Thomas [1]

[531] Thomas (hebr. Name, d.i. Zwilling, Zwillingsbruder). I. Heilige: 1) Th. od. Didymos, d.i. nach Einigen Zwilling (weil er mit seiner Schwester Lysia zugleich geboren worden sein soll), nach And. der Unentschlossene, wahrscheinlich aus Galiläa, einer der 12 Apostel Jesu. Als Jesus nach seiner Kreuzigung seinen Jüngern wieder erschien, war Th. nicht zugegen u. er glaubte den Vorfall nicht, bis er Jesum selbst sah u. befühlte (daher Sprichwort: ungläubiger Th.). Er soll nach Origenes in Parthien, nach Chrysostomos in Ägypten u. Äthiopien, nach Hieronymus u. A. in Indien das Evangelium gepredigt haben u. dort in Kalamine umgebracht worden sein; nach And.[531] wurde er in Meliapoor, unweit Madras, mit einer Lanze an ein Kreuz gebohrt, u. die Portugiesen wollen dort seinen Leib wieder gefunden haben; Gedächtnißtag (Thomasfest): 21. December, in der Griechischen Kirche aber der 3. Juni. Unter den Büchern, welche man dem Th. zugeschrieben hat, sind die Acta Thomae (s.u. Apokryphen), herausgeg. von Thilo, Lpz. 1823. Th. wird mit Winkelmaß u. einer Meßschnur dargestellt, weil er bei dem indischen König Gondoharus sich anheischig gemacht haben soll ihm einen prächtigen Palast zu bauen. Die Thomaschristen (s.d.) verehren ihn als den Stifter ihrer Kirche.

II. Fürsten. A) Kaiser von Antiochien: 2) Th., war erst gemeiner Soldat in der byzantinischen Armee, dann unter Leo dem Armenier Legionführer; unter Leo's Nachfolger Michael warf er sich zum Gegenkaiser auf, bemächtigte sich Antiochiens, ließ sich von dem dortigen Patriarchen Job krönen u. erschien mit einer Flotte vor Constantinopel, mußte aber bald nach Antiochien zurückkehren; er ward nach Ein. 823 von den Einwohnern an Michael ausgeliefert u. gespießt, n. And. floh er zu den Sarazenen u. schwor dort seinen Glauben ab. B) König von Armenien: 3) Th., Neffe des Thoras, folgte diesem 1170 im cilizischen Armenien auf kurze Zeit, s. Armenien S. 728. C) Grafen von Piemont u. Savoyen: 4) Th., Sohn Humberts III., geb. 1177, folgte diesem 1188 unter der Vormundschaft seines Oheims Bonifacius von Montserrat u. seiner Schwester Leonore u. st. 1233, s.u. Savoyen S. 22 f. Er war vermählt mit Beatrix, Tochter des Grafen Wilhelm von Genf, dann mit Margarethe von Faucigni (st. 1233). 5) Th. Graf von Maurienne, ältester Sohn des Vor. u. Margarethens, war erst Geistlicher, trat aber in das Weltleben zurück, wurde 1235 von seinem Bruder Amadeus III. zum Generalstatthalter von Savoyen ernannt u. erhielt durch seine Vermählung mit der Gräfin Johanna von Flandern 1237 Flandern (s.d. S. 331) u. Hennegau. Mit dem Herzog Heinrich von Brabaut u. dessen Bruder Gottfried führte er 1242 einen glücklichen Krieg u. nahm Beide gefangen. 1244 focht er im Kriege zwischen Schottland u. England. Nach dem Tode seiner Gemahlin 1244 verließ er Flandern u. wurde 1246 von seinem Bruder Amadeus zum Grafen von Piemont ernannt. Durch die Vermählung mit der Nichte des Papstes Innocenz IV. erhielt er ansehnliche Gebiete u. großen Einfluß in Italien, wurde 1249 Reichsvicar. in der Lombardei u. Piemont u. 1253 nach seines Bruders Tode Vormund über dessen Sohn Bonifacius; bald darauf ward er in einer Fehde mit der Stadt Asti von dem Grafen Wilhelm von Montserrat gefangen, erst 1257 gegen Stellung seiner Söhne als Geißeln wieder befreit u. st. 1259. Er ist der Stammvater des jetzigen Hauses Savoyen. 6) Th., ältester Sohn des Vor., geb. 1248; mußte mit seinem zweiten Bruder sich für seinen Vater als Geißel stellen, wurde zwar bald losgelassen, aber schon 1263 wieder mit seinem Vetter Bonifacius von Savoyen gefangen. Als dieser kurz darauf in der Hast starb, gebührte ihm eigentlich die Erbfolge in Savoyen, allein seine Oheime Peter u. Philipp bemächtigten sich der Herrschaft u. waren noch im Besitze derselben, als Th. 1282 st., s.u. Savoyen S. 23.

