Prämien

[108] Prämien (premiums; primes; premi).

I. Begriff. P. sind Belohnungen, die für bestimmte Leistungen oder Erfolge dem Personal im vorhinein versprochen und ihm neben seinen regelmäßigen Bezügen gewährt werden.

Eine besondere Art der P. ist die Gewinnbeteiligung des Personals. Sie gewährt diesem bestimmte Anteile an der Roh- oder Reineinnahme. Mit den P. verwandt sind die Gratifikationen, die gleichfalls meist im vorhinein in Aussicht gestellt werden, aber nicht als Rechtsanspruch für bestimmte Leistungen, sondern als freiwillige Zuwendungen für gutes Verhalten, dann die Remunerationen, die zwar für bestimmte Leistungen, aber freiwillig und nicht auf Grund bestimmter Rechtsregeln gegeben werden.

II. Arten und Anwendung. Man unterscheidet folgende Arten von P.:


a) Aufmerksamkeitsprämien. Sie kommen im Eisenbahndienst bei vielen Verwaltungen vor allem vor als Schadenverhütungsprämien für die Auffindung von betriebsgefährlichen Schäden an der Bahn und an den Fahrzeugen (u.zw. meist in Sätzen von 1–6 M. für die Entdeckung von Brüchen oder Anbrüchen an Schienen, Weichenzungen, eisernen Schwellen, Herzstücken, Laschen u.s.w., von 1–15 M. für die Entdeckung von Anbrüchen an Achsen, Radreifen, Radnaben, Kupplungen, Rahmen von Drehgestellen, an Kolben, Kolben- und Pleuelstangen, Kurbelzapfen, sowie auch an Kesseln u.s.w.), dann für die Entdeckung von Mißbräuchen in der Personen- und Güterabfertigung (bei denen der Entdecker einen Anteil an der verwirkten Vertragsstrafe bei Fahrgeldhinterziehungen, an den nachgeholten Fahrgeldern oder an den Frachtzuschlägen erhält, die bei unrichtiger Gewichtsangabe oder bei Wagenüberlastung eingehoben werden). Diese Art von P. ist, abgesehen von der bei den bayerischen Staatseisenbahnen noch bestehenden Entdeckerprämie bei unrichtiger Gewichtsangabe, jetzt in Deutschland beseitigt. Dagegen besteht sie noch bei anderen Verwaltungen (ungarische Staatsbahnen und österreichische Südbahn). Hierher gehören auch die P. für Entdeckung von Diebstählen und Beraubungen. Eine Aufmerksamkeitsprämie von 50 Pf. wird im Deutschen Staatsbahnwagenverband für das Auffinden jedes in die Sucheliste aufgenommenen Wagens dem Finder bezahlt. Auch bei den österreichischen und ungarischen Staatsbahnen besteht eine »Wagenausforschungsprämie«.

Eine besondere Art von Aufmerksamkeitsprämien ist es, wenn bei den preußischen Staatsbahnen und den Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen den in den Sammelgleisen von Ablaufrangierbahnhöfen beschäftigten Hemmschuhlegern eine tägliche Lohnzulage (Rangier-Aufmerksamkeitsprämie) bis zu 30 Pf. gewährt wird, sofern in den von ihnen bedienten Gleisen Beschädigungen an Wagen oder[108] Ladungen nicht vorgekommen sind, und bis zu 60 Pf., wenn solche Beschädigungen auch im Bezirk der benachbarten Hemmschuhleger nicht eingetreten sind (Nachtrag I zu Teil XII der preußischen Finanzordnung, S. 85). Beiden österreichischen Staatsbahnen erhalten die Wärter des Bahnunterhaltungs-, Signal- und Blockdienstes, bei den italienischen Staatsbahnen die Betriebsbeamten auf größeren Stationen Nebenbezüge (Regelmäßigkeitsprämien), die je nach den vorgekommenen Unregelmäßigkeiten im Zuglauf, dann aber auch bei Abwesenheit vom Dienst gekürzt werden. Bei der französischen Staatsbahn bezieht das Lokomotivpersonal eine P. für Zeitgewinn (temps gagné) – ebenso bei der Betriebsgesellschaft der niederländischen Staatseisenbahnen – während es für Zeitversäumnis einen Abzug erleidet.


b) Die Sparsamkeitsprämie. Sie besitzt ihr wichtigstes Anwendungsgebiet im Zugförderungsdienst als P. an das Lokomotivpersonal für sparsamen Verbrauch von Brenn- und Schmierstoff.


Nach einer vom VDEV. angestellten Untersuchung gewährten 1912 mit Ausnahme von Sachsen sämtliche Vereinsverwaltungen solche P., die bei den bayerischen Staatsbahnen auf den Brennstoffverbrauch beschränkt sind (vgl. S. 300 ff. der vom VDEV. herausgegebenen 8. Abt. der »Fortschritte des deutschen Eisenbahnwesens«). Die preußischen Staatsbahnen haben schon 1897 die P. des Lokomotivpersonals zum größten Teil durch einen festen Nebenbezug ersetzt und 1914 auch diesen beseitigt (vgl. auch Hoff in der Ztg. d. VDEV. 1914, S. 509). Die P. wird sowohl bei einfacher als bei mehrfacher Besetzung der Lokomotiven gewährt. Bei der Festsetzung der zulässigen Verbrauchssätze wird die Leistung an Lokomotiv km und daneben vielfach auch die Leistung an Brutto t- oder Wagenachs km sowie die Geschwindigkeit (durch die Zuggattung oder die Einteilung der Lokomotiven in bestimmte Gruppen) berücksichtigt. Nach den Ermittlungen des VDEV. konnte von einzelnen Verwaltungen ein unmittelbarer Einfluß der Einführung oder Aufhebung der P. auf den Materialverbrauch festgestellt werden.

