Erde [1]

[828] Erde. I. (Astron. u. phys. Geogr.). A) Die E. nimmt in ihrem kosmischen Verhältniß, als weltkörperliche Masse (Erdkörper), in dem Planetenreich des Sonnensystems zwischen Venus u. Mars die 3. Stelle ein. Ihre Form ist die einer, an den Polen, dabei aber nur wenig (um etwa 1/299 des größeren Durchmessers), auch nicht völlig gleichmäßig abgeplatteten Kugel (Erdkugel, schärfer Erdsphäroid). Die Methode, sich über die Gestalt u. Größe der E. zu unterrichten, besteht. darin, daß man an verschiedenen Orten einen Theil eines ihrer größten Kreise (eines Meridians), welcher zugleich nach seinem Winkelmaß auf astronomischem Wege bekannt sein muß, geodätisch vermißt. Dergleichen Untersuchungen tragen den Namen Gradmessungen. Man vermuthete lange a priori eine Abplattung der E. nach den Polen zu, doch schienen die auf Veranstalten der französischen Akademie der Wissenschaften unter Leitung von Picard u. Cassini 1680–1718 unternommenen, freilich nur auf die kurze Ausdehnung Frankreichs sich erstreckenden Messungen das Gegentheil darzuthun, bis endlich wiederholte Messungen, welche Maupertuis in Lappland u. Bougners in Südamerika vornahmen, die Abplattung erwiesen. Außer den obengenannten Messungen haben de la Caille 1750 (am Cap der guten Hoffnung), Le Maire u. Boscovich 1751–1753 (in Italien), Beccaria 1768, Mason u. Dixon (in Pennsylvanien) 1768, Liesganig (in Österreich) 1770, Molanderhielm (in Schweden) 1802, Lambton (in Ostindien) 1803 etc. ähnliche angestellt. Die größte Berühmtheit haben die Gradmessung von Delambre u. Mechain 1792–1808, welche sich von Dünkirchen bis Formentera über 121/2 Grad erstreckten u. die Feststellung des Metermaßes zum Zwecke hatten, ferner in noch neuerer Zeit die von Schumacher in Dänemark, von Gauß in Hannover, von Bessel in Preußen, endlich die 1817 begonnene u. 1853 vollendete unter Struve u. Tenner in Rußland erlangt, welche letzte 251/3 Grad umfaßt u. unter Anwendung der vorzüglichsten Messungs- u. Rechnungsmethoden ausgeführt ist. Nach der auf den neuesten Messungen gegründeten Besselschen Berechnung ist der Äquatorialhalbmesser 3,272,077 Toisen, der Polarhalbmesser 3,261,139 Toisen, ein Grad des Äquators 57,108 Toisen, folglich eine geographische Meile od. der 15. Theil des letzteren 22843,4 Pariser Fuß, in runden Zahlen aber die Erdachse 1713 u. der Äquatorialdurch messer 1719 Meilen, der Erdumfang 5 400 Ml. am Äquator, die Erdoberfläche 9,250,900 geographische QM., ihr cubischer Inhalt 2646 Cubikmeter. Die Unebenheiten, welche Berge machen, sind unberücksichtigt, da der höchste Berg nicht 1/1400 des Durchmessers der E. u. nicht mehr als auf einer Kugel von 6 Fuß Durchmesser etwa ein Sandkorn von 1/2 Linie beträgt. Versuche zur Bestimmung der mittleren Dichtigkeit der E. haben gemacht: Maskelyne durch die Ablenkung des Bleilothes von der durch die anziehende Masse der E. bedingten verticalen Richtung des Bleilothes in der Nähe eines, seiner Masse nach leicht bestimmbaren Berges (Shehallien in Pertshire); Carlini durch Vergleichung der Schnelligkeit der Schwingungen eines Pendels in der Ebene u. auf einer Bergspitze; zuletzt Reich u. Baily mit der Coulombschen Drehwage (s.d.), die gegen eine genäherte Masse von bekanntem Gewicht horizontale, von der Anziehung der E. unabhängige Schwingungen machte. Die letzte, die zuverlässigste (weil von der Bestimmung der Masse eines Berges unabhängige) Methode, hat als Resultat ergeben, daß, die Dichtigkeit des Wassers als Einheit gesetzt, die der E. = 5,44 ist. Da die Dichtigkeit des starren Theils der uns zugänglichen[828] Erdoberfläche durchschnittlich 2,7 u. die Dichtigkeit der trockenen u. oceanischen Oberfläche 1,6 beträgt, so folgt aus Obigem, daß die Dichtigkeit der E. nach ihrem Inneren zunehmen muß. Der Grund hierzu ist in dem Drucke der auf einander lastenden Schichten zu suchen, dem jedoch theilweise die expandirende Kraft der nach dem Inneren wachsenden Temperatur entgegenwirkt.