III. Feldherrn u. Staatsmänner: 7) Th. von Damaskos, vornehmer Grieche u. Verwandter des Kaisers Heraklios, zeichnete sich 633 bei der Belagerung von Damask durch die Sarazenen aus, indem er die Stadt 70 Tage vertheidigte. 8) Th. der Kappadokier, Unterfeldherr des Bardanes, führte 80,000 Barbaren vom Kaspischen Meere nach Europa, um Michael II. vom Throne zu stoßen. Bei der Belagerung Constantinopels fiel er in die Gefangenschaft der von dem Kaiser gerufenen Bulgaren u. wurde hingerichtet.

IV. Geistliche u. Gelehrte: 9) Th. von Canterbury, s. Becket. 10) Th. von Celano, italischer Mönch, lebte bis nach 1250; er war einer der ersten Schüler des St. Franciscus u. seit 1221 Custos der Franciscanerconvente in Worms, Mainz, Köln u. Speier. Er ist der Verfasser der alten Legende (d.i. der ältesten Biographie des St. Franciscus) u. wahrscheinlich der Sequenz Dies irae, dies illa (s.d.). 11) Th. von Aquino (T. Aquinas), geb. 1225 od. 27 auf dem Schloß Rocca Sicca bei Aquino im Neapolitanischen, trat gegen den Willen seiner Eltern 1243 in den Dominicanerorden, aber als ihn die Dominicaner zu mehrer Sicherheit vor den Befreiungsversuchen seiner Familie nach Frankreich sendeten, brachte ihn sein Bruder auf das väterliche Schloß zurück u. hielt ihn zwei Jahre lang in Gefangenschaft. Er studirte dann seit 1245 Theologie in Köln u. Paris; wurde 1248 Lehrer der Scholastischen Philosophie in Paris u. fand solchen Beifall, daß er bald den Beinamen Dr. universalis od. Dr. angelicus erhielt. Seit 1257 lehrte er in Rom u. Bologna, 1268 wieder in Paris, 1271 wieder in Bologna u. 1272 in Neapel. Er st. 6. März 1274 im Kloster Fossanuova bei Terracina auf dem Wege nach Lyon zu einer Kirchenversammlung. Der Papst Johann XXII. canonisirte ihn 1323. Er war ein frommer, gelehrter, fleißiger Mann, auch in weltlichen Dingen umsichtig, daher vom König Ludwig IX. oft berathen. Er schr. u.a.: De ente et essentia; Summa totius theologiae; Summa de veritate catholicae fidei adversusgentiles; De spiritualibus creaturis (hebr. von Abarbanel); sämmtliche Schriften herausgeg. von Vinz. Iustinianus u. Th. Manriquez, Rom 1570 f., 17 Thle. in 18 Fol. – Bdn.; Ven. 1592, Antw. 1612, Par. 1660, 23 Bde.; Ven. 1787, 28 Bde.; Parma 1852 ff.; Die Opera theologica bes. herausgeg. von B. de Rubeis, Ven. 1745, 20 Bde.; Kling, Descriptio Summae theol. Thomae Aq., Bonn 1846; Goudin, Philosophia juxta Thomae dogmata, n. A. von Roux Lavergne, Par. 1861. Die scholastische Philosophie u. Theologie erhielten durch ihn eine ganz neue Gestalt u. eine bestimmtere Form. Häufig verband er mit der Kirchenlehre platonische Ideen u. beseelte in dieser Hinsicht den unfruchtbaren Lehrbegriff mit einem edeln Geiste. Die Lehren von dem Schatze der Katholischen Kirche an guten Werken, vom Ablasse u. den Indulgenzen, von der Entbehrlichkeit des Kelches im Abendmahle, der Transsubstantiation, der Verehrung der Hostie etc. verdanken ihm eine