Bei den französischen Staatsbahnen besteht neben der P. für Brenn- und Schmierstoffersparnis ein Abzug (retenue) für Mehrverbrauch.

Die österreichische Südbahn gewährt P. für sparsamen Brenn- und Schmierstoffverbrauch auch den Aufsichtsorganen in den Heizhäusern, die österreichischen Staatsbahnen Brennstoffersparnisprämien dem Personal für die Bedienung von Stabilkesselbetrieben, Explosionsmotoren und in Kraft- und Gaswerken.

Auch P. für sparsamen Verbrauch von Putzmaterial (bayerische und sächsische Staatsbahnen, Generaldirektion Schwerin, niederländische Staatsbahnen), dann für vorteilhafte Fassung von Kohlen zur Lokomotivfeuerung (badische Staatsbahnen) kommen vor.

In anderen Dienstzweigen kommt die Sparsamkeitsprämie nur vereinzelt vor, so als Prämie für Ersparnisse bei der Instandhaltung und dem Betrieb der elektrischen Signal- und Telegrapheneinrichtungen bei den österreichischen Staatsbahnen, für sparsame Verwendung von Drucksorten und Materialien bei der österreichischen Südbahn, für sparsamen Kraftverbrauch an den hydraulischen und elektrischen Anlagen bei den holländischen Eisenbahnen. Bei den italienischen Staatseisenbahnen wird aus den Betriebsüberschüssen ein gewisser Betrag zurückbehalten, um dem Personal daraus P. für sparsame Materialverwendung und für bessere Rentierlichkeit bestimmter Dienstzweige und Arbeiten zu gewähren.


c) Die Fleiß- oder Akkordprämie (premium by the piece; bonification sur travail à la tâche; premio per cottimo), nahe verwandt mit dem Stück- oder Akkordlohn (s.d.); von dem sie sich dadurch unterscheidet, daß sie dem Arbeiter den ihm nach der Lohnordnung oder besonderer Festsetzung zukommenden Zeitlohn ohne Rücksicht auf den Arbeitserfolg gewährleistet. Ebenso wie der Stücklohn kann auch die Fleißprämie auf der Stückpreislöhnung beruhen, wenn nämlich für einen bestimmten Arbeitserfolg ohne Rücksicht auf die dabei verbrauchte Zeit ein bestimmter Geldbetrag vergütet wird, oder auf der Stückzeitlöhnung, wenn für das Arbeitsstück lediglich die zulässige Arbeitszeit festgesetzt und der Stückverdienst durch Vervielfachung der Stückzeit mit dem Lohnsatz des Arbeiters berechnet wird. Ein eigenartiges, in der Mitte zwischen Stückpreis- und Stückzeitprämie stehendes Entlohnungsverfahren ist der in den Werkstätten der badischen Staatseisenbahnen eingeführte »Grundlohnakkord«, bei dem Stückpreise unter Zugrundelegung des für alle Arbeiter einer Werkstätte gleichen Anfangslohns festgesetzt, daneben aber dem Arbeiter noch die in der Lohnordnung festgesetzten und um 25% erhöhten Dienstalterszulagen gewährt werden.


Die Stückpreise oder Stückzeiten werden beim Fleißprämienverfahren meist so berechnet, daß ein tüchtiger und fleißiger Arbeiter im Mittel 20–25% über seinen normalen Arbeitslohn verdienen kann.

Eine obere Grenze für den Prämien- oder Akkordverdienst wird meist nicht festgesetzt. Bei den Werkstätten der bayerischen Staatsbahnen ist der Höchstverdienst des Stücklohnarbeiters mit 40% über seinen normalen Arbeitslohn begrenzt; jedoch sind die Stückpreise so bemessen, daß tatsächlich alle Arbeiter die Höchstgrenze von 40% erreichen sollen.

Die Fleißprämie kommt vor allem vor:

1. im Werkstättendienst, u.zw. als Stückpreisprämie in den Hauptwerkstätten der bayerischen Staatsbahnen, dann bei den sächsischen und württembergischen Staatsbahnen, ferner als Stückzeitprämie bei den preußischen Staatsbahnen, und neuerdings versuchsweise bei den Betriebswerkstätten der bayerischen Staatsbahnen für den Lokomotivunterhaltungsdienst, wobei die zulässige Zeit nach Lokomotiv km festgesetzt und den Arbeitern ein dem Prozentsatz der ersparten Zeit entsprechender Prämienzuschlag zum Arbeitslohn gewährt wird (Rowansches System s. unter V.), endlich als sog. »Grundlohnakkord«, wie erwähnt, bei den badischen Staatsbahnen.

Die Stückzeitlöhnung der preußisch – hessischen Gemeinschaft ist in der vom Minister der öffentlichen Arbeiten erlassenen und auch bei den Reichseisenbahnen eingeführten Lohnordnung für die Arbeiter aller Dienstzweige vom 22. Februar 1914 einheitlich geregelt worden, so zwar, daß sie für alle Dienstzweige, in denen sie angewendet wird, auf einheitlichen Grundsätzen beruht.[109]

Die ungarischen Staatsbahnen gewähren auch den Werkmeistern P., wenn die Hauptprüfung der Lokomotiven innerhalb der festgesetzten Fristen fertiggestellt wird. Die Ausbesserungszeiten haben sich dadurch erheblich verkürzt.

