Gehirn

[61] Gehirn (Encephalum), I. (Anat.), das Hauptorgan des thierischen höheren Lebens. Es mangelt nur Thieren, welche auf den tiefsten Stufen der Animalität stehen; bei mehreren Würmern, sowie bei Insecten, bildet es jedoch nur das kleine Kopfende eines unterscheidbaren Rückenmarks. Bei Fischen finden sich als G. blos paarweise gereihte Nervenanschwellungen, welche nur einen kleinen Raum im Kopfe ausfüllen u. von einer schaumigen Hülle umgeben sind. Auch bei Amphibien besteht das kleine u. einfache G. meist nur aus fünf Partien, welche den Hemisphären, den Sehnervenhügeln u. dem kleinen G. der Säugethiere analog sind. Erst bei Vögeln tritt der Gehirnbau vollendeter hervor; doch finden sich bei ihnen noch viele Abweichungen von dem der Säugethiere, welcher bei allen im Hauptsächlichsten übereinstimmt, im Menschengehirn am vollendetsten ist. Die Hauptverschiedenheit von diesem besteht: a) in seiner sphärischen Form, welcher entsprechend der ganze Kopf oberwärts gewölbt ist, der bei Thieren abgeplatteter sich darstellt, wogegen die Gesichtstheile, bes. Nase u. Mund, vorwärts gestreckt sind; b) in der relativen Größe, nicht sowohl gegen die übrige Körpermasse, als gegen das Rückenmark u. die sämmtliche Nervenmasse. Man betrachtet in neuerer Zeit das G. u. Rückenmark als zusammengehörig u. befaßt letzteres auch unter G. als Fortsetzung desselben. Gall zeigte zuerst, daß das ganze G. sich von seinen inneren Höhlungen aus nach seiner Oberfläche hin in eine Art von markiger Membran entfalten lasse. Er unterschied hiernach einen länglichen Fasernapparat, vom Rückenmark aus nach der Peripherie (Hirnschenkelsystem) des G. zu sich verbreitend, u. einen queren Fasernapparat (Balkensystem), welcher jene Fasern, alle doppelt verlaufend, zur Einheit verbindet, indem die Richtung dieser Fasern von der rechten u. linken Seite des Gehirnumkreises aus nach der Mittellinie geht. Indem Gall den Zuwachs an Masse in mehrere Gehirnbildungen als Ganglien betrachtete, unterschied er auch Gehirnganglien als eine eigene Art dieser Ganglien u. gründete hierauf bes. seine Gehirnlehre (s. Phrenologie). Das G. läßt sich, seiner Bildung nach, darstellen: a) indem man von seiner Außenseite nach Öffnung der Hirnschale, zur Betrachtung der Innenseite u. nach Ablösung des G-s von den Nerven u. vom Rückgrathe auch zu der seiner unteren Fläche fortgeht; b) in seinem organischen Verhältnisse, also vom Rückenmark anhebend u. darlegend, wie nach es von da aus nach seiner Außenseite zu eigene Bildungen darstellt. Diese Methode ist die belehrendste, aber schwierigere. Reil hat sich auf dem letzten Wege um[61] die feinere Anatomie des G-s große Verdienste erworben. Indem er dem G. durch Alkohol, mit Kalien, worein er es vor der Zergliederung brachte, mehr Consistenz verlieh u. dann durch Auseinanderziehen u. Zerbröckeln der Theile den inneren Zusammenhang untersuchte, gewann er auch über den mehr od. minder faserigen Bau des G-s neue Ansichten u. gab mehreren Theilen neue Namen. Das G. ist in einer eigenen Knochenhöhle, der Hirnschale, eingeschlossen u. außerdem von eigenen Gehirnhäuten umkleidet. Man unterscheidet ein großes u. ein kleines G., die beide zusammentretend den Gehirnknoten als dritten Theil, nebst dem verlängerten Marke, bilden, welches selbst aber, aus der Hirnschale durch das große Hinterhauptsloch tretend, sich als Rückenmark