B) Die E. ist, als Weltkörper (Erdplanet), in einer rotirenden Kreisbewegung um sich selbst u. in einer fortschreitenden (progressiven) Bewegung um die Sonne. a) Für die rotirende Bewegung bildet der kleinste ihrer Durchmesser die Drehungslinie, wird also zur Erdachse, deren Endpunkte an der Oberfläche die Erdpole bilden. Hiernach wird ihr größter, von jedem ihrer Pole gleich weit abstehender Umkreis für sie ein Erdgleicher (Erdäquator). Die Richtung, wohin diese Bewegung geht, wird als Osten, die gegenseitige als Westen bezeichnet. In Folge dieser Bewegung scheinen in der Gegend des Äquators, während dieser Bewegung, die Sonne u. alle Himmelskörper sich von Osten nach Westen über die E. weg zu bewegen. Die eine der Erdhälften (Hemisphären) vom Äquator aus (u. zwar, der Richtung von Westen nach Osten als Hauptrichtung, zur linken Seite), ist die nördliche, die entgegengesetzte die südliche Hemisphäre. Von beiden bildet der entsprechende (Nord- u. Süd-) Pol die Mitte. Beide Pole behaupten immer dieselbe Richtung, mithin auch die Erdachse, bis auf eine Unerheblichkeit von gegen 18 Minuten. Letzteres Schwanken (Nutation) der Erdachse, erfolgt innerhalb einer bestimmten Periode von 18 Jahren u. 71/2 Monaten, derselben Periode, binnen welcher auch die Mondbahn die nämliche Lage gegen den Erdäquator wieder erhält. Es wächst dadurch die Neigung der Ekliptik gegen den Äquator die Hälfte dieser Zeit (also etwas über 91/4 Jahre), u. verringert sich dann die 2. Hälfte hindurch wieder um eben so viel. Die Ursache dieser Erscheinung beruht zunächst auf der Attractionskraft, die der Mond während der Periode, in welcher die Durchschnittspunkte der Mondsbahn die Ekliptik durchlaufen, auf die gewölbtere Erdmasse in der Äquatorialgegend in etwas verstärkterem Maße äußert. Bradley entdeckte 1727–36 zuerst dieses Phänomen. Nach der völlig gleichmäßigen rotirenden Bewegung der E. aber wird die Länge eines Tags bestimmt (Tag- u. Nachtzeit als Eine gerechnet). Die Periode einer jeden Rotation ist aber um etwas kürzer als eine Tagesdauer nach gewöhnlicher Zeiteintheilung, nämlich nur 23 Stunden 56 Minuten u. etwa 6 Secunden, weil die E. jeden Tag, nach Beendigung einer Rotation, noch 3 Minuten u. etwa 54 Secunden bedarf, um denselben Stand gegen die Sonne zu bekommen, wie den Tag zuvor, indem sie während desselben zugleich 1/365 ihrer Bahn um die Sonne zurückgelegt hat. Hieraus entsteht der Unterschied zwischen Sternenzeit u. Sonnenzeit in der Tagseintheilung, weil die E. gegen Fixsterne nach jener Zeit denselben Stand wieder hat, wie zuvor. Alle Abstände auf der Erdoberfläche werden, eben so wie die Abstände am scheinbaren Himmelsgewölbe, nach Kreisbogen gemessen. Ein Bogen eines größten Kreises von einem Pol zum anderen, also vom Betrag eines Halbkreises, heißt ein Meridian; ein Kreis, welcher parallel zum Äquator von West nach Ost läuft, ein Parallelkreis. Alle Meridiane schneiden die Parallelkreise u. den Äquator unter rechten Winkeln. Die Parallelkreise werden um so kleiner, je näher sie den Polen sind, so z.B. beträgt die Länge eines Grades auf einem um 45° vom Äquator entfernten Parallelkreise nur noch 10,6 Meilen. Auf den Meridianen werden vom Äquator an die Breitengrade, auf dem Äquator u. den Parallelkreisen von einem gewissen Anfangspunkte an die Längengrade abgemessen. Als Anfangspunkt der Längengrade dient gewöhnlich Ferro, welches genau 20 Grad westlich vom Meridian von Paris liegt.