Abgesehen vom Werkstättendienst besitzt die Fleißprämie ihr wichtigstes Anwendungsgebiet

2. im Stückgutladedienst. Man unterschied bisher bei den preußisch-hessischen Staatsbahnen 4 Grundformen: 1. das alte Kölner Verfahren, eine Verbindung von Gemeinschafts- und Gruppenprämie; 2. das neue Kölner Verfahren, eine reine Gruppenprämie; 3. das Gemeinschaftsprämienverfahren; 4. das Hamburger Verfahren, ein reiner Gemeinschaftsakkord. Die 4 Grundformen sind unter »Akkordlohn« näher dargestellt. Nach der auch bei den Reichseisenbahnen eingeführten neuen »Lohnordnung für die Arbeiter aller Dienstzweige« sollen für den Stücklohn der Güterbodenarbeiter künftig die gleichen Grundsätze eingeführt werden, wie für das Stücklohnverfahren der Werkstättearbeiter. An die Stelle der erwähnten 4 Grundformen tritt ein einheitliches Verfahren. Hiernach wird für die in Betracht kommenden Bewegungen des Stückguts und die Nebenarbeiten die »Stückzeit« in Bruchteilen von Tagewerken festgesetzt. Zu diesem Zweck wird zunächst die zur Bewegung einer Tonne Stückgut aufzuwendende normale Zeit ermittelt. Aus der normalen Arbeitszeit wird durch Erhöhung um 1/5 die Stückzeit berechnet. Zur Feststellung der Stücklohnverdienste werden die Arbeiter zu »Verdienstgemeinschaften« vereinigt. Jede Verdienstgemeinschaft umfaßt mindestens 3 Arbeitsgruppen, die je aus einem Vorarbeiter und den ihm zugeteilten Arbeitern bestehen. Auf Dienststellen mit geringerer Arbeiterzahl kann eine einzige Verdienstgruppe aus allen Arbeitern gebildet werden. Die Summe der von einer Verdienstgemeinschaft innerhalb eines Löhnungszeitraums erarbeiteten Stückzeiten wird auf alle zugehörigen Arbeiter nach ihren Arbeitstagen verteilt. Jeder Arbeiter erhält die hiernach auf ihn entfallenden Stückzeiten mit dem ihm nach der Lohnordnung zustehenden Grundlohn vergütet, zu dem bei den Vorarbeitern die Stellenzulage hinzutritt.

Seit 1913 ist auch bei den bayerischen Staatseisenbahnen das Prämienverfahren im Stückgutladedienst wieder eingeführt. Die P. wird, soweit möglich, als Gruppenprämie an kleinere (in der Regel aus 3–4 Mann bestehende) Arbeitergruppen gewährt. Nur wo die Gruppenprämie undurchführbar ist, wie bei der Stückgutannahme, wird für einen größeren Kreis von Prämienteilnehmern eine Gemeinschaftsprämie festgesetzt. Mindestleistung und Durchschnittslohn werden von der Eisenbahndirektion bestimmt. Die Arbeiter erhalten vorweg den ihnen nach der Lohnordnung zustehenden Taglohn als Mindestvergütung.

Die österreichischen Staatsbahnen haben seit 1913 versuchsweise ein Prämienverfahren in verschiedenen größeren Gütermagazinen eingeführt. Sämtliche Magazinsarbeiter und die Aufsichts- und Hilfskräfte der Diener- und Unterbeamtenkategorie bilden eine einzige Prämiengemeinschaft. Der von ihr auf Grund des Tonneneinheitssatzes erzielte Mehrverdienst wird zwischen Personal und Verwaltung im Verhältnis von 60 zu 40 geteilt. Ein etwaiger Minderverdienst belastet die nächste Monatsrechnung.

Auch bei den württembergischen Staatsbahnen, der österreichischen Südbahn, der Aussig-Teplitzer Eisenbahn, den holländischen Staatseisenbahnen, der niederländischen Zentralbahn und englischen Bahnen besteht die P. im Güterladedienst.

3. Früher waren bei deutschen Bahnen (so bei der Rheinischen Eisenbahn, den bayerischen Staatseisen bahnen u.s.w.) auch in anderen Zweigen des Stationsdienstes, so insbesondere für die Wagenbewegung und die Wagenausnutzung, Prämien- oder Akkordsysteme eingeführt (s. Akkordlohn, Bd. I, S. 112).

Bei den österreichischen Staatsbahnen werden seit 1912 Prämiengemeinschaften im Verschubdienst nach ähnlichen Grundsätzen wie in den Gütermagazinen gebildet. Der Mehrverdienst wird auf Grund eines örtlich ermittelten Einheitssatzes für den angekommenen und abgestellten Wagen berechnet und im Verhältnis von 70 zu 30 zwischen Personal und Verwaltung geteilt. Bei der Verteilung der P. werden die Tagschichten des Rangierleitungs- und Rangieraufsichtspersonals 2fach, die der Lokomotivführer 11/2fach, der Heizer und Rangierarbeiter einfach und die des Block- und Weichenstellpersonals halb gerechnet.

