Shakespeare [1]

[932] Shakespeare (Shakespere, spr. Schehkspihr; Shakspeare, Shakspere, spr. Schäkspihr), William, geb. 23. April (a. St.) 1564 zu Stratford am Avon in Warwikshire. Zum Gewerbe seines Vaters John S., eines Wollhändlers u. Handschuhmachers, bestimmt, während er nach Andern nach Beendigung der Schulzeit bei einem Advocat als Schreiber eintrat, verheirathete sich S. 1582 mit Anna Hathaway, der Tochter eines reichen Bauers, welche ihm 1583 sein Lieblingskind Susanna u. 1585 die Zwillinge [932] Judith u. Hammet gebar. Als Wilddieb in dem Gehege des Gutsbesitzers Sir Thomas Lucy ertappt, soll er sich an Lucy durch eine satirisch-komische Ballade gerächt haben (von welcher noch die ersten Stanzen erhalten sind). Als der Gutsbesitzer die englischen Jagdgesetze gegen S. geltend machen wollte, rettete sich dieser (1586 od. 1587) durch die Flucht u. soll bis 1589 mit einer Schauspielertruppe in den Niederlanden u. Deutschland zugebracht, nach Andern in Südeuropa, namentlich in Italien, gelebt haben. Dann ging er nach London; hier hatte er 1589 einen Viertelantheil am Blackfriarstheater, u. 1591 wurde das muthmaßlich erste seiner eignen Schauspiele, die beiden Edelleute von Verona, aufgeführt. Seine Dramen, deren Chronologie man ungeachtet eingehender Untersuchungen noch nicht genau kennt, so wenig sie den damaligen Kunstrichtern behagten, erwarben ihm die Gunst des Volkes u. manchen Gönner, bes. den Grafen von Southampton. Selbst König Jakob I. schrieb an ihn wegen der Verherrlichung des Geschlechts Banko im Macbeth, u. 1610 erlaubte der König ihm u. zwei Genossen, Heminge u. Condell, die Errichtung einer neuen Bühne unter so großen Begünstigungen, daß sein Wohlstand sich durch drei bis vier Jahre beträchtlich steigerte. 1612 zog er sich aus London nach Stratford zurück, wo er seit 1596 durch wiederholte Häuser- u. Äckerkäufe, sowie durch Zehntenpachte zu ziemlichem Wohlstand gekommen war. Dort lebte S. im Umgange mit wenigen Freunden u. seiner Tochter Susanna. In Stratford schrieb er 1614 sein letztes Werk: Der heilige Dreikönigsabend, u. starb an seinem Geburtstage, 23. April (a. St.) 1616. Unter dem Chor der Hauptkirche seiner Vaterstadt beerdigt, erhielt er dort einen mit einer einfachen Inschrift bezeichneten Grabstein. Diesem gegenüber wurde einige Jahre später ein Denkmal von Marmor errichtet; 1741 wurde ihm ein Nationaldenkmal in der Westminsterabtei gesetzt, ebenso später in Glasgow. Seine Nachkommenschaft starb im zweiten Gliede aus. S. ist der Schöpfer der englischen dramatischen Poesie, welche er im Tragischen u. Komischen zu einer bisher unerreichten Höhe erhob. Seinen Werken, obgleich an unnachahmlichen Schönheiten reich, macht man doch Hang zum Abenteuerlichen, Unwahrscheinlichen, zu gesuchtem Witz u. zu Zweideutigkeiten zum Vorwurf, ja man hat S. die Autorschaft seiner Dramen ganz absprechen u. ihm nur den Ruhm lassen wollen, daß er damals bekannte Stoffe bearbeitet habe. Meisterhaft gelang es ihm die schöne Seite der menschlichen Natur hervorzuheben u. zugleich die