sinnreichere Darstellung. Auch bearbeitete er die christliche Moral mit Eifer u. Erfolg in Deutlichkeit, Bestimmtheit der Begriffe u. Anwendung des Ganzen, daß man ihm den Namen Vater der Moral beilegte. Th. neigte sich mit seinen Anhängern (Thomisten) zum Nominalismus (s.u. Philosophie S. 74) u. zur strengen Lehre Augustins von der Gnade, u. bestimmte die unbefleckte Empfängniß der Maria, während die [532] Scotisten sich zur milden Ansicht des Semipelagianismus hielten, die unbefleckte Empfängniß der Maria behaupteten u. den Mariendienst förderten. Zwar billigte der Römische Stuhl den letztern Lehrsatz, allein da die Thomisten die Mehrzahl ausmachten u. fast den ganzen Dominicanerorden auf ihrer Seite hatten, so behielten sie endlich die Oberhand, bis der Kampf der Molinisten gegen die Jansenisten der Sache eine andere Wendung gab. Die Dominicaner u. theilweise auch die Jesuiten verbreiteten die Philosophie des Th. fast über ganz Europa, vorzüglich wurden unter ihnen Ägidius von Colonna, Dominicus von Flandern, Franciscus Suarez, Gabriel Velasquez, Hervaz, Petrus Fonseca, Petrus Hiertadus de Mendoza, Thomas de Uo, Cajetanus u. A berühmt. Lebensbeschreibung von Guilielmus de Thoco, in den Act. Sanctorum; später von Touron, La vie de St. Th d'Aquin, Par. 1737; Bernhard de Rubeis (Rossi), De gestis et scriptis St. Thomae, Ven. 1750; Carbe, Hist. de la vie et des écrits de Th., 1846; Bareille, Hist. de St. Th., Löw. 1846; Jellinek, Th. von Aquino in der jüdischen Literatur, Lpz. 1853; Mettenleiter, Die Geschichte des heiligen Th. von Aquin, Regensb. 1856; K. Werner, Der heilige Th. von Aquino, 1858, 3 Bde. 12) Th. Magister (Theodulos), griechischer Grammatiker des 14. Jahrh.; schrieb außer den Erklärungen zu Pindar, Aristophanes u.a., das aus ältern Grammatikern entlehnte Wörterbuch: Ονομάτων ἀττικῶν ἐκλογαί, herausgeg. von Z. Calliergus, Rom 1417; bei Aldus, 1524, Fol.; von Bernard, Leyd. 1757; Schwabe, Alb. 1773, n. A. von Jacobitz, Lpz. 1833; Ritschel, Halle 1832; Beck, Sangerh. 1836. 13) Th. von Strasburg (Th. Argentinensis), Scholastiker des 14. Jahrh., Anhänger des Realismus, wurde Augusti. ner u. 1345 Generalprior seines Ordens; st. 1357 in Paris; er schr.: Commentar zum Magister sententiarum, Strasb. 1490, Fol. 14) Th. a Kempis, eigentlich Th. Hamerken (Malleolus), geb. 1380 zu Kempen im Erzbisthum Köln, gebildet in der Schule von Gerh. Groot in Deventer; st. als Subprior im Kloster Sta. Agnes bei Zwoll 24. Juli 1471; bes. berühmt durch das ascetische Werk: De imitatione Christi, zuerst 1415, welches mehr als 2000 Auflagen erlebte, in alle Sprachen übersetzt wurde u. viel dazu beitrug, die scholastische Dialektik zu stürzen. Indessen wurde schon früh die Abfassung dieses Buchs durch Th. bestritten u. Einige hielten den Benedictinerabt Johann Gersen zu Vercelli (um 1240), Andere den Pariser Kanzler Gerson, noch Andere Peter d'Ailly als Verfasser; Andere betrachteten