4. In anderen Dienstzweigen: Bei den preußisch-hessischen Staatsbahnen besteht die Fleißprämie auch beim Dienst der Kohlenlader, Maschinen- und Wagenputzer, Viehwagenreiniger, dann für zusammenhängende Bahnunterhaltungsarbeiten (Gleisumbau und Bettungserneuerung). Das Verfahren ist in der Lohnordnung nach den gleichen Grundsätzen geregelt wie das Prämienverfahren im Werkstätte- und Stückgutladedienst. Ein bei der Charkow-Nikolajew-Eisenbahn im Bahnunterhaltungsdienst eingeführtes Prämienverfahren ist im Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens 1898, S. 188 (vgl. auch 1899, S. 11) beschrieben.

5. Bei den österreichischen Staatsbahnen besteht ein eigenartiges Prämienverfahren für die rechnerische Revision des Lokalverkehrs, indem unter Leitung der Einnahmekontrolle »Akkordkorps« gebildet werden, die die Arbeiten außerhalb der Dienstzeit verantwortlich auszuführen haben und dafür 12 bis 60% aus den festgestellten Mängelsbeträgen als Tantiemen erhalten.

Vgl. im übrigen über Stücklohn- und Prämienverfahren die Art. Akkordlohn u. Lohnwesen.


d) Gewinnprämien oder Gewinnbeteiligung des Personals (profit-sharing; participation aux bénéfices; partecipazione al profitto).


1. Beteiligung an der Roheinnahme, neuerdings vorgeschlagen von dem amerikanischen Eisenbahnpräsidenten Harrison (Bulletin d. Int. Eis.-Kongr.-Verb. 1913, S. 557 u. Ztg. d. VDEV. 1913, S. 639); er verspricht sich davon eine größere Gleichmäßigkeit des Personalkoeffizienten, der jetzt beim Steigen der Roheinnahmen sinkt, aber beim Fallen der Roheinnahmen steigt, weil die Arbeiter regelmäßig gegen das Ende von aufsteigenden Wirtschaftsperioden Forderungen auf Bezugserhöhungen und Diensterleichterungen durchsetzen. Die Beteiligung des Personals an den Roheinnahmen ist, abgesehen von da und dort bestehenden, aus der Roheinnahme berechneten Nebenbezügen (Einnahmetantiemen) bestimmter Beamter, bis jetzt bei keiner Eisenbahnverwaltung eingeführt.


2. Beteiligung am Reingewinn; eigentliche Gewinnbeteiligung.

α) Eine von der Dienstleistung des einzelnen unabhängige Gewinnbeteiligung besteht bei vielen Privatbahnen.[110]


So verwendet die spanische Nordbahn 2% ihrer Reineinnahme derart, daß 95% dieses Betrags an das berechtigte Personal nach Verhältnis seiner Gehaltsbezüge verteilt, die übrigen 5% zu Gratifikationen für die Entdeckung von Schäden an der Bahn, von Diebstählen und Betrügereien zur Verfügung gestellt werden. Auch die Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn bewilligt ihrem Personal alljährlich einen bestimmten Anteil am Reinerträgnis. Bei den badischen Staatseisenbahnen hat in den Jahren 1882–1889 eine Gewinnbeteiligung bestanden, indem vom Reinüberschuß bestimmte, mit der Höhe der Verzinsung des Anlagekapitals steigende Prozente an das Personal mit nicht mehr als 2900 M. Höchstbesoldung verteilt wurden (Ztg. d. VDEV. 1907, S. 202). Eine unmittelbarere Wechselbeziehung zwischen Gewinnbeteiligung und Leistung besteht bei den von vielen Aktiengesellschaften an die Oberbeamten bezahlten Tantiemen aus dem Reingewinn.


β) Eine von der Dienstleistung des einzelnen abhängige Gewinnbeteiligung besteht bei den ungarischen Staatsbahnen im Stationsdienst.


Die Leistungen werden auf Grund von Einheitssätzen bewertet. Das Ergebnis dieser Bewertung ist das Guthaben, die Summe der wirklichen Ausgaben der Station die Belastung. Von dem Unterschied werden an das Personal 50% als P. nach einem bestimmten Schlüssel verteilt.

Eine Gewinnbeteiligung des gesamten Personals war bei den dänischen Staatsbahnen mit Ges. vom 15. Mai 1903 eingeführt worden. Wenn der Überschuß mehr als 2% des Anlagekapitals beträgt, hatte das fest angestellte Personal außer dem Gehalt eine Tantieme zu erhalten, die aus dem 2% des Anlagekapitals übersteigenden Betriebsüberschuß nach bestimmten Sätzen berechnet wurde und 0∙6% des Anlagekapitals nicht übersteigen konnte. Die Tantiemen wurden in 12.000 gleiche Teile zerlegt, von denen jede der 19 Personalgruppen eine bestimmte Anzahl erhielt. Damit wurde, da die Teile um so kleiner ausfallen müssen, je größer die Anzahl des Personals der Gruppe ist, jeder einzelne Angestellte an sparsamer Personalzuteilung interessiert. Mit Ges. vom 27. Mai 1908 wurde eine allgemeine Gehaltsaufbesserung eingeführt und hierbei die Gewinnbeteiligung auf die höheren Beamten beschränkt. Mit Ges. vom 10. Mai 1915 wurde deren Gewinnbeteiligung gleichfalls beseitigt. Die Aufhebung der Gewinnbeteiligung geschah aus allgemeinen Erwägungen, nicht etwa wegen eines Mißerfolges des Systems.


