Zwischenregierung

[1048] Zwischenregierung (Zwischenherrschaft) nennt man eine Regierung, die nach Umsturz einer früher bestandenen, später wiederhergestellten Regierung in der Zwischenzeit die Staatsgewalt besessen hat. So wurden z. B. Napoleon I. und die von ihm in Spanien, Neapel, Westfalen und anderwärts eingesetzten Fürsten von den wiedereingesetzten frühern Fürsten als Zwischenherrscher betrachtet. Inwiefern die Handlungen einer Z. für den zurückgekehrten frühern Landesherrn bindend sind, ist eine z. B. hinsichtlich des ehemaligen Königreichs Westfalen viel bestrittene Frage. Hat der frühere Herrscher für sich und die Seinen auf sein Herrscherrecht förmlich verzichtet, so sind natürlich Zweifel nicht möglich. Fehlt dieser Verzicht, so fragt es sich, ob die Untertanen berechtigt und verpflichtet sind, die neue Herrschaft anzuerkennen und ihr zu gehorchen, solange der alte Herrscher oder dessen rechtmäßige Erben leben und ihre Rechte auf die ihnen entrissene Gewalt fortwährend, wenn auch nur durch Protestation, behaupten. Die Frage ist zu bejahen, da für die Staatsangehörigen das tatsächliche Verhältnis entscheidend ist und eine angesprochene Staatsgewalt, die nicht geltend gemacht werden kann, keine Staatsgewalt ist. Auch bei der feindlichen Besetzung (Okkupation) eines Landesteils während eines Krieges muß sich die Bevölkerung der von der feindlichen Macht eingesetzten Regierung fügen. Die Anerkennung ihrer Maßregeln nach Aufhebung der Besetzung durch die rechtmäßige Regierung ist wesentlich aus dem Gesichtspunkt der Verpflichtung zur Erstattung der Kriegsschäden zu beurteilen. Z. wird auch das in Wahlreichen vorkommende Zwischenreich oder Interregnum (s. d.) genannt. Vgl. S. Brie, Die Legitimation einer usurpierten Staatsgewalt (Heidelberg 1886); H. Triepel, Das Interregnum (Leipz. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 1048.
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