Archīv

[673] Archīv (v. gr. ἀρχεῖον), 1) Staatsgebäude, zur Versammlung der Staatsbehörden; 2) das Gebäude od. der Raum in einem Gebäude, zur Aufbewahrung wichtiger Schriften, welche die Verhältnisse von Familien, Gemeinden, Kirchen, Provinzen u. ganzen Ländern betreffen (s. Urkunde), mit Einschluß der Schriften über Rechtsstreitigkeiten u. Verwaltungsgegenstände (Registraturen); daher Familien-, Kirchen-, Pfarr-, Staats-A. etc. Bei den Alten dienten die Tempel (zu Rom der der Ceres, später der des Saturnus), bei den ersten Christen die Kirchen als Aufbewahrungsorte von Urkunden. Karl d. Gr. verordnete ihre Anlegung in seinem Reich, u. bes. war die Geistlichkeit in den Stiftern bedacht, die ihr wichtigen Papiere sorgsam zu verwahren. Geistliche Urkunden sind daher auch die ältesten, während die A. der Städte nicht über das 12., die der Fürsten nicht über das 13. Jahrh., wo das Aufkommen der Lehnsbriefe ihre Einrichtung nöthig machte, hinausreichen. Bedeutende A-e sind zu Königsberg das A. des Deutschen Ordens, zu München das Reichsarchiv, zu Dresden das Hauptstaatsarchiv etc. Acten aus öffentlichen A-en jeder Art haben Beweiseskraft, sobald dargethan werden kann, daß sie wirklich aus solchen kommen u. in ihnen vor Beginn eines Rechtsstreites, als zu dem A. gehörig, vorhanden gewesen sind, auch sie nicht sonstige Zeichen der Unechtheit haben; diese Eigenschaft der Acten heißt Archivrecht. Zur Benutzung eines A-s gehört die Erlaubniß der höchsten Staatsbehörde (Ministerium des Innern), u. können Arbeiten in A-en nur unter Aufsicht der Archivare gemacht u. müssen diesen etwaige Copien von Urkunden zur Ansicht vorgelegt werden. Die Wichtigkeit, welche in A-en verwahrte Schriften dadurch erlangen, macht es nöthig, daß nicht nur die zu A-en bestimmten Gebäude gewölbt u. dadurch feuerfest, dabei aber auch gegen Nässe gesichert u. lustig gebaut werden, sondern auch, daß bei jedem ein Archivar angestellt werde, d.i. ein bes. verpflichteter Beamter, welcher die Ordnung im A. erhalten u., damit Alles leicht gefunden werden kann, ein chronologisches u. Realregister über die vorhandenen Urkunden, so wie Nachweisungen über den Inhalt derselben zu führen hat, u. dessen Zeugniß über Gegenstände seines A-s beweisend ist. Die ihm nöthigen Kenntnisse bilden zusammengenommen die Archivwissenschaft, von welcher die Registraturwissenschaft, welche lehrt, wie man ein aus gerichtlichen Acten bestehendes A. u. die Sammlung der laufenden Acten ordnen u. erhalten soll, ein Theil ist. Vgl. Ögg, Ideen einer Theorie der Archivwissenschaft, Gotha 1804; von Epplen, Anleitung zur Einrichtung der A., Frankf. 1805; Österreicher u. Döllinger, Zeitschrift zur Archivwissenschaft, Bamb. 1806; Höfer, Erhard u. Medem, Zeitschrift für Archivkunde etc., Hamb. 1833, 2 Bde.; Friedemann, Zeitschrift für die A. Deutschlands, ebd. 1847f.; 3) Titel von wissenschaftlichen Zeitschriften, s.d.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 673.
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