Cimbern

[144] Cimbern, germanisches Volk in Norddeutschland. Die griechischen Geographen hielten sie mit den Kimmeriern für identisch u. ließen sie, aus dem Taurischen Chersones abstammend, sich über Sarmatien bis an die Weichsel verbreiten; Andere halten sie für Celten u. mit den britannischen Kymren für gleich, selbst die römischen Historiker vermischten sie Anfangs noch mit den Galliern, später, als sie mit den Germanen bekannter wurden, versetzten sie die C. in den Norden Germaniens an den Ocean. Plinius rechnet sie unter die Ingävonen u. kennt ihre Sitze auf der Chersonesus scimbrica (Schleswig u. Jütland) u. dem Skandinavischen Gebirg: Ptolemäos vertheilt sie unter mehrere Stämme. Sigulonen, Sabalinger, Cobanden (im heutigen Schleswig), Chalen, Phundüser, Charndern. C. (im jetzigen Jütland). Die Sitten der C. waren echt deutsch; mit ihnen zogen in den Krieg ihre Weiber, unter diesen Priesterinnen u. Prophetinnen in weißen Röcken, leinenen Oberkleidern, mit ehernem Gürtel u. barfuß; von diesen wurden die Kriegsgefangenen geopfert u. aus ihrem Blute u. Eingeweiden geweissagt. In der Schlacht standen die Frauen auf Karren, mit Fellen überspannt, auf welche schlagend, sie ein furchtbares Getös machten. Die Schilder der C. waren weiß; die Helme aus Thierhäuten gemacht u. bes. dazu der Kopf der Thiere mit dem gähnenden Rachen od. den Hörnern benutzt, bei den Reitern waren sie noch mit einem hohen Busche versehen. Eine alte Sage ging, daß sie ihr Vaterland zu verlassen u. nach Süden zu ziehen durch eine große Wasserflut bestimmt worden wären. Ihr erster Einfall im Süden geschah unter Bojorix u. Teutoboch 113 v. Chr. Nachdem sie von den Bojern im Hercynischen Walde über die Donau getrieben waren, brachen sie mit den Teutonen, welche den Rhein herauf zogen, u. mitden Ambronen in Krain vereinigt, in Illyrien u. Noricum ein, schlugen die Römer unter dem Consul Carbo bei Noreja, auch die Tiguriner unter Divico in Helvetien u. die gallischen Tectosager u. überschwemmten Gallien. Als das verheerte Land ihnen keine Nahrung mehr darbot, zogen sie mehr südlich u. forderten von Rom durch eine Gesandtschaft Acker, wofür sie Kriegsdienste versprachen. Der Senat verweigerte das Verlangte, worauf sie die Römer unter Silanus 109 v. Chr. u. unter M. Aurel. Scaurus 107 v. Chr. angriffen u. schlugen. Erst jetzt scheinen sich die C. mit den Teutonen wirklich vereinigt zu haben. In der Schlacht an der Rhone, 105 v. Chr., verloren die Römer unter Consul C. Manlius u. Proconsul Q. Servilius Cäpio, die uneins waren, fast ihr ganzes Heer von 80,000 an Todten u. Gefangenen gegen sie. Jetzt trennten sich die C. wieder von den Teutonen u. zogen nach Spanien, wo sie aber von den Celtiberern zurückgetrieben wurden. Zurückgekehrt, beschlossen sie, wieder mit den Teutonen u. mit helvetischen Völkern vereinigt, einen Einfall in Italien. Er sollte in 3 Colonnen, die C. durch Noricum, die Ambronen u. Teutonen gegen Marius über die Provence u. die Tiguriner durch die Schweiz, geschehen. Während die Teutonen 102 v. Chr. unter Teutoboch von den Römern unter Marius bei Aix, wo Teutoboch gefangen wurde, geschlagen wurden (200,000 wurden getödtet, 80–90,000 gefangen), gingen die C. unter Bojorix über den Rhein, fuhren mitten im Winter von den Tridentinischen Alpen auf ihren Schilden über das Eis herab, jagten den Consul Catulus über die Etsch u. blieben in Oberitalien. Als Marius dem Catulus zu Hülfe kam, erlitten sie in der Schlacht in den Campi raudii, bei Verona, den 29. Juli 101 v. Chr., eine gänzliche Niederlage;[144] die Männer fielen in dem Kampfe, die verzweifelten Weiber u. Kinder erwürgten sich in der Wagenburg. Einige C. retteten sich in das Gebiet von Vicenza u. errichteten hier vielleicht die Sette communi (s.d.), wenigstens nennt man noch jetzt die Bewohner, bes. der Sette communi, auch der Tredeci communi, Cimbern, s. u. Communi. Die C. hatten den Römern ein solches Schrecken eingejagt, daß eine große Furcht, ein Cimbrisches Schrecken, eine außerordentliche Beute, eine Cimbrische Beute u. ein großes Geschrei, ein Cimbrisches Geheul hieß. Die in ihren Wohnsitzen gebliebenen C. schickten an Augustus eine Gesandtschaft mit einem heiligen Kessel zum Geschenk, um sich dem Kaiser freundlich zu machen, u. Tacitus nennt sie einen zwar damals kleinen, aber berühmten Staat; zuletzt verloren sie sich wahrscheinlich unter dem allgemeinen Ramen Sachsen. Val. Cellarius, De Cimbris et Teutonibus, in den Dissertatt. acadd. S. 488 ff.; Joh. v. Müller, Bellum Cimbricum, Zürich 1776; Schiern, De Cimbrorum origine et migrationibus, Kopenh. 1842. Die Sprache der heutigen C., ein deutscher Dialekt, hat Schmeller grammatisch u. lexikalisch bearbeitet (herausgeg. in dem XV. Bd. der Sitzungsberichte der Wiener Akademie).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 144-145.
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