[108] Versöhnungstag (Versöhnungsfest, im Volksmund Langer Tag, hebr. Jom ha-Kippurim, auch Sabbat der Sabbate [3. Mos. 23,32] genannt), der heiligste aller israelitischen Festtage, wird 10. Tischri (Oktober) in strengster Sabbatruhe durch persönliche Kasteiung und Enthaltung von allen Sinnengenüssen (Fasten) gefeiert (3. Mos. 16,30 und 31; 23,27 und 28; 4. Mos. 29,7 f.). Der V. bezweckt die Versöhnung des reuigen Israeliten mit Gott, wozu Vorbereitung durch Gebet und fromme Werke besonders in den dem V. vorangehenden, mit dem ersten Neujahrstag beginnenden zehn Bußtagen tritt. Von der heute üblichen Feier wich die früherer Zeiten ab. Solange der Opferkult bestand, brachte der Hohepriester zu den täglichen Opfern noch das Sündopfer für sich und die Seinigen und nahm die Sprengung des Blutes vor. Dann wurde von zwei Böcken der durch das Los bestimmte geschlachtet und mit seinem Blute die Bundeslade besprengt, der andre aber (Asasel, s. d.), nachdem der Hohepriester die Hände auf ihn gelegt und seine und des Volkes Sünden bekannt hatte (daher der Name Sündenbock), an einen wüsten Ort gebracht, in späterer Zeit in einen Abgrund gestürzt. Eine ausführliche Beschreibung des Ritus bietet der Mischna- und Talmudtraktat Joma (ersterer übersetzt von Strack, Berl. 1888; Fiebig, Tübing. 1905, u. a.). Nach je 49 Jahren ward am V. das Jubeljahr (s. d.) durch Posaunenschall im ganzen Lande verkündet. Vgl. Schärf, Das gottesdienstliche Jahr bei den Juden (Leipz. 1902).