Semperfreie

[829] Semperfreie (Höchstfreie), nach einer bes. in der Vorrede des Schwabenspiegels (s.d.) vorkommenden Bezeichnung im Gegensatz zu den Mittelfreien (Schöffenbarfreien) u. den gemeinen Freien, im Mittelalter diejenigen Grafen u. Herren, welche mit ihrem Besitzthum von jeher keinem anderen Herrn als dem Kaiser untergeben waren, für dieses Besitzthum selbst aber wieder die Rechte eines Landesherren übten, also befugt waren, Landtage zu halten, während sie zugleich das Recht besaßen auf den Reichsversammlungen zu erscheinen u. an der Behandlung der allgemeinen deutschen Angelegenheiten Theil zu nehmen. Die Eigenschaft als S. bildete daher die Grundlagen der späteren Landeshoheit u. der deutschen Fürstenwürde. Aus der doppelten Beziehung, daß die S-n einestheils so hoch gestellt waren selbst einen Send (Synodus) zu halten, u. anderntheils zugleich auf dem Send des Kaisers (Reichstag) erscheinen durften, bildete sich auch jedenfalls die Bezeichnung, welche eigentlich Sendbarfreie lautete, obschon Andere den Namen auch mit sonderbar frei zusammenstellen od. vom lat. semper, d.h. immer frei, Ein. sogar von dem nordischen Sem (Friede, Vertrag, Gemeinschaft) ableiten wollen. Nur dieser Stand galt eigentlich seit der Einführung des Lehnswesens in Deutschland als ein im Wesen höherer Stand, als die übrigen freien Stände, daher auch nur die Erhebung in diesen Stand als eine wirkliche Standeserhebung betrachtet wurde. Diese Standeserhöhung konnte jedoch für weltliche Personen niederen [829] Standes immer nur durch den Erwerb eines Fahnlehens, für Geistliche außerdem durch die Erwerbung eines Scepterlehens, d.h. die Verleihung eines geistlichen Territoriums ermöglicht werden, welche sich den Personen niederen Standes auch späterhin verschloß, als in den meisten Hochkirchen es zur feststehenden Satzung wurde, daß zur Aufnahme in das Kapitel eine Ahnenprobe erforderlich sei. Besondere Auszeichnungen der S-n bestanden noch darin, daß ihnen bei kampflicher Ansprache eine längere Frist zur Vorbereitung, als anderen Personen gewährt war, daß sie unter gewissen Voraussetzungen Lehn ohne Gericht erwerben u. ein glaubwürdiges Zeugniß auch ohne Eid unter Beziehung auf den dem Könige geleisteten Huldigungseid ablegen konnten. Auch konnte der deutsche König nur aus dem Stande der S-n gewählt werden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 829-830.
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