Eine das gesamte Personal umfassende Gewinnbeteiligung ist bei den italienischen Staatsbahnen durch Art. 3 und 4 des Gesetzes vom 13. April 1911 (Text in deutscher Übersetzung Arch. f. Ebw. 1911, S. 1317; Denkschrift zum Gesetzentwurf, ebenda, S. 629, 634) eingeführt worden.


Das Personal wird nach Dienstzweigen und örtlichen Bezirken in Gruppen geteilt; für jede Gruppe wird alljährlich nach dem Rechnungsabschluß der ihr zuzurechnende Anteil an den Ersparnissen auf Grund des Personalausgabenkoeffizienten des Doppeljahres 1907–1909 besonders ermittelt. Den einzelnen Gruppen werden 30–90, durchschnittlich 60% der von ihnen gemachten Ersparnisse zugewiesen. Bei der Verteilung innerhalb der Gruppe scheiden diejenigen Beamten aus, die am wenigsten zu den Ersparnissen beigetragen haben. Unter den Bedachten werden diejenigen bevorzugt, die sich um die Erzielung von Ersparnissen am meisten verdient gemacht haben. Der Maßstab wird in der Weise gewonnen, daß nach einer besonderen Anweisung von jedem Vorgesetzten für seine Untergebenen Verdienstpunkte nach ihrem Interesse an der Einschränkung des Personalaufwandes in besonderen Führungslisten festgestellt werden. Auf Grund dieser Verdienstpunkte erfolgt die Verteilung, wobei an den Zuwendungen wenigstens 50 und höchstens 75% der Angestellten der Gruppe teilnehmen sollen. Für 1912/13 wurde zum erstenmal ein Gewinnanteil an das Personal verteilt. Berechnungen der von jeder Gruppe erzielten Ersparnisse waren im ersten Jahr noch nicht möglich. 76% aller Angestellten erhielten einen Gewinnanteil auf Grund ihrer Verdienstpunkte. An der Gewinnbeteiligung nach Art. 3 des Gesetzes nehmen die höheren Beamten nicht teil. Für sie wird nach Art. 4 eine Summe von jährlich 5 des Betriebsüberschusses bereitgestellt, aus der ihnen nach Maßgabe ihrer Verdienste um die Regelmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Betriebs Zuwendungen gemacht werden.


III. Gratifikationen, Ehrengaben (rewards; gratifications; gratificazioni). Sie kommen als Belohnungen für langjährige Dienstzeit bei den meisten Verwaltungen vor,


so bei den preußischen und sächsischen Staatseisenbahnen nach der Lohnordnung für Arbeiter mit 20–, 25–, 30–, 35–, 40–, 45–, 50jähriger Dienstzeit in Höhe von 20, 50, 60, 80, 100, 200, 300 M., bei den bayerischen Staatseisenbahnen für Arbeiter mit 25–, 40- und 50jähriger Dienstzeit 50, 100 und 150 M., bei den dänischen Staatsbahnen bei gleichen Dienstzeiten 50, 100 und 200 K, bei den österreichischen Staatsbahnen bei 25jähriger Dienstzeit 200 K.

Als allgemeine Belohnungen für gute Dienstleistung werden sie bei den französischen Staatsbahnen gewährt, indem Beamte, »die besonders zum guten Verlauf des Dienstes beigetragen haben«, als gratification à titre de prime de gestion ou d'économie am Jahresschluß den halben bis 2fachen Monatsbezug erhalten, der jedoch bei einer mehr als 40tägigen Dienstunterbrechung gekürzt wird und bei 90tägiger Dienstunterbrechung vollständig entfällt.

Hierher gehört auch die bei vielen Verwaltungen (holländische Eisenbahn, spanische Nordbahn für die in die Gewinnbeteiligung nicht einbezogenen Gruppen) bestehende Übung, dem Personal bei Wohlverhalten am Jahresschluß einen Monatsbezug oder einen Teil eines solchen oder sonstige sog. »Bilanzremunerationen« (z.B. Aussig-Teplitzer Eisenbahn) zu gewähren.


IV. Remunerationen, auch außerordentliche P. genannt, im Gegensatz zu den unter II behandelten »ordentlichen P.« (preußische Finanzordnung, Teil XII, S. 105, Belohnungen, récompenses; remunerazioni), sind fast bei allen Verwaltungen üblich


für verhütete Unfälle und hervorragende Leistungen im Betrieb, Entdeckung und Unterdrückung von Wald- und anderen Bränden, Rettung von Personen, Anzeige der Urheber von Bahnfreveln, Dieben u.s.w., für außergewöhnliche Anstrengung, insbesondere bei starkem Verkehr, bei Betriebsunfällen und Verkehrsstörungen, für die Erzielung von Ersparnissen zu gunsten der Verwaltung, für besondere[111] Aufmerksamkeit der Abfertigungsbeamten beim Nachprüfen der Frachten, für sehr gut bestandene Prüfungen, für erfolgreiche Unterrichtserteilung, für die Verfassung von guten Lehrbüchern, für nützliche Ratschläge und Erfindungen. Bei den deutschen Staatsbahnen werden in den Etats besondere Mittel vorgesehen. Bei den preußischen Staatseisenbahnen sind zur Gewährung von P. bis zu 300 M. die Eisenbahndirektionen zuständig.


