[110] Werth, der im menschlichen Urtheil anerkannte Grad von Nützlichkeit eines Sachgutes. Der W. drückt hiernach das Maß des Einflusses aus, welchen ein Gut auf den Zustand des Besitzers auszuüben vermag, od. die Stärke der Anziehung, welche jede Sache für das Begehren der Menschen äußert. Je nach der Art, wie die Sachgüter den menschlichen Zwecken zu Hülfe kommen, hat man dabei wirthschaftlich zwei Arten des W-es hauptsächlich zu unterscheiden, den Gebrauchs- u. Verkehrswerth. [110] A) Der Gebrauchswerth od. W. im engeren Sinne, als der Grad von Tauglichkeit, welchen eine Sache besitzt, um ihrem Besitzer bei der eigenen Anwendung für einen in der Bestimmung des Gutes liegenden, nicht erst durch den Verkehr vermittelten Zweck einen Vortheil zu gewähren, ist als die Grundlage jeder Schätzung anzusehen. Derselbe läßt sich selbst wieder in a) den reinen Genußwerth u. b) den Erzeugungswerth theilen, von denen der erstere in der Fähigkeit der Sache persönliche Güter, d.h. Nutzen od. Vergnügen, hervorzubringen, der andere in der Fähigkeit liegt mit derselben andere Güter von anerkanntem Gebrauchswerthe für seinen Bedarf hervorzubringen. Der Genußwerth hängt dabei theils von der Stelle ab, welche der nächste Gebrauchszweck in der Gesammtheit menschlicher Zwecke einnimmt, so daß in der Regel diejenigen Sachen, welche Befriedigungsmittel der dringendsten Lebensbedürfnisse sind, verhältnißmäßig den höchsten Werth haben; theils von dem Verhältniß des einzelnen Gutes zu anderen, welche zu dem nämlichen Zwecke anwendbar sind. In je höherem Grade eine Sache zur Erreichung seiner Bestimmung geschickt ist, um so werthvoller wird sie. B) Der Verkehrs- od. Tauschwerth bezeichnet den Grad der Tauglichkeit einer Sache ihrem Besitzer zum Erwerbe anderer Güter im Verkehr behülflich zu sein. Dieser W. einer Sache ist zwar nicht unabhängig vom Gebrauchswerthe, setzt ihn vielmehr voraus, allein er steht unter dem Einfluß veränderlicher, äußerer Umstände, welche sich im Verkehr kund geben, der Concurrenz, des W-es der in Tausch gegebenen Objecte etc. Die Erforschung des letzteren W-es ist bei manchen Gegenständen zu einer ausgebildeten Kunst (Taxation, Werthschätzung) geworden, bei welcher die Reduction jetzt gewöhnlich auf Geld als das allgemein übliche Tauschmittel erfolgt. Eine solche Taxation kann dann wieder in zweifacher Weise verfahren, indem sie den sogenannten Gattungswerth (abstracten W.) vermittelt, welchen die Sache im gemeinen Leben für Jedermann hat; od. den concreten, individuellen W., bei welchem das Interesse des jeweiligen Besitzers, od. dessen, welcher die Sache erwerben will, den Ausschlag gibt. Für manche Sachen wird der Gattungswerth in regelmäßigen Zeiträumen unter öffentlicher Mitwirkung festgesetzt, wie z.B. der W. der gewöhnlichsten Lebensbedürfnisse durch die Markttaxe, der Staatspapiere durch den Börsenzettel. Juristisch kommt die Abschätzung des W-es einer Sache bes. C) civilrechtlich in den Fällen in Betracht, in welchen die Nothwendigkeit eintritt das Äquivalent für eine Leistung herzustellen, deren individueller Gegenstand nicht hergestellt od. nicht erzwungen werden kann. Die richterliche Ermittelung des W-es (Aestimatio rei, quanti ea res est) hängt theils von dem Gegenstand ab, dessen W. bestimmt werden soll, theils von den Umständen, welche bei der Ästimation zu berücksichtigen sind. Auf den Verkaufswerth des Objectes (Verum rei pretium) hat sich nämlich die Ästimation nur zu richten, wenn der W. entweder gar nicht als Gegenstand einer Forderung, od. zwar als solcher, aber. ohne Voraussetzung eines erlittenen Schadens vorkommt. Ist dagegen der W. in Folge eines Nachtheiles, dessen Ersatz aus irgend einem Grunde gefordert werden kann, zu leisten, so