fortsetzt u. also Anfangstheil des letzteren ist. A) Das Große G. (Cerebrum) ist der sieben- bis achtmal größere u. obere Theil des gesammten G-s. Es ruht (bei aufgerichtetem Körper) vorwärts auf den Augenhöhlen u. ist hinterwärts durch das von der harten Hirnhaut gebildete Hirnzelt von dem kleinen G. größtentheils abgeschieden. Es theilt sich seitwärts in zwei halbkugelige Hälften (Hemisphären), die durch die Sichel der harten Hirnhaut (s.u. Gehirnhäute) geschieden sind. An jeder Hemisphäre ist unterwärts ein vorderer u. hinterer Lappen (Lobi cerebri), die durch eine Furche (großer Sylvischer Kanal, Fossa Sylvii) geschieden sind. Auf der ganzen Außeneite des großen G. zeigen sich außerdem Furchen Sulci) u. zwischen solchen wie Kindergedärme gestaltete Windungen (Gyri); in jene senkt sich die weiche Hirnhaut ein, um dem G. Gefäße zuzuführen. Zieht man die Hemisphären des großen G-s auseinander, so sieht man in der Tiefe zwischen ihnen einen weißen Körper von vorn nach hinten laufend, als vereinigenden Theil des großen G-s, den Balken (Hirnschwiele, Callöser Körper). Nimmt man nun von den Hemisphären durch Messerschnitte einzelne Schichten weg, so werden dadurch die inneren Gehirnsubstanzen sichtbar, von denen man, als hauptsächliche, eine graue, hier wie meist, als äußere, auch als Rindensubstanz (Substantia cinerea s. corticalis) u. eine weiße, innere, markige (S. alba, S. medullaris), unterscheidet. In ersterer (nach Neueren Gangliensubstanz) endigen die Blutgefäße als Capillargesäße; letztere ist reine Nervensubstanz. Der Übergang der Substanzen wird als gelbe Substanz unterschieden. Auch in mehreren Gehirntheilen finden sich diese verschiedenen Substanzen, nur in abweichenden Verhältnissen. Vierte Substanz des Gehirns (Substantia nigra cerebri) ist die einzig in den Schenkeln des Großen G. in Gestalt eines halben Mondes (Locus niger crurum cerebri) vorkommende schwärzliche Substanz. Schneidet man die Hemisphären bis zum Balken allmälig schichtweise ganz weg, so verringert sich auf den Schnittflächen die graue Substanz u. es zeigt sich dann zur Seite des Balkens die markige Substanz in weitester Verbreitung, größter Umkreis des Marks (Centrum semiovale). Von hier aus zeigt das G. in seinem Innern Höhlungen, mit einem wässerigen Dunst erfüllt (Gehirnhöhlen, Ventriculi cerebri), von denen man bes. zwei seitliche, jede mit drei gewundenen Gängen (Hörnern, Cornua), unterscheidet. Die Seitenhöhlen des G-s enthalten: a) in ihrem mittleren Raum: aa) den gestreiften Körper (vordere Hirnganglien, Corpus striatum s. Ganglion cerebri anterius), ein flacher, von grauer Substanz gebildeter, vorn kolbiger, nach hinten spitziger Körper; bb) den Hornstreif (Stria cornea s. Centrum semicirculare Vieusenii), ein bandförmiger, etwas erhabener, weißer Streif, auf welchem das Seitenadergeflecht (Plexus choroideus, s.u. Gehirnhäute) liegt; zwischen dem vorigen u. folgenden: cc) der Sehhügel (Thalamus nervi optici, Ganglion cerebri posterius), eine weiße, nach vorn spitzige, nach hinten kolbige Erhöhung, von dem ein Schenkel zur Zirbeldrüse (s. w. unt.) geht, u. der sich hinterwärts in die Corpora quadrigemina u. den Tractus nervi optici fortsetzt u. hier den hinteren Höcker od. knieförmigen Körper bildet. An den Sehhügeln finden sich, an seinem hinteren kolbigen Theil, drei rundlige Hügel, hintere Höcker od. knieförmiger Körper (Corporageniculata) genannt. b) In dem vorderen Horn, welches sich in den vorderen Hirnlappen zieht, liegt das vordere kolbige Ende des Körpers; c) in dem hinteren Horn, welches in dem hinteren Hirnlappen mit einem scharfbegrenzten Winkel endigt, u. auf dessen Boden drei durch zwei scharfe Einschnitte bestimmte Wülste: fingerförmige Erhabenheiten, Vogelklaue, kleiner Seepferdsfuß (Pes hippo campi minor s. Calcar avis) sich befinden; d) das untere od. absteigende Horn tritt bogenförmig in den mittleren Hirnlappen herab, ist fast ganz von einer rundlichen Wulst ausgefüllt (großer Seepferdsfuß, Pes hippocampi major, Cornu Ammonis), an dessen scharfem Rande sich ein Saum (Taenias. Fasciadentata), der mit dem Gewölbe (s. w. unt.) zusammenhängt, u. an seinem kolbigen Ende drei bis vier kleine Wülste (Digitationes) befinden. Die Seitenhöhlen stehen durch das Foramen Monroi mit der dritten Hirnhöhle in Verbindung, welche ein mit dem in den Seitenhöhlen befindliches zusammenhängendes Adergeflecht enthält (Plexus choroideus tertius), zwischen den Sehhügeln, unter dem Gewölbe (s. unt.) über der Substantia perforata media u. dem Tuber cinereum gelegen u. nach vorn u. hinten von den Commissuren begrenzt ist. In ihr befindet sich der Zugang zum Trichter (s. unten) u. der Anfang des Sylvischen Kanals, der sich mit der vierten Gehirnhöhle, welche in dem verlängerten Mark (s. unten) gelegen ist, verbindet. Die beiden Seitenhöhlen werden durch eine vom Balken, dessen Querstreifen abwärts gehen, gebildete, markige Scheidewand (Septum pellucidum) getrennt, die selbst eine kleine Höhle (fünfte Hirnhöhle) zwischen sich hat. Die Scheidewand verbindet den Balken vorwärts mit einem tieferen markigen Bogen (Gewölbe, Fornix), welcher vorn zwischen die beiden gestreiften Körper, hinterwärts zwischen die beiden Sehhügel tritt u. sich dann mit dem Balken selbst vereinigt. Er theilt sich nach vorn in zwei Schenkel (Crura s. Columnae fornicis), die sich mit den Markkügelchen (s. unten) vereinigen u. nach hinten in zwei ähnliche, welche nach unten mit einem Saum u. einer grauen gezahnten Leiste (Fascia dentata) versehen sind u. den unteren Theil des Balkens in einer dreieckigen Begrenzung (Davidsharfe, [62] Psalterium) zwischen sich haben, sich dem großen Seepferdsfuß anschließen. Als verbindende Theile der beiden Gehirnhälften zeigen sich martige Querfaden (Commissurae), zwischen den beiden Sehhügeln, ein vorderer u. ein hinterer. Unter jenem, zwischen den vorderen Theilen der Sehhügel, führt eine Öffnung zum Trichter (Aditus ad infundibulum, s. unten); eine andere, unter dieser, zwischen den hinteren Theilen der Sehhügel, führt zum Sylviusschen Kanal (s. oben) u. dieser zu dem Vierhügel (Eminentia quadrigemina), die als zwei Paare (ein vorderes u. ein hinteres), kugelig gewölbt, das Mark des großen u. kleinen G-s mit einander verbinden. Zwischen dem vorderen Paar liegt die Zirbeldrüse (Glandula pinealis), ein röthlichgrauer, linsengroßer, weicher, länglichrunder, auf jeder Seite durch einen kurzen, markigen Schenkel (Stiel, Pedunculus glandulae pinealis) mit dem hinteren Umfange des betreffenden Sehhügels verbundener Körper, in u. um welchen sich kleine gelbe feste Körner (Hirnsand, Acervulus) finden. Durch die Vierhügel geht von vorn nach hinten die Wasserleitung des Sylvius (Aquaeductus Silvii) u. zu seiner Mündung zieht sich von dem Ausgange