V. Würdigung der P. Die menschliche Arbeitskraft kann im Zeit- oder im Stücklohn bezahlt werden. Der Zeitlohn mit Prämienzuschlägen bildet einen Mittelweg zwischen beiden Entlohnungsarten. Der reine Zeitlohn ist die einfachste, freilich auch primitivste Entlohnungsart. Er führt leicht zu ungenügender Ausnutzung der Arbeitskraft. Der Stücklohn ist das fortgeschrittenere Entlohnungssystem. Er gewährt dem fleißigen und geschickten Arbeiter die Möglichkeit, mehr zu verdienen, als der minder fleißige und minder geschickte Arbeiter. Man schätzt die im Stücklohn für die gleiche Arbeit erzielte Zeitersparnis auf 1/41/3 und nimmt an, daß in der Großindustrie 90% aller Arbeiten im Stücklohn ausgeführt werden. Bei den österreichischen Staatsbahnen hat die im Jahre 1905 teilweise eingeführte Zeitlöhnung (»Stabilisierung«) der Werkstättenarbeiter allmählich eine Minderleistung von 20–30% zur Folge gehabt.

P. und Gewinnbeteiligung ersetzen den Stücklohn, indem sie, ohne daß das Zeitlohnsystem verlassen werden muß, die Aufmerksamkeit, Sparsamkeit, den Fleiß und das Interesse des Personals am Erfolg seiner Arbeitsleistung verstärken.

Der dritte internationale Eisenbahnkongreß in Paris 1889 (Question XX) hat die Gewährung von P. als das beste Mittel zur Steigerung der Leistungen des Personals erklärt. Dabei hat er jedoch die P. aus den Roheinnahmen verworfen, gegenüber der P. aus den Reineinnahmen der Gratifikation an die um die Erhöhung des Reinerträgnisses besonders verdienten Angestellten den Vorzug gegeben, und P. für die Ersparnis von Betriebsausgaben für vorteilhaft erklärt, sei es, daß sie unmittelbar auf bestimmt zu bezeichnende Tatsachen oder auf Ergebnisse vorhergehender Betriebsperioden gestützt werden. Jedenfalls müsse gefordert werden, daß sich die P. möglichst an einzelne Personen oder beschränkte Personalgruppen richtet und daß sie nicht im vorhinein durch einen Höchstbetrag begrenzt sei, sondern daß, wenn sie zu hoch werde, die Anwendungsbedingungen neu festgesetzt werden.

Von den im Eisenbahnbetrieb gebräuchlichen P. sind die Materialersparnisprämien im Zugbeförderungsdienst und die Fleißprämien am verbreitetsten.


Gegen die Materialersparnisprämien wird zwar geltend gemacht, daß sie nachteilig auf die Pünktlichkeit der Zugbeförderung einwirken und daß die Prämienberechnung, insbesondere bei freier Verwendung der Lokomotiven, einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand erfordere und dabei doch unzuverlässig sei, anderseits sprechen sich jedoch die Eisenbahnverwaltungen überwiegend dahin aus, daß die Ersparnisprämien den Materialverbrauch günstig beeinflussen, und auch der VDEV. ist in seiner oben erwähnten Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beseitigung der P. der Wirtschaftlichkeit nicht förderlich sei.

Die im Eisenbahnbetrieb üblichen Fleißprämien beruhen neuerdings meist auf dem Stückzeitprämiensystem, das insbesondere in der amerikanischen Industrie eine große Bedeutung erlangt hat und in der volkswirtschaftlichen Literatur als ein wichtiges Zukunftselement auch für die Entwicklung der kontinentalen Industrie betrachtet wird.

Die Fleißprämiensysteme der Deutschen Staatseisenbahnen unterscheiden sich von den in der Privatindustrie eingeführten Zeitprämiensystemen dadurch, daß sie dem Arbeiter den Gewinn aus seiner Mehrleistung ungeschmälert zu gute kommen lassen, während die Privatindustrie bei der Prämiengewährung in der Regel den Gewinn zwischen Unternehmung und Arbeiterschaft teilt. Die österreichischen Staatsbahnen haben ihrem neu eingeführten Prämienverfahren im Stückgutlade- und Rangierdienst das Teilungssystem zu gründe gelegt. Auch in den Werkstätten der amerikanischen Bahnen finden Teilungssysteme Anwendung, so das Halseysche (1/3 der Ersparnis wird als P. gewährt), das Rowansche (es werden so viele Prozente als P. zugeschlagen, als Prozente an Zeit erspart werden), endlich das auf dem System Taylor beruhende Bonussystem der Santa Fé-Bahn (Glasers Ann. Bd. LXVI, H. 11). Will beim Prämiensystem ohne Gewinnteilung die Eisenbahnverwaltung sich einen Teil des durch die schnellere Arbeitsleistung erzielten Gewinns sichern, so muß sie entweder die Mindestleistung von Anfang an entsprechend höher festsetzen oder diese später erhöhen. Gegen jede dieser beiden Möglichkeiten lassen sich indessen Bedenken erheben.

Das Fleißprämienverfahren besitzt im allgemeinen die gleichen Vor- und Nachteile wie das Stücklohnverfahren.

Als Vorteil gegenüber dem Zeitlohnverfahren kommt vor allem die Erhöhung der Arbeitsleistung in Betracht. Sie setzt die Verwaltung in die Lage, höhere Löhne zu bezahlen, ohne daß die Gesamtausgabe steigt. Der Personalstand wird gleichmäßiger, Aushilfen werden seltener. Nach Umständen kann sogar die Arbeitszeit herabgesetzt werden. Die vorhandenen Anlagen werden besser ausgenützt und bedürfen später, als dies sonst erforderlich wäre, einer Erweiterung.