geht die Ästimation auf den individuellen W. des Gegenstandes für den Gläubiger, also mit Berücksichtigung derjenigen Umstände, welche diesen W. bestimmen (Aestimatio ejus, quod interest). Dieses Interesse kann der Höhe nach zufällig mit dem Pretium rei gleich sein, es kann aber auch dasselbe weit übersteigen u. ebenso hinter demselben zurückbleiben. Hierbei gilt jedoch auch im letzteren Falle noch als Vorschrift, daß in der Regel nur der eigentliche Vermögenswerth u. der gemeine, durch die Sache u. ihre allgemeine Bestimmung selbst gegebene Nutzen (Utilitas circa rem ipsam) in Berechnung zu ziehen ist, daher nicht ein etwaiger sogenannter Affectionswerth (Pretium affectionis), d.h. ein Interesse, welches Jemand nur aus Liebhaberei od. besonderen rein persönlichen Ursachen an dem Gegenstand genommen hat. Eine Ausnahme erleidet diese Art der Schätzung da, wo dem Benachtheiligten das Recht gegeben ist sein Interesse selbst durch eidliche Betheuerung (Jus jurandum in litem, Würderungseid) zu bestimmen, indem hier an die Stelle von Rechtsregeln lediglich das Gewissen des Schwörenden tritt, welche eine äußere Grenze dann nur in dem vom Richter arbiträr zu setzenden Maximum findet. Diese Schätzungsart tritt ein, wenn die Restitution od. Exhibition eines Gegenstandes, welche ein Anderer zu fordern berechtigt ist, durch den Dolus od. die Culpa lata (s. b.) des Inhabers unmöglich gemacht worden ist u. zugleich der W. des dadurch entstandenen Schadens nicht auf eine andere Weise ermittelt werden kann. Bei der Rückforderung entwendeter Sachen mittelst der Condictio furtiva gilt der besondere Satz, daß der Bestohlene den höchsten W., welchen die gestohlene u. nicht wieder zu erlangende Sache von Zeit des begangenen Diebstahls an gehabt hat, fordern darf. Bei Kauf- u. Tauschgeschäften gilt zwar im Allgemeinen die Regel, daß Jeder so hoch kaufen u. verkaufen kann, wie er will, so daß für die Gültigkeit des Geschäftes nichts darauf ankommt, ob der Preis dem wahren Werthe des Kaufobjectes entspricht od. nicht; doch erleidet dies insofern eine Ausnahme, als in dem Falle, wenn der Preis nicht einmal die Hälfte des wahren W. es erreicht hat (Laesio ultra dimidium, L. enormis), der Verkäufer auf Wiederaufhebung des Contractes klagen kann, selbst ohne daß er nöthig hätte einen Dolus des Käufers nachzuweisen. In ähnlicher Weise wird bei gerichtlichen Subhastationen, wenn für den versteigerten Gegenstand nicht einmal der vorher ermittelte gemeine Taxwerth erlangt worden ist, dem früheren Eigenthümer des subhastirten Objectes gestattet binnen einer gewissen Frist (Reluitionsfrist) durch Anzahlung der Subhastationssumme den Gegenstand wieder einzulösen. Bei Wechseln galt es sonst nach manchen Wechselordnungen für ein Erforderniß der Gültigkeit derselben, daß in dem Wechseldocument angegeben werden mußte, der Aussteller habe den W. (Valuta) erhalten; nach den neueren Wechselordnungen, bes. der allgemeinen deutschen, bildet dies kein Erforderniß mehr. D) Im Criminalrecht bildet der W. eine hauptsächliche Grundlage für Bestimmung der Strafbarkeit des Verbrechers bei den sogenannten Eigenthumsverbrechen. Je werthvoller der beschädigte, gestohlene, geraubte Gegenstand war, um so höher steigt die Strafe des Verbrechens. Bei manchem Verbrechen ist der W. so entscheidend, daß von demselben überhaupt die gerichtliche Strafverfolgung[111] abhängt. Ist die gestohlene Sache in unverändertem Zustande wiedererlangt worden, so wird der W. derselben durch vereidete Sachverständige nach dem gemeinen Verkaufswerth festgestellt; ist sie überhaupt nicht od. nur in verändertem Zustande wieder zu erlangen gewesen, so tritt aushülfsweise auch hier die Schätzung durch den Verletzten (Damnificaten) ein.