Fortunatus

[437] Fortunatus, der Name eines der besten deutschen Volksbücher, welches die Geschichte des Fortunatus u. seiner Söhne erzählt, die im Besitz eines unerschöpflichen Geldsäckels u. des Wunschhütleins sind, aber eben dadurch ihren Untergang finden. Die dahinterliegende Moral ist, daß weltliches Gut allein kein dauerndes Glück bringen könne. Das Volksbuch ist rein deutschen Ursprungs, wenn auch einige fremde Mythen- u. Sagenstoffe darin Aufnahme gefunden haben. In der vorliegenden Gestalt muß es um die Mitte des 15. Jahrh., vielleicht zu Augsburg abgefaßt sein. Der älteste Druck (Augsb. 1509) wurde von Simrock in den Deutschen Volksbüchern (Frankf. 1846, Bd. 3) wiederholt; andere ältere Ausgaben sind: Augsb. 1530, Frankf. 1551, Nürnb. 1677, Basel 1699, u. einigemal zu Nürnberg ohne Jahrzahl. Aus dem Deutschen ging die französische Bearbeitung (von Alibray, Rouen 1670, u. Troyes 1728, eine spätere moralisirende Bearbeitung Paris 1770), aus der französischen wiederum eine italienische Übersetzung (Neapel 1676), aus dem Französischen od. Deutschen die holländische (Amst. 1796) hervor. Dem deutschen Originale entstammen auch die englische (öfter, z.B. Lond. 1612, 1682), dänische (Kopenh. 1664, 1672, 1695, 1756, 1783), die schwedische (1694), sowie zwei isländische, eine poetische (um 1690 verfaßt) u. eine prosaische Bearbeitung. Die älteste Dramatisirung ist von Hans Sachs, dessen sehr flüchtig gearbeitete u. rohe: Tragodia, Der Fortunatus mit dem Wunschseckel (1553) sich streng an das Volksbuch hält. Als ein Dichter von nicht geringen Gaben zeigt sich etwas später der Engländer Thomas Decker, ein Zeitgenosse Shakespeares, in seiner Pleasant Comedie of Fortunatus (Lond. 1600, in Old Plays, Bd. 3, Lond. 1816; deutsch von Schmidt in Fortunatus u. seine Söhne, Berl. 1819), welcher jedoch schon eine englische dramatische Bearbeitung vorausgegangen zu sein scheint. Nicht unerheblich in literarhistorischer Hinsicht ist die freie Bearbeitung des Deckerschen Stücks in den Englischen Comödien u. Tragödien (o. O. 1620, 2. Aufl. 1624) u. daraus in Tiecks Deutschem Theater (Bd. 2). Eine echt dichterische Bearbeitung des Stoffs lieferte Tieck im Phantasus (Bd. 3, Berl. 1816).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 437.
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