das Ganze als eine Compilation aus mehren Schriften od. nannten Th. den bloßen Abschreiber des alten Manuscripts; im 17. Jahrh. wurde zwischen den Augustinern u. Benedictinern bes. in Frankreich ein Streit über den Verfasser geführt, in welchem die Ersteren für, die Letzteren gegen Th. kämpften, bis das Pariser Parlament 1652 sich für Th. entschied: auch die neuesten Kritiken haben sich wieder dafür entschieden, daß Th. der Verfasser sei. Vgl. Silbert, Gersen, Gerson od. Kempis, Wien 1828 (für Th.); Gregory, Hist. du livre de l'imitation, 1842 (gegen Th.); Bart. Veratti, Disquisizioni filol. e crit. intorno a l'autore de imitatione Christi, Mod. 1857 (für Th.); Malou, Recherches sur le véritable auteur du livre de l'imit. de Jesus-Christ. Tournai 3. A. 1858. Er schr. ferner: Consolationes internae (innere Tröstungen); Cantica spiritualia (wozu er auch die Melodien setzte) etc. Th-s sämmtliche Werke, herausgeg. von Sommalius, Antw. 1600, zuletzt Köln 1728 (1759), deutsch von Silbert, Wien 1834, 4 Bde. Vgl. Bähring, Th. von Kempen, nach seinem inneren u. äußeren Leben dargestellt, Berl. 1849; Mooren, Nachrichten über Th. von Kempen, Crefeld 1855. 15) Th. von Walden (Th. Waldensis, eigentlich Netter), geb: zu Walden in der englischen Grafschaft Essex, trat in den Karmeliterorden u. war als Scholastiker sowie als Bekämpfer der Lollarden u. Wiclefs berühmt; er war 1409 Mitglied des Concils in Pisa; König Heinrich V. wählte ihn zu seinem Beichtvater, beschickte durch ihn das Concilium zu Constanz 1414 u. brauchte ihn auch 1420 als Gesandten an den König von Polen; 1431 begleitete er den jungen König Heinrich VI. nach Paris zur Krönung u. st. 3. Novbr. 1431; er schr.: Doctrinale antiquitatum fidei ecclesiae catholicae, Par. 1521, 3 Bde., Fol., 4. A. 1757 ff. 16) St. Th. von Villanova, geb. 1487 zu Fuenllana in der Diöcese von Leon, genannt nach dem Abstammungsort seiner Eltern, Villanova; studirte in Alcala Philosophie u. Theologie, wurde zu Alcala Professor der Philosophie, ging dann nach Salamanca, trat 1517 in den Orden der Augustiner-Eremiten, predigte seit 1520 mit großem Beifall, wurde Karls V. Beichtvater u. 1544 Erzbischof von Valencia; er st. 8. Novbr. 1555 u. wurde von Alexander VII. 1658 canonistrt; Gedächtnißtag der 18. September. Man hat von ihm Predigten u. eine Erklärung des Hohen Liedes. Werke, Alc. 1581, Bresc. 1613, Köln 1614, Augsb. 1757, Fol.; Lebensbeschreibung von Quevedo, Valencia 1620 (franz. von Maimburg, Par. 1666). 17) Th. de Vio, s. Cajetan 2). 18) Th. von Paris, Kapuziner, geb. 1670, ging als Missionär nach Constantinopel u. gab des Alessio de Sommavara Griechisch-italienisches Wörterbuch heraus, Par. 1709, 2 Bde.; u. schr.: Nouvelle méthode pour apprendre les principes de la langue grecque vulgaire (franz., lat. u. ital.), ebd. 1709.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 531-533.
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