gehässigen Affecte u. Leidenschaften mit erschütternder Wahrheit zu zeichnen. Seine Originalität ist mehr in dem ganzen Geiste seiner dramatischen Dichtungen u. in dem Zusammentreffen charakteristischer Züge, als in der Composition u. Sprache seiner Schauspiele zu suchen. Es werden ihm 37 Schauspiele zugeschrieben, zwei derselben, Titus Andronicus u. Pericles, sind aber von den meisten Kritikern nicht für seine Arbeit anerkannt worden, auch der erste Theil von Heinrich VI. u. selbst die Komödie der Irrungen werden ihm von Einigen abgesprochen. Sie lassen sich in drei Klassen ordnen: a) 13 geschichtliche Schauspiele, davon drei aus der römischen Geschichte: Coriolanus, Julius Cäsar, Antonius u. Cleopatra (diese drei nach Plutarchos) u. 10 aus der englischen Geschichte: König Johann, Richard II., Heinrich IV., Heinrich V., Heinrich VI., Eduard IV., Eduard V., Richard III.; Heinrich VII. u. Heinrich VIII.; b) Trauerspiele: Romeo u. Julie (1597), Hamlet (1603), Macbeth (1606), König Lear (1608), Othello (1611); c) Lust- u. Phantasiespiele: Gentlemen of Verona (die beiden Edelleute von Verona), Comedy of errors, Love's labours lost (Verlorne Liebesmüh), von 1598, Love's labours won (All's well that ends well, Ende gut alles gut), Merchant of Venice (Kaufmann von Venedig), von 1600, Much ado about nothing (Viel Lärmen um nichts), von 1600, Merry wives of Windsor (Die lustigen Weiber von Windsor), von 1602, Maß für Maß Taming of the Shrew (Die gezähmte Keiferin, Die bezähmte Widerspenstige), Wie es euch gefällt, Was ihr wollt, Cymbeline, Der Sturm, Das Wintermärchen, Midsummer night's dream (Sommernachtstraum); satirische u. Spottstücke sind Timon von Athen u. Troilus u. Kressida (letzteres von 1609); von Einigen werden ihm noch zugeschrieben: The London prodigal, Thomas Cromwell, A tragedy in Yorkshire, Edward III., Arden of Feversham, Sir John Oldcastle, The mercy devil of Edmonton, Locrine, Merlins birth. Außer den dramatischen Werken schrieb S. noch die zwei erzählenden Gedichte Venus and Adonis (1593) u. Tarquin and Lucretia (1594), die lyrischen The passionate pilgrim (1599) u. Sonnets (1609). Die erste Ausgabe von S-s dramatischen Werken, von Heminge u. Condell, Lond. 1623, Fol., 2. Ausg. 1632, 3 Ausg. 1644, 4. Aufl. 1685, Fol., von N. Rowe, Lond. 1709, 7 Bde.; von A. Pope, ebd. 1723, 6 Bde.; von Theobald, ebd. 1735, 7 Bde.; von Hammer, Oxford 1744, 6 Bde.; von W. Warburton, Lond. 1747, 8 Bde.; von S. Johnson, ebd. 1765, 8 Bde.; von G. Steevens, ebd. 1762, 2 Bde.; u. bis 1793, 15 Bde., 5. A. 1803; von Boydell u. Nicoll in London 1787–1803, 9 Bde., Prachtausgabe; von C. Malone, Lond. 1790, 11 Bde.; von Rivington, ebd. 1793, 8 Bde.; von I. Rud, ebd. 1803, 21 Bde., u. Ausg. 1813, Braunschweig 1798, 8 Bde., Lpz. 1804, 16 Bde., u. ebd. 1824, in einem Bde.; 1826 Anhang (das Leben S.