[238] Denkmal. (Zeichnende Künste)
Ein an öffentlichen Plätzen stehendes Werk der Kunst, das als ein Zeichen das Andenken merkwürdiger Personen oder Sachen, beständig unterhalten und auf die Nachwelt fortpflanzen soll. Jedes Denkmal soll das Aug derer, die es sehen, auf sich ziehen, und in den Gemüthern empfindungsvolle Vorstellungen von den Personen oder Sachen, zu deren Andenken es gesetzt ist, erweken. Zu dieser Gattung gehören also die Grabmäler, die Statuen verdienstvoller Personen, Tropheen, Triumphbogen, Ehrenpforten, und solche Werke der Baukunst, auf denen die zeichnenden Künste mit der Nachwelt sprechen. Da der vornehmste Zweck der schönen Künste, in einer lebhaften und auf Erwekung tugendhafter Empfindung abziehlenden Rührung der Gemüther besteht, so gehören die Denkmäler unter die wichtigsten Werke, und verdienen daher in eine ernsthafte Betrachtung gezogen zu werden.
Seit dem die Schrift erfunden worden ist, scheinet eine, an öffentlichen Plätzen gesetzte schriftliche Nachricht, das leichteste Mittel den Endzweck der Denkmäler zu erreichen, und daher haben auch die einfachesten der Denkmäler ihren Ursprung, Pyramiden, Säulen, oder blosse Mauern, auf welchen eine Schrift in Stein gehauen, oder in Ertzt gegossen, zu lesen ist. Es scheinet überaus natürlich, daß unter einem Volke, das öffentliche Tugend und Verdienst zu schätzen weiß, dergleichen Denkmäler häufig sollten anzutreffen seyn. Man stelle sich eine Stadt vor, deren öffentliche Plätze, deren Spaziergänge in den nächsten Gegenden um die Stadt herum, mit solchen Denkmälern besetzt wären, auf denen das Andenken jedes verdienstvollen Bürgers des Staats, für die Nachwelt auf behalten würde; so wird man leicht begreifen, was für grossen Nutzen solche Denkmäler haben könnten. Man muß sich in der That wundern, daß ein so sehr einfaches Mittel die Menschen auf die nachdrüklichste Weise durch die Beyspiele ihrer Vorfahren zu jedem Verdienst aufzumuntern, fast gar nicht gebraucht wird. Diese Nachläßigkeit beweiset unwidersprechlich, wie wenig man es darauf anlegt, die Menschen zum Verdienst und zur bürgerlichen Tugend aufzumuntern. Man begnüget sich an den Begräbnißstellen, wo niemand gerne hingeht, das Andenken der Verstorbenen durch elende Denkmäler zu erhalten, und auf öffentlichen Plätzen, die jederman mit Vergnügen besucht, und wo man mit leichter Mühe täglich den besten Theil der Bürger versammeln könnte, sieht man nichts, das irgend einen auf rechtschaffene Gesinnungen abziehlenden Gedanken erweken konnte.
In Athen war einer der öffentlichen Spatziergänge, eine bedekte Säulenlaube,1 in welcher die Thaten der verdientesten Bürger abgemahlt waren. Was wäre leichter, als alle Spatziergänge durch Denkmäler, nicht blos zu verschönern, sondern zu Schulen der Tugend, und der grossen patriotischen Gesinnungen zu machen?
Inzwischen soll der wenige Gebrauch, den man von öffentlichen Denkmälern macht, uns nicht abhalten, ihre Arten, nebst dem, was zu dem guten Geschmak derselben gehört, in reifliche Erwägung zu ziehen.
Man hat bey jedem Denkmal auf zwey Dinge zu sehen, auf den Körper desselben, der eine freystehende Maße ist, die durch eine gute Form einer eigenen Art das Aug auf sich zieht; und denn auf den Geist oder die Seele desselben, wodurch eigentlich der Haupteindruk, auf den das Denkmal abzielt, soll gemacht werden. [238] Die Erfindung des Körpers zu einem Denkmal hat keine Schwierigkeit. Eine Pyramide, ein Pfeiler, eine Säule, eine mit Fuß und Gesimms versehene Mauer, entweder ganz einfach, oder mit Pfeilern und Säulen ausgeziert, ist dazu schon hinlänglich. Nur gehört die gesunde Beurtheilung des schiklichen und wolanständigen dazu, daß die Grösse und Pracht des Werks, genau nach der Wichtigkeit der Sache abgewogen werden, damit man nicht in das Unschikliche verfalle, durch ein Werk, das das grosse Ansehen eines Triumphbogens hat, das Andenken einer Privattugend, oder durch das bescheidene Ansehen, einer ganz schlechten Wand, eine glänzende, den ganzen Staat in die Höhe schwingende Begebenheit, auf die Nachwelt zu bringen. Sowol die Grösse, als der Charakter des Baues muß der Sache, derenthalber er gemacht wird, auf das richtigste angemessen seyn: und dadurch muß sich der Erfinder, als einen Mann von Geschmak und von richtigem Urtheil zeigen.