Anderseits kann die P. zu Überanstrengungen des Personals führen und die Qualität der Arbeitsleistung herabdrücken. Sie erfordert Personal für die Aufsicht und für das mit der Prämienrechnung verbundene Schreibwerk. Ein etwaiger Rückgang der P., sei es wegen Verkehrsrückganges oder Sinkens der Leistungsfähigkeit des Arbeiters, wird von diesem schwer empfunden, da sich seine Bedürfnisse nach dem höheren Lohn eingerichtet haben. Darum tritt bei dem Personal alsbald das Streben nach Stabilisierung der P. hervor. Die höheren Löhne der Prämienarbeiter leisten den Bestrebungen der Zeitlohnarbeiter[112] auf Lohnerhöhungen Vorschub, die nie ganz vermeidbare Beschäftigung von Prämienarbeitern außerhalb der Prämiengemeinschaft bietet Rechnungs- und Entlohnungsschwierigkeiten.

Vor dem reinen Stücklohn hat die P. den Vorzug, daß sie die von der Arbeiterschaft erstrebte Einführung von Lohnordnungen mit einheitlichen Grundlöhnen und Alterszulagen ermöglicht, auf Grund deren dem Arbeiter der ihm nach seinem Dienstalter zukommende Zeitlohn unter allen Umständen gewahrt bleibt.

Die Stückzeitprämie gewährt im Gegensatz zur Stückpreisprämie die Möglichkeit, der Prämienberechnung den dem Arbeiter nach seinem Dienstalter zukommenden Lohn zu gründe zu legen. Der ältere, nicht mehr so leistungsfähige Arbeiter erhält auf diese Weise die von ihm erarbeitete geringere Stückzeit nach seiner höheren Lohnstaffel vergütet. Das Entlohnungsverfahren wird übersichtlicher, die einzelnen Betriebe lassen sich in einfachster Weise auf ihre Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit vergleichen, allgemeine Lohnverbesserungen werden ohneweiters und ohne daß es irgend einer Umrechnung bedarf, für jeden einzelnen Arbeiter wirksam (vgl. Hoff, Das Stückzeitverfahren in den Werkstätten der preußisch-hessischen Staatseisenbahngemeinschaft. Ztg. d. VDEV. 1913, S. 202). Allerdings muß der Nachteil in Kauf genommen werden, daß für die gleichen Arbeitsstücke verschiedene Arbeitskosten erwachsen, je nachdem sie von höher oder niedriger gelohnten Arbeitern angefertigt werden.

Der badische »Grundlohnakkord« gewährt dem Arbeiter neben dem von der Leistung beeinflußten Akkordverdienst eine mit dem Dienstalter steigende feste Lohnzulage. Bei nachlassender Leistungsfähigkeit des Arbeiters ist der Verdienstrückgang noch geringer als bei der reinen Stückzeitlöhnung, allgemeine Lohnerhöhungen sind aber nicht so leicht und einfach durchzuführen, wie bei dieser.

Die Einzelprämie ist im Eisenbahnbetrieb seltener anwendbar als die Gruppen- und Gemeinschaftsprämie. Durch Bildung kleiner Arbeitsgruppen sucht man den Arbeitern den Erfolg ihres Fleißes möglichst unmittelbar zu gute kommen zu lassen. Die neue preußische Lohnordnung sieht jedoch wieder, um den Klagen über einen allzuscharfen Wettbewerb zwischen den kleinen Arbeitsgruppen zu begegnen, im Stückgutladedienst an Stelle der letzteren größere Verdienstgemeinschaften vor.

In neuerer Zeit ist das von dem Amerikaner Taylor in der Privatindustrie eingeführte und nach ihm benannte Elementenberechnungs- und Differentialstücklohnsystem vielfach erörtert worden. Dasselbe besteht darin, daß 1. jede Werkleistung in ihre kleinsten Teile (Elemente) zerlegt, für jeden solchen Teil die durchschnittliche Arbeitszeit und durch Summierung der Arbeitszeiten der einzelnen Elemente die für das Ganze notwendige Arbeitszeit wissenschaftlich ermittelt, 2. auf dieser Grundlage ein Stücklohntarif aufgestellt wird, dessen Sätze entsprechend der Zeitersparnis steigen, bei mangelhafter Qualität der Leistung aber sinken. Bei der Verhandlung, die im Jahre 1910/11 über den Antrag amerikanischer Bahnen auf Genehmigung einer Erhöhung der Frachtsätze vor dem Bundesverkehrsamt in Washington stattfand, suchte der Bostoner Anwalt Brandeis den Nachweis zu erbringen, daß die Bahnen in den Vereinigten Staaten bei Einführung des Taylorschen Systems an Betriebskosten täglich eine Million Dollar (jährlich 300 Millionen, an Personalausgaben allein 240 Millionen Dollar) ersparen könnten. Er vermochte indessen den Nachweis, daß eine umfassendere Verwirklichung der Taylorschen Ideen im Eisenbahnbetrieb möglich sei, nicht zu erbringen. Tatsächlich ist das Taylorsche System, wie Brandeis selbst feststellt, noch bei keiner Eisenbahn Verwaltung in irgend einem Dienstzweig vollständig eingeführt worden.


Um das Personal in umfassenderer Weise am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu interessieren, sind wie im Privatgewerbe so auch im Eisenbahnwesen Versuche mit einer allgemeinen Gewinnbeteiligung gemacht worden. In der volkswirtschaftlichen Literatur geht heute die überwiegende Meinung dahin, daß die Gewinnbeteiligung an sich wenig innere Berechtigung besitze. Im Eisenbahnbetrieb läßt sie sich rechtfertigen, wenn ihr eine Gestalt gegeben werden kann, bei der das Maß der Beteiligung des einzelnen am Gewinn unmittelbar abhängig ist von seinem Verdienst um die Erhöhung dieses Gewinns.