des Rückenmarkkanals, im Grunde der vierten Gehirnhöhle, eine vertiefte Linie, deren unterer Theil als Schreibfeder (Calamusscriptorius) bezeichnet wird. An der unteren Fläche des großen G-s (Basis cerebri) bemerkt man in der Mittellinie des G-s, wenig hinter der die Hemisphäre trennenden Spalte, die Kreuzung (Chiasma) der Sehnerven, an welche sich von hintenher die Tractus nerv. opt. anschließen u. aus denen die Sehnerven hervortreten. Der graue Höcker (Tuber cinereum), ein weicher, röthlichgrauer Hügel, dessen vordere, fast senkrecht von der vorderen Commissur zum Chiasma herabsteigende Fläche auch graue Endplatte (Laminaterminalis) heißt Aus ihm geht ein weicher, mehr röthlicher, cylindrischer, etwa eine Linie dicker Theil, der Trichter (Infundibulum) ab, der sich aber auf dem Boden des vierten Ventrikels öffnet u. mit seinem unteren, dünnen, nicht hohlen Stiel an den Hirnanhang (Schleimdrüse, Glandula pituitaria), einen länglichrunden, auf dem Türkensattel liegenden, durch eine Querspalte, in deren Mitte sich der Trichter einsenkt, in zwei Lappen getheilten Körper anschließt. Die Markkügelchen (weiße od. brustförmige Erhabenheiten, Corpora mamillaria s. candicantia), kleine kugelförmige, dicht an einander, vor dem Hirnknoten, zwischen den Hirnschenkeln liegende Körperknochen, aus denen die vorderen Schenkel des Gewölbes entspringen. In der Vertiefung zwischen den Hirnschenkeln liegt die den hinteren Theil des Bodens der vierten Hirnhöhle bildende Substantia perforata media. Auf der unteren Fläche des vorderen Hirnlappens, parallel mit dem inneren Rande desselben, die Furche für den Riechnerven u. an deren hinterem Ende eine dreiseitige, pyramidale Erhabenheit (Caruncula myrtiformis), die, von den drei Wurzeln des Riechnerven durchzogen, von vielen für Blutgefäße bestimmten Löchern durchbohrte Siebplatte (Laminacribrosa od. Substantia perforata anterior). Zwischen den vorderen u. mittleren Hirnlappe befindet sich eine tiefe Spalte, das Thal (Fossa Sylvii), in welcher von Theilen der drei Hirnlappen bedeckt, eine von vorn nach hinten gehende, mit Hirnwindungen umgebene Wulst, die Insel, gelegen ist. An der unteren Fläche des mittleren Hirnlappens die Hirnschenkel (Pedunculi s. Crura cerebri), starke Bündel von Nervenfasern, am Rande des Hirnknotens eng zusammengedrängt hervorkommend, dann sich excentrisch gegen jede Halbkugel ausbreitend; Ursprung des dritten u. vierten Hirnnervenpaars.

B) Das Kleine G. (Cerebellum) ruht in der hinteren Grube der Hirnschale u. besteht ebenfalls aus zwei Hemisphären, von mehr rundlicher Gestalt, mit einem schmalen Mitteltheil (Wurm, Vermis). Es hat gleichfalls Windungen auf seiner Oberfläche, mit Furchen dazwischen, aber in gleicher Richtung verlaufend, schmäler u. tiefer eingehend. Auch in ihm unterscheidet man graue u. markige Masse, doch zeigen die Schnittflächen in das kleine G. eine andere Verbindung beider Substanzen mit einander, indem sich die erste auch zwischen die Windungen in die Vertiefungen u. Nervenvertiefungen einsenkt, so daß die Schnittflächen ein baumartiges Ansehen haben (Lebensbaum, Arbor vitae). Auch vom kleinen G. gehen markige Schenkel (Crura cerebelli) ab, u. zwar ein oberes Paar zu dem vierfachen Hügel, ein mittleres zu den Gehirnknoten u. ein unteres zu dem verlängerten Mark. Zwischen dem ersten Schenkelpaare findet sich ein kleiner markiger