Also stehen dem Künstler unzählige Formen und Gestalten der Denkmäler, vom schlechtesten Grabstein, bis auf den majestätischen Triumphbogen, und von der blossen Säule bis auf den prächtigsten Porticus, zu Diensten, damit er für jede Sache, das schiklichste wähle. Nach der guten Wahl der Form, kommt auch sehr viel auf eine schikliche Verzierung an. Hierin thut man insgemein eher zu viel, als zu wenig; daher das sicherste ist, sich der Einfalt zu befleissen. Alle in Rom noch vorhandene Triumphbogen, aus den Zeiten der Cäsare, könnten noch einer Menge von Zierrathen beraubet werden, und würden dadurch nur schöner werden. Bey solchen Gebäuden kommt es blos darauf an, daß für die Schrift, oder für die Bilder, die das Wesen des Denkmals ausmachen, ein schiklicher Platz, der auf eine der Sache anständige Art verziert sey, angeordnet werde. Hat der Bau überhaupt das Aug der Vorübergehenden an sich gelokt, so muß nun auch in der Nähe die Aufmerksamkeit ganz auf den Geist des Denkmals gerichtet werden, mithin in den Verzierungen nichts seyn, das dieselbe von der Hauptsache ablenken könnte. Wichtig ist es, daß die Zierrathen mit dem Charakter der Vorstellung wol übereinstimmen. Grosse Gegenstände von ernsthafter Art, leiden nichts Zierliches, und die von fröhlicher und belustigender Art erfodern Verzierungen, darin Lieblichkeit und Anmuthigkeit liegt. Auch darin kann der Künstler ein richtiges Urtheil, oder eine ausschweiffende Einbildungskraft zeigen; denn in den schönen Künsten ist nichts so gering, das dem Künstler nicht grosses Lob oder strengen Tadel zuziehen könnte.
Indessen bleibt das, was wir vorher die Seele des Denkmals genennt haben, allemal der wichtigste Theil desselben. Diese besteht entweder blos in Aufschriften, von denen an einem andern Ort gesprochen worden,2 oder in bildlichen Vorstellungen, (sie seyen gemahlt, oder mit dem Meissel gebildet,) die entweder historisch, oder allegorisch seyn können. Man wird allemal, wie schon irgendwo angemerkt worden, von solchen Werken fodern, daß sie mehr sagen, als eine Schrift sagen könnte, weil sonst die blosse Schrift vorzuziehen wäre.3 Also können dergleichen Vorstellungen nie das Werk gemeiner Künstler seyn; denn es gehört gewiß gar sehr viel dazu, die Gemüther der Menschen durch diesen Weg lebhaft zu rühren, und zugleich in dem, was zum historischen gehört, verständlich zu seyn, und den ganzen Geist einer Begebenheit oder einer Handlung in wenig Bildern vorzustellen.
Man hat aus dem Alterthum zwey Denkmäler, die trajanische und die antoninische Säule, auf denen grosse Begebenheiten, durch eine lange Folge von Bildern historisch vorgestellt werden: allein solche Werke sind zu weitläuftig und zu kostbar; daher sich für Denkmäler solche Vorstellungen am beßten schiken, wo nur das Wesentliche der Sachen, in wenig Bildern ausgedrükt wird. Hiezu aber sind nur die größten Köpfe aufgelegt: daher man wol behaupten könnte, daß ein vollkommenes Denkmal dieser Art, eines der schweeresten Werke der Kunst sey. Es ist im Art. ⇒ Allegorie eines schönen Denkmals, das den noch lebenden Bildhauer Nael zum Erfinder hat, Erwähnung geschehen, dessen Beschreibung hier einen Platz verdienet.
Es ist ein Grabmal einer tugendhaften und sehr schönen Frauen, welche durch eine schweere Gebuhrt ihr Leben eingebüßt hat. Dieses Denkmal stellt ein Grab vor, mit einem ganz schlechten Stein bedekt. So bald man aber näher herantritt, wird man plötzlich in die erstaunliche Scene versetzt, wo die Gräber sich öffnen und ihre Todten lebendig wieder hergeben werden. Man findet den Grabstein durch ein gewaltiges Beben der Erde mitten von einander geborsten, und durch die daher entstandene [239] Oeffnung sieht man die dort begrabene Person, mit allen Empfindungen der Seeligkeit, in welche sie nebst ihrem Kinde nun soll versetzt werden, auf dem Gesicht und in der ganzen Bewegung. Sie trägt ihr Kind, das nun auch lebt, in dem linken Arm, und mit dem rechten stößt sie den geborstenen Grabstein in die Höhe, um aus dem Grabe heraus zu steigen. Um den Grabstein stehen die Worte: Hier bin ich Herr und das Kind, das du mir gegeben hast, nebst dem Namen der Verstorbenen.
Wäre der Gebrauch öffentlicher Denkmäler so allgemein, wie er seyn sollte, so wär es alsdenn der Mühe werth, nach dem Beyspiel das Ludwig der XIV in Frankreich gegeben hat, in jedem Land die Erfindung derselben, und die Aufsicht über die Ausführung einer Gesellschaft gelehrter und in den schönen Künsten erfahrner Männer aufzutragen.
Es ist kaum etwas, darin die heutigen Sitten und Gewohnheiten sich von den ehemaligen Sitten der Griechen weiter entfernen, als der Gebrauch der Denkmäler. Man darf, um davon überzeuget zu seyn, nur den Pausanias lesen. Ein Grieche konnte weder in den Städten noch auf den Landstrassen tausend Schritte gehen, ohne ein wichtiges Denkmal anzutreffen. Die Grabmäler wurden nicht, wie itzt geschieht, an Oerter gesetzt, wo niemand sich gerne verweilt, und wohin kein Mensch geht um einen vergnügten Spatziergang zu thun, sondern an die Landstrassen, wo sie niemanden unbemerkt bleiben konnten. In den Städten waren alle öffentliche Plätze, alle Spatziergänge und verschiedene besonders dazu aufgeführte Gebäude, mit öffentlichen Denkmälern angefüllt; so daß ein Grieche nirgend wohin gehen konnte, da ihm nicht häufige Gelegenheiten zu sehr ernsthaften und den Geist erhöhenden Betrachtungen, vorkamen. Von dergleichen edeln und zugleich sehr angenehmen Veranstaltungen sieht man gegenwärtig kaum noch hier und da einige schwache Spuhren.
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