Terpentinöl

[423] Terpentinöl, ätherisches Öl, findet sich in allen Teilen der Nadelhölzer und wird durch Destillation aus dem Terpentin dieser Bäume gewonnen. T. ist farblos oder gelblich, riecht eigenartig, schmeckt brennend, verharzt leicht an der Luft unter Bildung von Ameisensäure und Essigsäure und wird dickflüssig. Zur Reinigung wird es unter Zusatz von etwas Ätzkalk rektifiziert (Terpentinspiritus). Es ist dann farblos, dünnflüssig, vom spez. Gew. 0,860–0,876, löst sich in 5–12 Teilen 90proz. Alkohol, mischt sich mit Äther, siedet bei etwa 160°; es löst Schwefel, Phosphor, Harz, Kautschuk und manche andre Körper, absorbiert Sauerstoff und verharzt allmählich (unter Bildung von Ameisen- und Essigsäure, Kampfersäure, Harzsäuren und einem Aldehyd). Französisches T. polarisiert nach links, amerikanisches meist schwach nach rechts. Ersteres besteht aus Linkspinen (Terebenten) C10H16, das amerikanische aus Rechtspinen (Australen), das russische aus Rechtspinen und Sylvestren. Alle drei enthalten auch wenig Kamphen und Fenchen. Bei längerm Stehen mit Wasser bildet das T. den Terpentinkampfer (Terpinhydrat, Terpentinhydrat) C10H16.2H2O+H2O, der sich in farb- und geruchlosen, leicht löslichen Kristallen ausscheidet. Er schmeckt aromatisch, löst sich in 200 Teilen Wasser, in 6 Teilen Alkohol und wird als harntreibendes, expektorierendes Mittel und gegen Neuralgien benutzt. Mit trockenem Chlorwasserstoff bildet T. salzsaures T. (künstlichen Kampfer) C10H17Cl in farblosen Kristallen, die kampferartig riechen und schmecken, in Alkohol und Äther löslich sind und bei 115° schmelzen. Oxydierende Substanzen verwandeln T. in Ameisensäure, Essigsäure, Oxalsäure etc. T. erzeugt auf der Haut bei längerer Einwirkung Schmerz, Rötung, Geschwulst und Bläschen; innerlich wirkt es in größern Gaben giftig, auch beim Einatmen der Dämpfe. Beim Einnehmen von T., auch beim Einatmen der Dämpfe, erhält der Harn veilchenartigen Geruch. Längeres Einatmen der Dämpfe erzeugt Nierenaffektion (Malerkrankheit). Man benutzt T. bei Neuralgien, Diphtherie, gegen Würmer, bei Gonorrhöe, Blasenkatarrh, Typhus, bei Phosphorvergiftung etc., äußerlich bei Rheumatismus und zur Aufhellung von Hornhauttrübungen, in der Technik zu Lacken, Firnissen, Anstrichfarben, zum Verdünnen von Ölfarben, zum Bleichen des Elfenbeins, früher auch als Leuchtmaterial.[423] T. wird besonders in den Bergländern von Ungarn und Galizien bis Spanien und Portugal, im europäischen Rußland und in Südskandinavien gewonnen, für den Welthandel haben aber nur das amerikanische und französische T. Bedeutung. In Deutschland wurden 1905 an T. eingeführt 278,902 dz und ausgeführt 17,007 dz. – Künstliches T., s. Erdöl, S. 24.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 423-424.
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