Den Beweis für die Achsendrehung der E. lieferte zuerst Copernicus; sein neues System fand mehrfachen Beifall, u. bes. Galilei, welchem die Erfindung des Fernrohrs dabei sehr zu Hülfe kam, trug zur allgemeinen Aufnahme der Copernicanischen Theorie viel bei. Dagegen leugneten Tycho Brahe, Riccioli, Marsenne u. Petit die Achsendrehung der E., indem sie meinten, daß so die Vögel ihre Nester nicht wiederfinden könnten, u. eine senkrecht in die Höhe geschossene Kugel hinter der nach Osten voreilenden E. weit zurückbleiben müßte, wenn wirklich eine solche Bewegung stattfände. Newton hat zuerst den Vorschlag gemacht, Körper aus bedeutender Höhe herabfallen zu lassen, u. aus deren östlichem Voraneilen auf die Achsendrehung der E. zu schließen. Er entwickelte 1679 vor der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in London die Ansicht, daß ein von einem Thurme herabfallender Körper östlich vom Fuße desselben auftreffen muß, weil die Spitze des Thurmes wegen der Achsendrehung der E. sich schneller bewegt; wies zuerst darauf hin, daß die Bewegung der auf der E. befindlichen Körper eine zusammengesetzte sei u. daß ein Körper, wenn auf ihn zwei Kräfte in verschiedenen Richtungen wirken, beiden zugleich folgt, indem er die Richtung der Diagonale ihres Parallelogrammes durchläuft. Ist aber eine dieser Kräfte eine stetig wirkende, so geht die Diagonale in eine krumme Linie über. Läßt man daher einen Stein von der Spitze eines Thurmes herabfallen, so muß derselbe, weil er während seines ganzen Falles die schnellere Bewegung der Spitze beibehält, wenn er die E. erreicht, einen größeren Weg, als der Fuß des Thurmes, zurückgelegt haben, er muß also östlich vom Fuß des Thurmes niederfallen. Auf Grund dieser Erscheinung angestellte Versuche von Hooke u. Guiglielmini ergaben indessen keine günstigen Resultate, u. erst Benzenberg, der 1802 in dem 235 Fuß hohen Michaelsthurm in Hamburg u. 1804 in dem 260 F. tiefen Kohlenschacht Schlehbusch in der Grafschaft Mark experimentirte, erhielt Abweichungen, welche mit den von Gauß durch Rechnung gefundenen genau übereinstimmten. Schon hierdurch war der Beweis für die Achsendrehung der E. vollständig geführt. Daß die Abplattung der E. an den Polen von der Umdrehung derselben herrühre, wurde erst ziemlich spät dargethan, namentlich da man aus einer falschen Messung des Meridians von Seiten einer französischen Commission den Schluß zog, daß die Abplattung nicht den Polen, sondern den Äquatorialgegenden zukomme. Ein fernerer Beweis für die Achsendrehung der E. ergab sich, da man beobachtet hatte, daß ein Pendel am Äquator langsamer schwingt, als an den Polen. Der Franzos Richor sand nämlich bei seiner Reise[829] nach Cayenne 1672 unter 5° nördl. Br., daß seine von Paris mitgebrachte Uhr täglich 2 Minuten nachging, was seinen Grund in den langsameren Schwingungen des Pendels hatte. Hiermit brachte man in Übereinstimmung, daß die Körper am Äquator leichter sind, als an den Polen, was in der verschieden großen Wirkung der Centrifugalkraft an verschiedenen Orten der E. seine Bestätigung findet. Da nämlich unter allen Punkten der E. die am Äquator gelegenen sich am schnellsten bewegen, die näher an den Polen gelegenen aber entsprechend langsamer, so wird die Centrifugalkraft um so stärker wirken, je mehr man sich dem Äquator nähert; unter dem Äquator selbst erreicht sie ihr Maximum, an den Polen ist sie = 0. Da ferner auf alle Körper der E. zugleich Schwere wirkt, u. diese der Centrifugalkraft entgegengesetzt gerichtet ist, so tritt die Schwerkraft an den Polen in ihrer ganzen Wirkung auf, am Äquator aber wird sie durch die Centrifugalkraft vermindert. Den letzten, entscheidendsten Beweis für die Achsendrehung der E. hat Léon Foucauld, Physiker in Paris, zuerst in einem 1851 der Académie royale des sciences eingereichten Entwurf, ebenfalls mit Hülfe des Pendels geführt, s. Foucauldscher Versuch. Man hat in neuerer Zeit häufig die Wahrnehmung gemacht, daß auf Eisenbahnen, welche in der Richtung von Nord nach Süd verlaufen, die Locomotiven fast immer rechts aus den Schienen springen od. doch wenigstens einen wesentlich stärkeren Druck auf die rechte Seite des Gleises ausüben, u. sucht den Grund dieser Erscheinung in der Rotation der Erde um ihre Achse. Denkt man sich nämlich eine Eisenbahn genau in der Richtung eines Meridians verlaufend u. eine Locomotive auf ihr in schneller Bewegung z.B. von Süd nach Nord, so durchläuft dieselbe Zonen von immer veränderlicher Rotationsgeschwindigkeit, denn je näher der Parallelkreis dem Pole liegt, desto geringer ist die Centrifugalkraft. Ist die eigene Geschwindigkeit der Locomotive groß genug, so gelangt sie noch mit der in einem Parallelkreis mit größerer Centrifugalkraft erhaltenen Seitengeschwindigkeit in einen anderen, wo dieselbe merklich geringer ist. Der auf diese Weise entstehende Überschuß beider seitlichen Geschwindigkeiten übt einen Druck auf die Locomotive aus u. von dieser auf die Schienen u. zwar, wenn die Fahrt, wie hier angenommen wurde, von Süd nach Nord geht, in der Richtung von West nach Ost, also auf die rechte Seite; bei entgegengesetzter Fahrt erfolgt der Druck westwärts, also ebenfalls auf die rechte Schiene. Daß das Herausspringen aus dem Gleise die Folge eines verstärkten Druckes ist, versteht sich von selbst. Je mehr die Bahn von der Richtung des Meridians abweicht, desto geringer ist der Druck, weil der Winkel, unter welchem die Centrifugalkraft der E. u. die eigene Geschwindigkeit der Locomotiven wirken, kleiner wird; die Wirkung wird endlich zu Null, wenn die Bahn parallel dem Äquator geht, dann fallen die Richtungen der beiden Kräfte zusammen, aus denen kein Seitendruck resultiren kann; hier ist die Centrifugalkraft der E. constant. Ganz analog dieser Erscheinung ist eine andere zu beurtheilen, die man am Mississippi u.a. in der Richtung des Meridians verlaufenden Strömen gemacht hat, daß dieselben nämlich die auf ihnen chesindlichen Gegenstande, wie Treibholz, fast immer gegen das rechte Ufer bewegen u. hier in Stocken bringen. So ist auch die Thatsache, daß der Golfstrom Seetang u. Alles, was in seine Strömung geräth, ostwärts treibt, auf die tägliche Bewegung der E. um ihre Achse zurückzuführen.

b) In der progressiven Bewegung der E. um die Sonne wird, in einem Abstand von ihr zwischen 20,334,825 u. 21,030,055 geographischen Meilen eine, von einem Kreis nur wenig abweichende elliptische Bahn (Erdbahn), von 129,631,100 geographischen Meilen von ihr durchlaufen, u. zwar dies in 365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten u. etwa 37 Secunden Sonnenzeit, während sie sich in dieser Periode (wornach sich die Jahre der Erde, jedoch mit einer Zurechnung von 20 Minuten 34 Secunden, wegen Vorrückung der Nachtgleiche, reguliren) 366 u. fast 1/4 Mal um sich selbst gedreht hat. Diese Schnelligkeit übertrifft (das Licht u. die der Elektricität ausgenommen) jede auf der E. selbst bekannte u. beträgt in jeder Secunde etwa 41/20 Meilen, täglich 355,440 Meilen. Sie ist schneller (bis zu etwa 1/30) wenn die E. in ihrer elliptischen Bahn der Sonne näher, als wenn sie ihr entfernter sich befindet (vgl. Perihelium u. Aphelium), da sie dort 61 Minuten 10 Secunden, hier nur 57 Minuten 11 Secunden ihrer Bahn täglich durchläuft. Die Richtung der progressiven Erdbewegung ist von Osten nach Westen, doch nicht völlig der Richtung der rotirenden Erdbewegung entsprechend, sondern diese in einem Winkel von etwa 231/2 Grad durchschneidend. Wegen Veränderung des Standes zur Sonne scheint diese täglich um etwas von Westen nach Osten weiter zu rücken u. (wenn die Fixsterne beobachtet werden, in deren Nähe die Sonne an einem bestimmten Tage auf- u. unterging), jeden Tag sich von demselben von Westen nach Osten zu entfernen. Hiernach bildet sich die scheinbare Sonnenbahn am Himmel, innerhalb gewisser, als Thierkreis unterschiedener Sternbilder (s. Ekliptik). Wegen der Schiefe der Erdbahn gegen den Äquator bilden sich 2 Durchschnittspunkte (Äquinoctialpunkte), auf deren jedem die Sonne, wenn die E. sich in ihm befindet, den Erdbewohnern unter dem Äquator zur Mittagszeit in dem Scheitelpunkte (Zenith) steht, u. auf der ganzen E. Tag- u. Nachtgleiche eintritt. Zu zwei anderen Zeiten ist die E. der Sonne (einmal nördlich, einmal südlich) so schräg zugewendet, daß den Erdbewohnern unter einem Breitenkreis von 231/2 Grad die Sonne einmal im Jahre in der Mittagsstunde bis in den Scheitelpunkt sich erhebt. Diese Punkte der Erdbahn (Ekliptik) werden als Solstitialpunkte unterschieden. Hiernach sind für jede Erdhemisphäre die Zeiten des längsten u. des kürzesten Tags bestimmt, u. es regulirt sich, bes. für die über den 231/2 Grad hinaus reichenden Breitegrade, die Sommer- u. die Winterzeit, die also auf beiden Erdhemisphären immer eine entgegengesetzte ist. Zugleich werden hiernach die Erdzonen (vgl. Zonen) abgegrenzt, nämlich aa) eine mittlere heiße, innerhalb welcher die Sonne zweimal im Jahre in der Mittagszeit scheinbar über den Scheitel geht, von 231/2 (Grad nördlicher bis 231/2 Grad südlicher Breite reichend; bb) 2 gemäßigte, auf jeder Erdhemisphäre eine von 231/2 Grad Breite bis zu 661 Grad reichend. Hier naht sich die Sonne scheinbar in der Sommerzeit allmälig einem Höhenpunkte, der aber den Scheitelpunkt nie erreicht, senkt sich[830] aber in der Winterzeit auch nicht so weit, da sie in dem Meridian nicht noch über den Horizont sich erheben sollte. Hier ist der Unterschied der Länge od. Kürze der bürgerlichen Tage (der Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang) um so größer, unter einer je höheren Breite der Ort liegt; zugleich rücken die Punkte am Horizont, in denen die Sonne auf- u. untergeht, auf der nördlichen Hemisphäre im Sommer dem Nordpunkte, im Winter dem Südpunkte um so näher; für die südliche Hemisphäre gilt das Analoge. cc) 2 kalte od. Polarzonen, jenseit des 661/2 Breitengrades bis zu den Polen. Hier (wenn die Abweichungen, welche die Refraction der Lichtstrahlen veranlaßt, unbeachtet bleiben) senkt sich die Sonne, wenigstens an den Tagen ihrer höchsten Höhe, gar nicht unter den Horizont, geht weder auf noch unter; dagegen erhebt sie sich um die Zeit des entgegengesetzten Solstitiums gar nicht über den Horizont (wird gar nicht sichtbar), u. die Periode, wie lange beides Statt hat, wächst mit der Nähe eines Orts nach den Polen zu, so daß auf den Polen die Sonne von einer Tag- u. Nachtgleiche zur anderen entweder gar nicht über den Horizont sich erhebt, od. gar nicht unter denselben sich senkt. Hiervon nun ist größtentheils der Unterschied des Klimas (s.d.) auf der E., so wie, nebst dem Wechsel der Jahreszeiten, die große Verschiedenheit des organischen Lebens auf der Erde, nach den verschiedenen Orten auf derselben, abhängig. Die eigene Richtung der Erdbahn steht, wie diealler Planetenbahnen, mit der Richtung des Sonnenäquators in nächster Verbindung, die gegen sie nur einen Winkel von 7 Grad 29 Minuten macht. Außerdem ist sie von der gegenseitigen Attraction der Planeten abhängig, unter denen bes. Venus, als der nächste, u. Jupiter u. Saturn, als die größten, Einfluß haben; sie ist daher auch veränderlich, doch nur in mäßigen Grenzen (s.u. Ekliptik). Auch die Äquinoctialpunkte fallen nicht jedes folgende Jahr genau in die vorigen Stellen, sondern rücken auf der Ekliptik jährlich um 50'',2 vor, daher das eigentliche Jahr (die Wiederkehr der E. zu demselben Äquinoctialpunkt) um 20 Minuten 34 Secunden die Zeit der Vollendung ihrer Bahn überschreitet (vgl. Vorrücken der Nachtgleichen).

II. Dynamische Natur der E.Die Entstehung der E. (Geogonie) ist ein wohl nie zu lösendes Problem. Lichtenberg zählt (Geologische Phantasien, im Göttinger Taschenbuch 1795) 50 Hypothesen auf, deren keine befriedigt. Sie kommen entweder auf ein Zusammenballen einer in den Himmelsräumen unendlich sein zertheilten Masse zu einem Klumpen hinaus, wohin schon die älteste Annahme der Erdentstehung aus dem Chaos u. aus Atomen nach Leukippos, Epikuros, Demokritos gehört; od. auf Losreißung eines Theils der Sonne, durch eine Explosion von ihr aus; od. durch einen Kometen (Buffons Theorie); od. auch auf Vereinen mehrer sich naher Körper (nach de Luc); od. auf Zertrümmerung od. Verrückung früherer großer Weltkörper (unter Andern hielt Leibnitz die E. für eine ausgebrannte Sonne). Nach Laplace's Hypothese war die Sonne anfänglich von einer sehr wenig dichten, etwa luftförmigen Masse von ungeheuerer Ausdehnung umgeben. Aus ihr entstanden die Planeten u. so auch die E. durch Verdichtung der Masse um gewisse Punkte. Da der anfänglichen Sonnenatmosphäre eine Rotation eigen war, so erklärt sich auch hieraus die allen Planeten gemeinschaftliche progressive Bewegung um die Sonne. Jedenfalls war hierbei das Weltgesetz der Gravitation mit im Spiele. Die Schwere ist nämlich die allgemeinste Eigenschaft alles Körperlichen auf der E. u. ihrer selbst; sie ist die Folge der Anziehung der Massentheilchen unter einander u. äußert sich an den Körpern auf der E. darin, daß sie sich gegen den Mittelpunkt der E. zu bewegen streben. Auf der Oberfläche der E. ist der Fallraum der Körper in der 1. Secunde 155/8 rheinländische Fuß (um, 1/60 größer, als derselbe in der Entfernung des Mondes von der Erde beträgt u. als dieser, als Erdmond, gegen die E. gravitirt). Er ist etwas geringer in den Äquatorialgegenden (wegen der vermehrten Schwungkraft der E. in ihrer Umdrehung), eben so etwas geringer auf hohen Bergen. Aus diesem Gesetze, unter Vergleichung der Geschwindigkeit der Bewegung der E. um die Sonne mit ihrer Entfernung von ihr u. den Geschwindigkeiten der Bewegung u. der Entfernung anderer Planeten von der Sonne, ist auch die Dichtigkeit der E. als Weltkörper in Bezug auf andere abgeleitet (die E. ist hiernach über 4mal dichter als der Sonnenkörper). Eine absolute Schwere aber kann der E. gar nicht beigemessen werden, da die Schwere in der Mitte der E. indifferent wird, indem sie nur auf gegenseitiger Gravitation der Massentheile unter sich beruht. Berechnungen, wie die von Maserne, daß, wenn 1 Cubikfuß gemeine Erdart 100 Pfund wiegt, die E. (hier als fortgehend compact gedacht) gegen 31/2 Quadrillionen Pfund wiegen würde, od. daß ihr Gewicht nach Bailly 6,062tr., 165,592b., 211,410m.,488,889 Tonnen englisches Handelsgewicht betrage, sind leere Sätze. Außer der Schwerkraft sind der Magnetismus (als Erdmagnetismus), die Elektricität u. die Krystallisation eigene Kräfte der E. Die ihr eigene Temperatur (Erdwärme), hängt wahrscheinlich mit inneren Vorgängen zusammen, durch die eben so Wärmestoff gebunden als wieder frei wird. Sonst nahm man an, daß die Temperatur ziemlich dieselbe bleibe (+ 10° R.); jetzt hat man die Erfahrung gemacht, daß die tieferen Schichten der E. wärmer sind, als die oberen, u. daß je tiefer man in die E. hinabsteigt, um so höher