Von diesem Gesichtspunkt aus muß die Beteiligung an den Roheinnahmen von vornherein ausscheiden, während von den Reingewinnbeteiligungen nur die Typen in Betracht kommen können, bei denen eine Abhängigkeit zwischen Gewinnanteil und Leistung des Personals besteht, also nur das ungarische, dänische und italienische Gewinnbeteiligungsverfahren.


Das ungarische Verfahren bezieht sich nur auf den Stationsdienst.

Das den gesamten Eisenbahndienst umfassende dänische Gewinnbeteiligungsverfahren ist leider schon nach kurzer Lebensdauer wieder beseitigt worden. Ob es für den einzelnen durch die Aussicht auf einen im Verhältnis zu seinem festen Bezug doch recht unerheblichen Gewinnanteil einen hinlänglichen Anreiz zu erhöhten Leistungen schuf, erscheint zweifelhaft.

Das vollkommenste unter den im Eisenbahnbetrieb eingeführten Gewinnbeteiligungssystemen ist dasjenige der italienischen Staatsbahnen, weil es dem Personal nur denjenigen Gewinn, der von ihm erarbeitet worden ist, zur Verfügung stellt, hierbei kleine Verdienstgruppen bildet und innerhalb dieser wieder die Gewinnprämie an die Teilnehmer nach ihrem Verdienst verteilt. Aber schon die Ermittlung der den einzelnen Gruppen gutzuschreibenden Ersparnisse wird eine schwer lösbare Aufgabe bilden. Für das erste Verteilungsjahr hat man auf eine richtige Ermittlung verzichtet. Ein Vierteil des Personals geht ferner auch bei redlichem Bemühen leer aus. Die Qualifizierung des Personals, namentlich der großen Massen der unteren Angestellten nach ihrem Verdienst um die Herabdrückung des Personalausgabekoeffizienten stellt die Dienstvorstände vor eine sehr mißliche Aufgabe und wird zu einer Quelle von Eifersüchteleien unter dem Personal, von Beschwerden gegen die Vorgesetzten und von Verdrießlichkeiten für die Verwaltung werden. Man wird daher dem Gesetz Bertolini-Sacchi bei dem ohnehin schwierigen Charakter des von syndikalistischen Elementen durchsetzten Personals kaum eine lange Lebensdauer verheißen können.

In der volkswirtschaftlichen Literatur ist neuerdings die genossenschaftliche Form der Unternehmung[113] als die zukunftsreichste Lösung der Gewinnbeteiligungsfrage gepriesen worden. Das Problem des genossenschaftlichen (»kooperativen«) Eisenbahnbetriebs hat in Italien die öffentliche Meinung beschäftigt, als bei den Kämpfen, die das Personal im ersten Jahrfünft nach der Verstaatlichung der Bahnen (1. Juli 1905) um seine Besserstellung führte, die Syndikalisten mit dem Wahlspruch: »Le ferrovie ai ferrovieri« die Forderung stellten, der Staat solle den Eisenbahnern die Eisenbahnen in Kollektivpacht geben (vgl. Ztg. d. VDEV. 1912, S. 1384). Die Forderung blieb unerfüllt. Der genossenschaftliche Eisenbahnbetrieb ist weder von der italienischen Regierung in Erwägung gezogen, noch sonst bisher von irgend einer andern Eisenbahn der Welt eingeführt worden.


Nach dem Gesagten besitzt die eigentliche P. ein recht beträchtliches Anwendungsgebiet innerhalb des Eisenbahnwesens, während der Durchführung eines wirksamen allgemeinen Gewinnbeteiligungsverfahrens für die Masse des Personals fast unüberwindliche praktische Schwierigkeiten entgegenstehen. Wo die P. nicht anwendbar ist, kann die Remuneration für verdienstvolle Einzelleistungen und an Stelle der Gewinnbeteiligung die Gratifikation für Wohlverhalten einen wertvollen Ansporn für das Personal zu tüchtiger Leistung bilden, wenn auch von diesen beiden Arten der besonderen Belohnung des Personals nicht die gleich starke Wirkung erhofft werden darf, wie von der durch feste Normen geregelten P. und Gewinnbeteiligung.

Literatur (außer den im Text angeführten Aufsätzen): Adler, Lohn. Elsters Wörterbuch der Volkswirtschaft. – Biermer, Gewinnbeteiligung. Ebenda. – Bernhard, Lohn und Löhnungsmethoden. Conrad und Lexis Handwörterbuch der Staatswissenschaften. – Wirminghaus, Gewinnbeteiligung. Ebenda. – Schmiedland, Lohnformen und Lohnhöhe. Rundschau für Technik und Wirtschaft, 1910, S. 321. – Hasbach, Fallende und steigende Stücklohnsätze. Conrads Jahrbücher, III. Folge, Bd. XXIX, S. 721. – Brandeis, Scientific Management and Railroads. New York 1912. – Sausse, Zwei neuartige Stücklohnverfahren. Arbeiterfreund, 1913, S. 58. – Vgl. außerdem die Literaturangaben zu den Art. Akkordlohn u. Lohnwesen.

Völcker.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 8. Berlin, Wien 1917, S. 108-114.
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