Montalemberts Befestigungsmanier

[408] Montalemberts Befestigungsmanier, die Befestigungsmanier nach den Vorschlägen M. ist eine Verbesserung des von Dürer, Landsberg; Rimpler, Dahlberg u. Carlsberg bereits Angegebenen, mit höchst genialen Zusätzen; sie bildet den Übergang zur neueren Befestigungsmanier. Wie [408] Napoleon seine Siege dadurch erfocht, daß er auf dem entscheidenden Punkte überlegene Kräfte in Wirksamkeit setzte, so wollte auch Montalembert mit seinen Vorschlägen erreichen, daß jeder vom Feinde angegriffene Pnnkt einer Festung seine Hauptstärke in der dem feindlichen Feuer vielfach überlegenen Geschützwirkung finde. Um dieses Ziel zu erreichen, verwarf er zunächst die Bastionärbefestigung gänzlich u. wollte an deren Stelle eine tenalliirte od. eine Polygonalbefestigung setzen, u. durch ausgedehnte Anwendung von Kasemattenbauten die Vertheidiger möglich gegen das feindliche Feuer sicher stellen. Großen Werth legte er außerdem auf die Anwendung von einem Gürtel detaschirter Forts u. auf die Anlage starker Reduits u. zahlreit her permanenter Abschnitte in der Festung. Seine tenalliirte Befestigung will er so anlegen, daß die eingehenden Winkel 90°, die ausspringenden mindestens 60° betragen; die Länge der Tenaillenschenkel sollen höchstens 75 Ruthen betragen, damit bei dem Flankenfeuer auch das Kleingewehr noch kräftig mitzuwirken vermag. Nächst dem Hauptwall laufen bedeckte, kasemattirte Geschützstände von Stein, welche von dem hinter ihnen liegenden Erdwall 36 Fuß weit abgerückt sind u. daher den Druck der Erde des letzteren nicht auszuhalten haben. Die Strebepfeiler dieser Geschützstände sind verlängert u. überwölbt, daher kann, auch wenn die Futtermauern eingeschossen sein sollten, der Überbau des Geschützstandes doch nicht einstürzen, sondern eine dann aufgeworfene Brustwehr von Erde schützt die Geschütze gegen die directen Schüsse, das Gewölbe aber schützt sie gegen Bomben u. Granaten. Dergleichen Geschützkasematten schlägt M. vor, zwei od. drei Etagen über einander anzulegen, von denen die beiden untersten Stockwerke die Grabenvertheidigung besorgen u. das in ihnen aufgestellte Geschütz gegen die zu errichtenden Breschebatterien gerichtet sein, die oberste aber in das freie Feld schießen sollen. 36 Fuß hinter diesen Geschützkasematten erhebt sich eine schmale Contregarde, welche drei Auftritte für Schützen hat u. nicht mit Geschütz besetzt ist. Der Raum zwischen ihr u. den Geschützständen dient zur Communication. Hinter dieser Contregarde u. dem nassen, 40 Fuß breiten Graben folgt erst der Hauptwall, welcher an dem einspringenden Winkel noch einmal gebrochen ist u. dort kasemattirte Geschützstände hat, um sowohl die Contregarde, als den nassen Graben vor dem Hauptwalle zu bestreichen. Im Innern jedes ausspringenden Winkels liegt als letztes Reduit ein kasemattirter Montalembertscher Thurm (s.d.). Rings um den auf die eben beschriebene Art angelegten Hauptwall läuft ein 9 Ruthen breiter, wo möglich nasser Graben, u. jenseit desselben erhebt sich rings um die Festung herum eine Enveloppe mit Abschnitten, dann kommt wieder ein 5–6 Ruthen breiter Graben u. endlich ein bedeckter Weg mit Glacis. In den eingehenden Waffenplätzen des bedeckten Weges sind fleschenförmige doppelte Reduits angebracht. Die eben beschriebene Tracirung einer Festung ist die einfachste der von M. angegebenen; außerdem hat er sehr viele andere Weisen, eine Festung zu bauen, beschrieben, u. namentlich auch vielfältige Vorschläge gemacht zur Verstärkung der vorhandenen Bastionärbesestigungen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 408-409.
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