Querfaden (Trabecula medullaris cerebelli) u. dahinter ein dünnes markiges Plättchen (Valvula cerebelli), welches klappenartig die vierte Hirnhöhle bedeckt. Man unterscheidet folgende Lappen: a) in der Mittellinie: der Centrallappen im vorderen halbrundförmigen Ausschnitte, auf dem Marksegel (s. unten) liegend, in der Mitte am dicksten, nach beiden Enden sich verschmälernd. Der obere od. vordere Wurm (d.h. die vordere Hälfte des Wurms) u. an diesem die erhabenste Stelle der Berg (Monticulus) genannt. Mehrere Commissuren od. Querbänder. Der untere Wurm, welcher das Dach des vierten Ventrikels bildet u. zwischen beiden Hemisphären im Grunde des Thals liegt. An ihm Tuber valvulae, ein unter dem hinteren Ende des Oberwurms befindliches Blatt; die Wurmpyramide (Pyramis vermis), vor dem Vorigen gelegen, in den zarten u. zweibäuchigen Lappen (s. unten) übergehend. Mehr nach vorn an der Basis der Pyramide: der Zapfen (Uvula), an beiden Seiten mit den Mandeln zusammenhängend; das Knötchen (Nodulus Malacarne), das spitzig zulaufende Ende des Wurms, auf dem verlängerten Marke ruhend, von welchem das hintere Marksegel als eine weiße Platte zu den Flocken (s. unten) hingeht. b) An den Hemisphären. Diese sind an der oberen Hälfte durch einen tieferen Einschnitt in den vorderen vierseitigen u. hinteren oberen Lappen getheilt. An der unteren Hälfte sind die Hemisphären durch eine längliche von vorn nach hinten gehende Vertiefung (das Thal, das auf dem verlängerten Mark ruht) getrennt. Mit diesem sich kreuzende, tiefere, schroffe Einschnitte bilden folgende, durch die, das ganze Cerebellum in seinem Umfang umziehende Horizontalfurche, von denen der oberen Hälfte geschiedene Lappen die hinteren unteren od. [63] halbmondförmigen neben dem Tuber valvulae, die vorderen unteren, welche in die zarten u. zweibäuchigen getrennt sind, neben der Wurmpyramide. Zwischen diesen Lappen liegen auf jeder Seite in einer rundlichen Vertiefung, dem Schwalbennest, die Mandeln (Tonsillae s. Lobi spirales), rundliche, mit Quereinschnitten versehene Abtheilungen, u. endlich die Flocken (Flocculi), weiche zackige Fortsätze, die sich in die, am Knötchen anhängende, unter dem Schwalbenneste ausgespannte hintere Hirnklappe (Valvula cerebelli posterior s. Velum medullare posterius) fortsetzen.

C) Der Gehirnknoten (Varols Brücke), Pons Varolii, Protuberantia annularis), noch bedeutend kleiner, als das kleine G., wird aus dem zweiten, dickeren Paare der Schenkel des kleinen G-s zusammengesetzt. Er ist eine gewölbte Wulst, zeigt sich äußerlich markig, hat aber innerlich viel graue Masse. Die markigen Schenkel des großen G-s mischen sich theilweise mit ihm, so daß das Mark des großen u. kleinen G-s sich hier vereinigt, Man nennt auch die mittlere Gegend des G-s von dem Gehirnknoten an, doch mit unbestimmten Grenzen, das Mittelgehirn (Mesocephaliun).

D) Das verlängerte Mark (Medulla oblongata), geht vom hinteren Rande des Gehirnknotens in die Grube des Grundtheils des Hinterhauptbeins bis zum großen Hinterhauptsloche fort u. zeigt, als Kopftheil des Rückenmarks, zur Seite drei Erhabenheiten, die als Pyramidalkörper (Corpora pyramidalia), Fortsetzungen der Schenkel des großen G-s, als strangförmige Körper (C. restiformia) u. als Olivenkörper (C. olivaria), zwischen beiden, bezeichnet werden. Von ihm u. den Gehirnknoten entspringen die meisten Gehirnnerven.

II. (Physiol.). Das G. erreicht schon bis zum dritten u. völlig bis zum siebenten Jahre seine Ausbildung. Bis dahin ist das G. seiner Consistenz nach weicher; auch die Gehirnwindungen sind bis dahin noch unvollkommen. Im höheren Alter verschwindet die graue Substanz immer mehr u. die markige wird gelblicher. Im höchsten Alter verschrumpft das G., es wird specifisch leichter u. Geistesschwäche tritt ein. Mit der geistigen Verstandesthätigkeit steht bes. das große G. in Beziehung, u. es ist für diese nicht nur seine Größe u. gewölbte Form, sondern auch die Eigenheit seiner Windungen, welche kein Thier so hat, von Einfluß. Daß auch die besonderen Größen- u. Entwickelungsverhältnisse einzelner Gehirntheile, ihre mehrere u. mindere Entwickelung, gewissen Geistesfähigkeiten u. Geisteseigenheiten entsprechen, ist entschieden, obgleich die Deutung derselben, wie solche Gall versucht hat, sehr problematisch ist, Der Bau des kleinen G-s entspricht weit mehr, als der des großen, dem der Thiere; doch ist der innere Bau, bes. in der Menge u. Feinheit der Blättchen, die sich durch Einführung von grauer Substanz in weiße bilden, beim Menschen vollendeter u. scheint auch mit der höheren Ausbildung des geistigen u. Gefühlsvermögens in Übereinstimmung zu stehen. Für das Gehirnleben ist eine unaufhörliche Zu- u. Rückströmung des Blutes nach dem G. nothwendige Bedingung, u. es scheint dasselbe vorzugsweise in den Abgrenzungsstellen der grauen u. weißen Substanz seine materielle Bedingung zu haben, wo in der Absonderung aus dem Blute ein animalisch-chemischer Proceß, in unaufhörlicher Zersetzung u. Wiedererzeugung, vor sich gehen mag, dessen eigentliche Natur jedoch der wissenschaftlichen Einsicht entzogen ist. Alles, was das G. drückt u. in seiner Thätigkeit hemmt, bewirkt Abstumpfung, auch wohl gänzliche Unterdrückung der Geisteskräfte; was durch Reiz einwirkt, größere Lebhaftigkeit der einzelnen geistigen Kräfte, aber auch Geistesverwirrung. Besonders ist das Vorstellungsleben in ihm concentrirt, weshalb auch alle Sinne, mit Ausnahme des über den ganzen Körper verbreiteten Tastsinns, Kopfsinne sind u. eigene Gehirnnerven erhalten. Mittelst des Rückenmarks u. eigener Gehirnnerven steht aber das G. mit dem ganzen Körper in nächster Verbindung u. ist in diesem Centralorgan für Wahrnehmung u. Gefühle, obgleich an letzteren auch Brust- u. Unterleibsorgane Theil nehmen u. sie durch besondere Nerveneinwirkung, die vornehmlich vom Gangliensystem ausgehen, zu leidenschaftlichen steigern. Um des willen gehen auch Gehirnreize, sowohl erregende als niederdrückende, auch von anderen Theilen, bes. von Brust- u. Unterleibsorganen, aus, u. überhaupt scheint das Gehirnleben nur ein gesteigertes u. überwiegendes allgemeines Nervenleben zu sein, welches letztere daher auch in anderen Theilen, wenn das Gehirnleben in gewissen Lebenszuständen, wie im thierischen Magnetismus, unterdrückt ist, sich in gleicher Weise geltend macht Auch wird vom G. aus der Wille geleitet, durch Nerven, die theils von ihm unmittelbar, theils, u. noch mehr vom Rückenmark aus, zu den der Willkür unterworfenen Muskeln gehen. Vgl. K. F. Burdach, Vom Bau u. Leben des G-s, Lpz. 1822–25, 3 Bde.; R. Wagner, Physiologie, 3. Aufl. ebd. 1845; Carus, Psyche, 2. Aufl. Stuttg. 1851; Karl Vogt, Physiologische Briefe für Gebildete, 2. Aufl. Gießen 1854.

III. (Chem.). Früher unterschied man in chemischer Hinsicht in der Gehirnsubstanz, außer Eiweiß u. Wasser, ein flüssiges Gehirnfett (Cerebrin, Cerebrot) u. ein festes Gehirnfett (Hirnwachs). Conerbe fand, daß sich im G. außer Cholesterin (s.d.) noch vier eigenthümliche fettige Substanzen finden, nämlich: Cerebrot (Hirnwachs, Hirnstearin), Eleencephol (Cerebrol), Cephalot u. Stearoconot. Nach den Untersuchungen von Fremy enthält die Gehirnsubstanz außer Eiweiß, Wasser, gewöhnlichen Fetten u. seifenartigen Verbindungen von Ölsäure u. Margarinsäure noch die Natronsalze zweier eigenthümlicher Säuren, der Cerebrinsäure u. Oleophosphorsäure (s.d.). Nach Hauff u. Walther ist die Menge der Fette u. der Wassergehalt der Hirnsubstanz in den verschiedenen Theilen verschieden; so enthält die weiße Substanz 14–21 Proc. Fett u. gegen 70 Proc. Wasser, die graue Rindensubstanz 4–6 Proc. Fett u. 84–88 Proc. Wasser. Das weiße Fett kommt in der Medulla oblongata vor.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 61-64.
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