[820] Haarseil (Setaceum), 1) eine ehemals aus Pferdehaaren verfertigte, jetzt meist baumwollene[820] od. seidene auch leinene Schnur, od. ein Bändchen aus Leinwand, od. ein an den Seiten ausgezogener Leinwandstreif. Man braucht es, um ein künstliches Geschwür zu bewirken. Man sticht eine hinlänglich breite Nadel (Haarseilnadel), in deren Öhr das mit Digestivsalbe bestrichene H. eingebracht ist, in eine zu diesem Zweck mit dem Finger od. einer eignen Zange (Haarseilzange) aufgehobene Hautfalte, zieht dann das Haarseil durch und läßt es nun in der Wunde liegen, wo sich bald eine erhebliche Eiterung bildet, die dadurch, daß man das H. ein- bis zweimal täglich nachzieht, unterhalten wird. Ehedem galt es bei Lungen- u. Herzleiden, Schwerhörigkeit, zumal aber bei Gehirn- u. Augenleiden als heilsamstes Ableitungsmittel; jetzt ist es ziemlich außer Gebrauch, außer etwa bei Thierärzten. Außerdem diente es auch eine Geschwulst durch Eiterung zu verkleinern od. zu zerstören, auch um Kanäle wegsam zu machen u. wird dann durch diese mit der Haarseilnadel od. einem Stilet eingeführt. Bei Thieren dient als H. gewöhnlich ein mit Salbe bestrichener Riemen (Abflußriemen, Abflußschnur), damit die bösen Säfte eines kranken Theils, aus einer absichtlichen Wunde (Abflußwunde) abfließen. 2) (Criminalr.), s.u. Tortur.