Väterliche Gewalt

[1018] Väterliche Gewalt (Patria potestas), der Inbegriff der Rechte, die dem Vater bezüglich der Person und des Vermögens seiner noch nicht selbständigen Kinder zusteht. Sehr streng und ausgedehnt war die v. G. in Rom in der ältesten Zeit. Der Hausvater (Paterfamilias) hatte eine häusliche Richtergewalt, das Recht über Leben und Tod seines Kindes (jus vitae ac necis), die Macht, dasselbe zu verkaufen, nach Willkür zu verheiraten, wieder zu scheiden, in Adoption zu geben und zu emanzipieren. Das Justinianische und das gemeine deutsche Recht haben diese Befugnisse wesentlich abgeschwächt. Das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 1626 ff.) kennt nur eine Elterliche Gewalt (s. d.), die dem Vater und der Mutter zusteht (vgl. auch Kind, S. 4). Das österreichische Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet zwischen gemeinschaftlichen Rechten und Pflichten der Eltern und besondern Rechten des Vaters (v. G.); während erstere sich auf Erziehung und Unterhalt der Kinder beziehen (die Kosten trägt in erster Linie der Vater, in subsidio die Mutter, der stets die Pflege obliegt), äußern sich diese in bezug auf Standeswahl und Vermögensverwaltung. Ein Nutznießungsrecht an dem Vermögen der Kinder steht dem Vater nicht zu; aus den Einkünften des Vermögens sind die Erziehungskosten zu bestreiten; ein sich ergebender Überschuß wird Kapitalzuwachs. Die Höhe des Erziehungsbeitrages wird durch das Obervormundschaftsgericht bestimmt, dem auch Rechnung zu legen ist, und das die Verwendung des Überschusses zu genehmigen hat; vgl. § 139–151 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches; § 193 ff. des kaiserlichen Patents vom 9. Aug. 1854.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 1018.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: