Norĭcum

[108] Norĭcum, 1) ein früher zu Illyrien gehörendes Land, unter den Römern eine der vier Provinzen, in welche sie den südlich von der Donau gelegenen Theil von Deutschland theilten; grenzte gegen Westen an Rhätien u. Vindelicien, davon durch den Önus geschieden, im Norden an die Germania magna, davon durch die Donau getrennt, gegen Osten an Pannonien u. im Süden an Pannonien u. Italien, wo der Savus u. die Karnischen Alpen die Grenze machten, also das jetzige Ober- u. Niederösterreich zwischen Inn, Donau u. Wiener Wald, der größte Theil von Steyermark, Kärnten u. Stücke von Krain, Salzburg, Baiern u. Tyrol. Das Land war gebirgig durch die Norischen Alpen, u. an den Grenzen durch die Karnischen u. Venetischen Alpen, den Ocra u. Cetius; die Flüsse N-s, Nebenflüsse der Donau, waren: Jovavus, Arlape, Savus, Önus; obgleich rauh, war doch das Land zum Ackerbau geeignet, an der Donau wuchs sogar Wein; am wichtigsten war aber das Gold u. Eisen, welches letztere hier in großer Menge gefunden u. zu Stahl verarbeitet wurde, weithin berühmt war u. die römischen Waffenfabriken in der Provinz N., in Paunonien, Mösien u. Oberitalien versah; auch der Salzreichthum war früh bekannt. Die bemerkenswerthen Städte der Provinz waren Lauriacum, Orilaba (Aurelia Antoniniana), Juvavum, Noreja, Virunum (Claudia), Celeia (Claudia), Bojodurum, Arelate, Joviacum, die Veste Cetium etc. – Der Name N. wird von Einigen von Norix, einem angeblichen Sohn des Hercules, nach Anderen von der Hauptstadt Noreja abgeleitet, nach Anderen als Nordreich gedeutet. Das Stammvolk in N. waren die Taurisker, welche lange unter der Herrschaft von Königen lebten; mit den Römern standen sie früh in Handelsverbindung. Durch N. zogen die Cimbern bei ihrer südlichen Wanderung u. schlugen die Römer 113 v. Chr. bei Noreja. Erst unter Augustus gelang es den Römern, nach der Eroberung Rhätiens, durch Tiberius u. Drusus, namentlich durch P. Silius um 13. n. Chr. die Noriker nach blutiger Gegenwehr zu bezwingen,[108] u. ihr Land wurde zur römischen Provinz gemacht. Die Städte erhielten Municipalrecht, es wurden mehre Colonien dahin abgeführt, Castelle dort erbaut u. eine starke Besatzung dahin verlegt, so wie auch zum Schutz des Landes drei Donauflotten (Classis Comaginensis beim j. Tuln, Cl. Arlapeusis bei Arlape u. Cl. Laureacensis bei Lorch) aufgestellt. Bei der späteren Eintheilung des Römischen Reiches wurde N. getheilt in N. ripenso (an dem rechten Donauufer hinlaufend) u. N. mediterranĕum (das südliche N., stieß an die Norischen Alpen). Im Marcomannenkriege u. später litt N. sehr, bes. im 5. Jahrh. durch die Sueven u. Alemannen, dann durch Attilas Hunnen. Odoacer verdrängte alle Römer aus N., u. in der letzten Hälfte des 5. Jahrh. setzten sich die Bojoarier in Nordnoricum fest; Südnoricum gehörte den Ostgothen; als aber deren Reich zerfiel, breiteten sich die Bojoarier auch in den Tyrolischen u. Julischen Alpen bis nach Bolzanum aus. Nachmals durch die Avaren u. Franken über die Donau zurückgedrängt, überließen die Noriker die Festungen in den südlichen Alpen an der Grenze von Italien den Franken, welche das Land durch Markgrafen regieren ließen. Vgl. Muchar, Das römische N., Grätz 1826, 2 Thle. 2) So v.w. Nordgau.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 108-109.
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