die Temperatur der E. steigt. Die meisten aus einer gewissen Tiefe emporsprudelnden Mineralquellen zeigen eine die mittlere Ortstemperatur übersteigende Wärme, die weder von Entwickelung des kohlensauren Gases, noch von anderen chemischen Processen herrühren kann. Bis zu einer Höhe von 6000 Fuß schmilzt das Eis unter den Gletschern da, wo es den Boden berührt. Auch das Meerwasser scheint, den darüber angestellten Versuchen zu Folge, von unten erwärmt zu werden. Beim Bohren Artesischer Brunnen, z.B. bei Rüdersdorf unweit Berlin (880 Fuß tief), in Neusalzwerk in Westfalen (2220 Fuß tief), in Paris (der Brunnen la Grenelle 1684 Fuß tief) hat man wahrgenommen, daß überall die Temperatur des Wassers allmälig mit der Tiefe zunahm, beim ersten bis zu 23°,5, beim zweiten bis zu 33°,6, beim dritten bis zu 27°,7; durchschnittlich bestimmt sich die Tiefenstufe für die Zunahme der Temperatur um 1° C. auf 90 bis 100 Fuß. Auch Beobachtungen der Wärme des Gesteins in tiefen Bergwerken[831] bestätigen diese Erfahrung. Bringt man hiermit die Erscheinung siedender Quellen u. endlich die Vulkane in Verbindung, so gelangt man zu der Vorstellung, daß die Temperatur nach dem Inneren allmälig zunehme, bis zu einem Punkt, wo alles Gestein sich in heißflüssigem Zustande befindet. Der Conflict dieser Masse mit Gewässern, welche auf Spalten tief hinabdringen, erklärt dann die Eruptionen der Vulkane u. die Erdbeben (s.d.). Auch die successive Erhebung ganzer Länder über dem bisherigen Niveau scheint das stille Wirken solcher Dämpfe zu beweisen, so hat sich nicht nur die Westküste von Peru, wo man der Einwirkung von Vulkanen dies zuschreiben könnte, sondern die Küste von Skandinavien, auch die Küste von Toscana in den letzten 30 Jahren um mehrere Fuß gehoben. Auch die Zu- u. Abnahme der Temperatur der Quellen bei Erdbeben rührt wahrscheinlich daher, daß sich Gebirgsspalten öffnen, die nach innen führen, od. solche schließen, die bisher aus dem Inneren der E. den Quellen Wärme zuführten. Viele Erscheinungen, z.B. daß sich in den Polarländern manche Reste von Pflanzen, die jetzt nur tropisch sind, vorfinden, zeigen, daß die E. an ihrer Oberfläche in frühester Zeit wärmer gewesen sei, als jetzt. Wahrscheinlich hat seit der historischen Zeit die Erdwärme eine gewisse Stabilität erreicht u. kann nicht mehr tiefer sinken, weil durch die Sonne die ausstrahlende Erdwärme wieder ersetzt wird. Die täglichen Variationen der Bodenwärme erstrecken sich bei uns nur bis zur Tiefe von 1 Meter, die jährlichen bis über 20 Meter, von da an findet man Punkte ganz constanter, aber mit der Tiefe zunehmender Temperatur. Wie jeder andere Planet besitzt die E. sehr wahrscheinlich ein ihr eigenthümliches Licht (Erdlicht). Ähnlich wie, z.B. der von der Sonne nicht erleuchtete Theil der Venus bisweilen mit einem eignen phosphorischen Scheine leuchtet, so wird auch unsre E. zeitweise leuchtend, u. dies ist die tiefere Bedeutung, welche Alexander Humboldt dem Nordlichte zuschreibt, diesem in den Polargegenden fast ununterbrochen fortdauernden Lichtproceß. Er rechnet hierher noch andere Beispiele irdischer Lichterzeugung, wie den in der Nacht leuchtenden Nebel von 1783 u. 1831, den Lichtproceß großer Wolken, das durch unzählige Seethiere hervorgebrachte Leuchten des Oceans.