-s von A. Skottowe, seine vermischten Gedichte u. ein kritisches Glossarium enthaltend). Prachtausgabe von Halliwell, Lond. 1852 ff., 20 Bde. in Fol.; A reprint of the first edition, the Folio of 1623, Lond. 1862; Sonnets of S., herausgegeben mit Anmerkungen u. Einleitung, ebd. 1861. Deutsche Übersetzungen von Wieland, 1762, u. Eschenburg, Zürich 1775, 13 Bde., neue Aufl., ebd. 1798, 12 Bde.; von A. W. Schlegel, Berl. 1797, 9 Bde., neue Aufl., ergänzt u. erläutert von Tieck, ebd. 1825–33, 9 Bde., neuste Ausg. ebd. 1853 ff., 9 Bde.; Supplementband: vier historische Schauspiele S-s, übersetzt von L. Tieck, Tüb. 1835; J. H. Voß, Lpz. 1808–26, 7 Bde., u. Benda, Lpz. 1824, 18 Bde.; von Meier (freie Bearbeitung), Gotha 1825–40, 54 Bdchn.; von Julius Körner n. A., Schneeb. 1834–36, in einem Bd.; von A. Böttger, Th. Mügge, L. Petz etc., Lpz. 1836–37, 37 Bdchn.; von E. Ortlepp, Stuttg. 1838–40, 6 Bde. in 12 Thln. u. 4 Bde. Nachtrag; einzelne dramatische Werke S-s sind von Falk, Dippold, Krause, Keßler, H. Döring u.a. übersetzt; sämmtliche Gedichte von E. Wagner, Königsb. 1840; S-s Sonnette zum Theil von Lachmann, Berl. 1820, in deutscher Nachahmung von Bodenstedt,[933] Berl. 1861; Boydell gab eine Kupfersammlung zu S., die Shakspearegallerie, heraus; der Maler Moritz Retsch gab in Dresden Outlines to Shakespeare heraus, erste Sammlung; Hamlet in 16 Blättern, mit C. A. Böttigers Andeutungen, Lpz. 1828; von L. S. Ruhls Sketches for Shakespeare's plays sind ebend. 1827 4 Hefte erschienen; vgl. J. H. Seymann, Remarks crit. et explan. upon the plays of S., Lond. 1805, 2 Bde.; F. Twiß, A compl. verbal index to the plays of S., ebd. 1805, 2 Bde.; H. J. Pye, Comments on the commentators of S., ebd. 1807; F. Douce, Illustrations of S., ebd. 1807; I. Croft, Annotat. on the plays of S., ebd. 1810; W. Richardson, Essays on S. dram. characters, ebd 1812; C. Lofft, Aphorismes of S., ebd. 1812; W. Hazlitt, Characters of S. plays, ebd. 1817; N. Drake, S. and his times, ebd. 1818, 2 Bde; A. Scottowe, The life of S., ebd. 1824; Simrock, Echtermeyer u. Henschel, Quellen des S., Berl. 1831 f., 3 Bde.; Ulrici, S-s dramatische Kunst, Halle 1839, 2. A. Lpz. 1847; Collier, Notes and emendations to Shakespeare's plays, Lond. 1852. Vgl. Meyer, Leben S-s, Gotha 1825; Eschenburg, Über S-s Leben u. Schriften, Zürich 1787, u. Aufl. 1806; Richardson, Über die wichtigsten Charaktere S-s, aus dem Englischen, Lpz. 1776; S-s Schauspiele, erläutert von Fr. Horn, ebd. 1827–31, 5 Bde.; S-s Vorschule von L. Tieck, ebd. 1823, 2 Bde.; Mrs. Jamieson, Charakteristik der vorzüglichsten Frauen in S-s Dramen, deutsch von A. Wagner, ebd. 1834, u. von Ortlepp, Stuttg. 1840; L. Tieck, Altenglisches Theater od. Supplemente zu S., Berl. 1811, 2 Bde.; Gervinus, S., Lpz. 1849, 4 Thle., 3. A. 1862. In London hat sich seit 26. April 1841 eine Shakespeare-Society gebildet, um ungedruckte Schriften über S.u. dessen Zeit herauszugeben u. selten gewordene neu aufzulegen. Auch erscheint eine Shakespeare-Library in England, welche alle Romane, Novellen etc. enthalten soll, aus denen S., nach der allgemeinen Annahme, die Entwürfe zu seinen Dramen entlehnt hat.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 932-934.
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