dem natürlichen Indigo, dem sie den von der Badischen Anilin- und Sodafabrik künstlich hergestellten reinen Indigo gegenüberstellt. Deutschland zahlte 1895 für den in eignen Färbereien verbrauchten natürlichen Indigo über 11 Mill. Mk. an das Ausland; es ist Aussicht vorhanden, diese Summe in Zukunft dem Lande zu erhalten, und vielleicht läßt sich der Sitz der Indigoproduktion, die einen Wert von 60 Mill. Mk. repräsentiert, aus den Tropen nach Deutschland verlegen, stellt doch Deutschland schon jetzt fünfmal soviel künstliche Farbstoffe her wie alle übrigen Länder zusammengenommen. Die Ausfuhr aus Deutschland betrug in Tonnen:

Tabelle

Die Ausfuhr von Alizarin ist also auf mehr als das Doppelte, die von Anilinöl und Anilinsalzen auf das Dreißigfache und diejenige von Anilin- und andern Teerfarbstoffen auf das Neunfache gestiegen. Der Wert der Ausfuhr in 1905 betrug mehr als 140 Mill. Mk. Die wichtigsten Abnehmer Deutschlands für Alizarin sind (nach dem Umfange des Bezugs geordnet) Britisch-Ostindien, die Vereinigten Staaten und Großbritannien, für Anilinöl und Anilinsalze die Vereinigten Staaten, Rußland, Schweiz, Frankreich, für Anilin- und andre Teerfarbstoffe die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Österreich-Ungarn, China, Italien und Britisch-Ostindien. Vgl. Schultz, Chemie des Steinkohlenteers, Bd. 2 (3. Aufl., Braunschweig 1901); Nietzki, Chemie der organischen Farbstoffe (5. Aufl., Berl. 1906) und Die Entwickelungsgeschichte der künstlichen organischen Farbstoffe (Stuttgart 1902); Schultz und Julius, Tabellarische Übersicht der künstlichen organischen Farbstoffe (4. Aufl., Berl. 1902); Heumann, Die Anilinfarben und ihre Fabrikation (Bd. 1, Braunschw. 1888; Bd. 2 u. 3 von Friedländer, 1898–1900; Bd. 4 von Schultz, 1903 bis 1906); Friedländer, Fortschritte der Teerfarbenfabrikation (Berl. 1888--4905, 7 Tle.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 372.
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