III. Materielle Natur der E. Wir kennen die E. materiell nur auf eine sehr geringe Tiefe. Die tiefsten Erdschachten reichen noch lange nicht so weit, als wir die größten Tiefen des Meeres annehmen müssen. Wenn wir aber auch diese der höchsten Bergerhebung über die Meeresfläche, als einem geringen Außentheil von dem, was der Oberfläche des festen Erdkörpers noch als Berg- u. Landmasse aufgesetzt ist, gleich schätzen u. zwar zu 1 geographischen Meile, den Erdhalbmesser von der Mitte der E. bis zur Meeresfläche aber zu 860 geographischen Meilen anschlagen, so können wir materiell nur höchstens 1/809, der Erdtiefe, mit welchem Betrag man nur etwa den Papierüberzug eines künstlichen Erdglobus von schon ansehnlichem Durchmesser vergleichen kann. Bei Weitem tiefer aus dem Inneren der Erdkörper mögen die Erdmassen gelangen, welche Vulkane auswerfen; doch bleibt auch hier die Tiefe, aus der sie kommen, durchaus unerforschbar; Vorstellungen, wie die von Steinhäuser, daß sich im Innern der E. ein hohler Raum befinde, innerhalb dessen sich ein grosser Magnet bewege, können nur leere Träumereien genannt werden. Die Kenntniß der materiellen Stoffe, die den Erdkörper, so weit wir ihn in seiner Oberfläche (Erdrinde) kennen, ausmachen, u. in wiefern sie zur Bildung desselben beitragen, ist Gegenstand der Geognosie, die Kenntniß derselben als Einzelnheiten in ihrer Gesondertheit, die der Oryktognosie. In der Zusammenstellung derselben unter sich erhalten wir nun zwar Andeutungen, daß die E. schon Perioden hindurch bestanden habe, die sich mit Untergang u. einer totalen Veränderung der früheren Oberfläche derselben endeten, od. Andeutungen von Erdrevolutionen.

IV. Organische Natur der E. Schon in frühester Zeit wurde die Idee der Lebendigkeit der E. von einem universellen Erdenleben gesajßt, in das jedes individuelle Dasein der Erdbewohner aufgenommen ist, u. von dem es sich nur relativ, wie Besonderes vom Allgemeinen unterscheidet, u. welches in das Sonnenleben, als noch höheres Leben, welches die Sonne u. die Planeten, als von einem gemeinsamen Leben beseelt darstellt, eingeht. Bes. ist es aber die eigene Art der Bildung der Erdoberfläche, die uns auf das Eigenleben der E. hinweist, das gleichsam als Blüthe auf ihr hervortritt, für welches die lustige Umhüllung der Erde, als Erdatmosphäre, die erste Bedingung ist, zu welcher dann die E. als Erdfeste einen Gegensatz bildet. Zwischen beiden steht das Erdwasser in seinem steten Strömen aus Höhen in Niederungen u. Wiederaufsteigen in Gestalt von Wasserdampf, als Zwischen- u. zweites Glied, zu dem als drittes das Erdfeuer, welches vielfach auch mit dem Erdenleben selbst verflochten ist, hinzutritt. Die Summe des eben entwickelten Erdenlebens bezeichnet man aber als Erdorganismus, wobei freilich nach dem heutigen Stande der Wissenschaft, wenn man auch den Namen beibehalten will, nicht an ein Leben, wie wir es an organischen belebten Wesen, den Pflanzen, Thieren, Menschen, gewahren, zu denken ist, sondern nur an ein Ineinandergreifen der mannichfaltigen, den materiellen Theilen der E. in wohnenden Kräfte. Die E. wird in der klassischen Mythologie auch personificirt u. heißt Gäa (s.d.) od. Tellus. Vgl. Humboldt, Kosmos, Stuttg. 1845–58, 4 Bde.; Burmeister, Geschichte der Schöpfung, 6. Aufl., Lpz. 1856; Sandberger, Der Erdkörper, Hannov. 1856.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 828-832.
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