Weise [1]

[57] Weise (Sapiens), zunächst der, welcher etwas weiß, namentlich wenn dieses Wissen das Anderer in irgend einer Beziehung übertrifft, daher z.B. die Frauen, welchen das Volk wegen der ihnen beigelegten tieferen Naturkenntniß die Fähigkeit des Wahrsagens u. Zauberns beilegte, Weise Frauen genannt wurden. Vorzugsweise wird jedoch W. u. Weisheit als Prädicat u. Eigenschaft einer Person da gebraucht, wo das Wissen als Einsicht in die sittlichen Zwecke u. Aufgaben des Lebens in dem Verhalten u. Thun des Menschen einen thätigen Ausdruck gewinnt. Die Weisheit ist dann die auf richtiges sittliches Wissen gegründete Gesinnung, welche sich sowohl negativ in der Beherrschung der Leidenschaften, als positiv in der Wahl der rechten Mittel zu vernünftigen u. sittlichen Zwecken bethätigt. In diesem Sinne rechneten die Alten die Weisheit (Σοφία, Sapientia) zu den Cardinaltugenden (s.d.) u. die Stoiker (s.d.) bezeichneten das Ideal der dem Menschen erreichbaren sittlichen Vollkommenheit durch den Begriff des Weisen (Σοφός, Sapiens). Über die vorzugsweise sogenannten Weisen Griechenlands s. Sieben Weise Griechenlands. In demselben Sinne bezeichnet die christliche Religionsweisheit die Allweisheit als diejenige Eigenschaft Gottes, vermöge deren er zu den besten Zwecken die besten Mittel wählt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 57.
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