[467] Prävarication (v. lat. Praevaricatio), die pflichtwidrige Verletzung der Rechte u. Interessen einer Partei durch den von ihr bestellten Sachführer zu Gunsten des Gegners. Im Römischen Rechte wird die P. zunächst nur bei dem Anklageverfahren erwähnt als die Pflichtwidrigkeit eines öffentlichen Anklägers, welche durch die Nichtbenutzung einzelner Beweismittel, Annahme ungenügender Entschuldigungen u. sonstige Begünstigungen des Entlastungsbeweises begangen wurde. Die Carolina dehnte den Begriff auch auf die bürgerlichen Sachen aus, u. seitdem wird unter denselben jedes Gebahren gestellt, welches auf eine absichtliche Vernachlässigung der Rechte einer Partei durch den Advocaten mit dem Zwecke, dem Gegentheile zu nützen, abzielt. Ältere Juristen unterschieden dabei P. omittendo, wo die Vernachlässigung der Advocatenpflicht in Unterlassungen (Versäumung von Fristen, Nichtgebrauch bekannter Thatsachen u. Beweismittel) bestand, u. P. faciendo, wo das Vertrauen durch positive Handlungen (Mittheilung anvertrauter Geheimnisse) verletzt wurde. Die Strafe der P. sollte nach der Carolina in Pranger, Staupenschlag u. Landesverweisung bestehen; die gemeinrechtliche Praxis hat dafür eine arbiträre Strafe angenommen, bei welcher neben Geld u. Gefängniß meist auch auf Remotion od. Suspension von der Advocatur erkannt wird. Die neuern Strafgesetzgebungen fassen die hierher gehörigen Fälle unter dem Gattungsbegriffe der Pflichtwidrigkeiten öffentlicher Beamten, der Dienstverletzung etc. auf.